— 308 —
sich wohl die Herzen der siegreichen Völker, denn ihnen lag der
kühlende Gedanke zu nahe, es könnte der Friede ihnen den ver-
dienten Lohn ihrer Siege rauben. Diese Sorge nun war bei keinem
Volk des Zehnverbandes voıhanden als höchstens bei England,
welches sich im Besitze des größten Teils der deutschen Kolonien,
ım Besitze eines Teils von Frankreich, Belgien und Griechenland
befindet. In England mochte wohl ein Teil des Volkes von der
Sorge, dies alles könnte wieder verloren gehen, wenn jetzt ein
Friede zur Erörterung käme, sehr rasch die auch bei ihm vor-
handene Sehnsucht nach dem Frieden kühlen. Der Engländer ist
in allem langsam, im Denken, Fühlen, mitunter sogar im Zugreifen,
aber in einem ist er schnell, in der Erkenntnis seines Vorteils. Und
„politisch“ zu denken, ist er gewohnt. So war es denn in Eing-
land verhältnismäßig am leichtesten, die Vorteilsfrage zu stellen
und dadurch die Stimmung für den Frieden zu löschen. Nun war
die Friedensfrage kräftig aufgeworfen. Das Volk lauschte nach
Lord Northelifis Magazin, dahin, woher für das ganze Weltreich
die tonangebende Stimme in jedem ernsten Fall zuerst erschallt.
Es lauschte nach Friede und Aufklärung über die Vorteilsfrage.
Friede oder Nichtfriede, das ist jetzt die Frage. Aber die eng-
lische Regierung, die dieses millionenfache Lauschen, welches sich
um den ganzen Erdball herum wie ein elektrisches Etwas ver-
breitete, kannte und wußte, daß dieses Lauschen der „öffentlichen
Meinung“ für sie stets Kabinettsfrage ist, sie geriet in eine jener
kalten Erregungen, die sie immer erlebt, wenn es in den Fugen
des Weltreichs zuckt, sie wußte: es entscheidet sich in diesem
Augenblick mehr als im ganzen Kriege. Die 9 Verbündeten! Was
werden sie erleben, sagen, tun, wenn sie ebenso wie wir, ja gleich-
zeitig mit uns das teuflische Angebot erhalten. Werden sie nicht
schwach werden, taumeln, jubeln, daß der Friede kommt? Das
erste also eine ungeheure, berghohe Angst bis in die Nerven der
Haare! Und das zweite eine Empörung über die Anmaßung der
Feinde! Empörung ist jenes sittliche Gefühl des Herrenmenschen,
welches wie eine weiße Flamme aus dem Dunkel aufzischt, wenn