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heute von Wechselstrenge sprechen. Diese Strenge äußerte sich
in der Festigkeit des dinglichen und persönlichen Bandes, das
den Herren mit Vasallen und Lehen verband. Eine Konsequenz
hiervon war insbesondere der Mannfall, die Rückkehr des erle-
digten Lehens in die Hand des Herrn. Ebenso der Heimfall
kraft Aburteilung des Lehens, wenn sich der Mann einer Treu-
verletzung schuldig gemacht hatte. In diesem entscheidenden
Punkte nun war das Reichslehnrecht durchbrochen. Es bestand
nämlich der Rechtssatz, daß der König ein heimgefallenes Lehen
nicht länger als Jahr und Tag in seiner Hand behalten dürfe:
dann müsse er es wieder ausgeben. Leihezwang nennt man das
in der neueren Literatur, Ein Rechtssatz von verhängnisvollsten
Folgen! Kraft dieses Satzes ging dem Reiche, um nur ein Bei-
spiel zu nennen, der mächtige Besitz Heinrichs des Löwen nach
seiner Verurteilung 1180 verloren. Das Reich kam um die Früchte
seines Sieges. Die Lehnsfürsten verteilten das Fell des toten
Löwen.
Man hat nun gelegentlich den Satz aufgestellt, dieser Leihe-
zwang bedeute eine Ueberspannung des Lehnrechts I, Gerade das
Gegenteil ist richtig. Er bedeutet eine Negation des strengen Lehn-
rechts, einen Einbruch des Landrechts in das Lehnrecht Y. Er ist für
die deutsche Verfassungsgeschichte von fundamentaler Bedeutung
und in dieser noch längst nicht genügend gewürdigt. Ueber
seinen Ursprung, die Bechtsvorstellungen, auf denen er beruht,
sind wir noch fast gar nicht unterrichtet. Man muß sich damit
begnügen, festzustellen, daß im Reiche gewohnheitsrechtlich der
Leihezwang das ganze Mittelalter hindurch bestanden hat. Das
bedeutet: Das Reich konnte es niemals zu einer selbständigen
Territorisalmacht bringen. Der König konnte niemals als solcher
ein großer Grundherr werden. Und das will mehr sagen, als
® Vgl. BRUNNER, Grundzüge der Deutschen Rechtsgeschichte ® S. 140,
10 HEUSLER, Deutsche Verfassungsgeschichte 1905 S. 143.
ıı ROSENSTOCK, Königshaus und Stämme 1914 S. 118.