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Landes von einem obersten Geriehtshof ausgeht, der planmäßig
sich zum Oberhof und Beherrscher der territorialen Gerichtsge-
walten aufschwingt. Es werden also erst die deutschen, dann die
französischen Verhältnisse einer Betrachtung unterzogen. Dabei
wird nieht nur das Verhältnis der Zentralgewalt zu den weltlichen
lokalen, sondern auch zu den geistlichen Gerichten zu prüfen sein.
Bevor ich aber in die Darstellung eintrete, will ich Verwah-
rung einlegen dagegen, daß meine Bezeichnung der deutschen
Entwicklung als einer negativen, der französischen als einer posi-
tiven irgendwelches Werturteil ausdrücken soll. Vielmehr soll zu-
nächst nur Tatsachendarstellung gegeben werden. Zur Kritik wird
sich an geeigneter Stelle Raum finden.
l.
Das deutsche und das französische Reich waren als gleich-
berechtigte Töchter dem gemeinsamen Mutterschoße der Karo-
lingischen Monarchie entsprossen. Und doch waren ihre Lebens-
bedingungen grundverschieden. Das französische Reich entfaltete
sich westlich des Rheins. Dort war alter römischer Kulturboden.
Ueber den Gefilden Frankreichs lagert schon bei seiner Ent-
stehung der Hauch einer großen geschichtlichen Vergangenheit.
Eine gewisse nivellierende Tendenz aber ist jeder höheren Kultur
eigen. Daher hat auch das französische Königtum seit je mit
Stammeseigentümlichkeiten und landschaftlichen Besonderheiten
wenig zu kämpfen gehabt. Der Schwerpunkt des Deutschen Reiches
lag hingegen auf dem jungfräulichen Boden Germaniens, wo die
noch ungebrochene nationale Bigenart sich ausleben konnte. Die
Träger des Nationalitätsbewußtseins aber sind die Stämme. Ein
einheitliches deutsches Gesamtgefühl gab es damals noch nicht
und hat es, wie Vorgänge der allerjüngsten Vergangenheit be-
weisen, überhaupt noch nie gegeben.
Aus dieser geographischen Bedingtheit erklärt es sich, wie
verschieden die beiden Reiche einer gemeinsamen Gefahr begeg-
nen: Der Feudalität, dem Lehnswesen.