Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 40 (40)

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man auf den ersten Bliek annehmen möchte. Denn nicht allein 
wirtschaftlich hätte das Reich dann günstiger gestanden. Vor 
allem hätte es auf einem zusammenhängenden Territorium eine 
selbständige Verwaltung und Gerichtsbarkeit zur Ausübung bringen 
können. In diesem Zusammenhang mit der Gerichtsbarkeit lag 
ja die eminente staatsrechtliche Bedeutung der Grundherrschaft 
ım Mittelalter. Dieses Dominialgut hätte dann die Keimzelle 
werden können, von der aus sich die Rechtspflegetätigkeit des 
Reiches durch ganz Deutschland hin fortpflanzen konnte. Ein 
geschlossenes, sich ständig erweiterndes Rechtspflegegebiet konnte 
die Brücke zur Reichseinheit werden. 
Der Leihezwang ist es gewesen, der diese Entwicklung ver- 
hindert hat. Er ist schuld an der Abwanderung der Rechtspflege 
in die Territorien. Dort nämlich hatte der Leihezwang keine 
Macht mehr über sie. Den Territorialherren gelang es, ihn ge- 
wohnheitsrechtlich außer Kraft zu setzen. Sie griffen mit der 
Entziehung erledigter und verwirkter Lehen rücksichtslos durch. 
Sie besetzten ihre Gerichte immer mehr mit Amtleuten und Vögten, 
mit abhängigen Beamten. Sie zentralisierten die Rechtspflege 
in ihren obersten Landesgeriehten. Dadurch schufen sie sich den 
mächtigsten Hebel zum Aufstieg. In den Territorien erwachte 
zuerst modernes Staatsleben. Sie sind die Geburtsstätten des 
heutigen Staates. 
Trotzdem stand für das Königtum noch ein Weg offen, um 
dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten. Dieser war gegeben 
in der Anknüpfung an die persönliche Rechtsprechung des Königs, 
an das Königsgericht. 
Seit je hatte der fränkische König Recht gesprochen. Nicht 
nach den strengen Regeln des Volksrechts, sondern nach seiner 
persönlichen Rechtsüberzeugung, nach Billigkeit. Im Königs- 
gericht war Gelegenheit, dem alten starren Prozeßformalismus 
132 Darüber insbesondere BRUNNER, Entstehung der Schwurgerichte 1871 
S. 70 ff. Deutsche Rechtsgeschichte II 135 ff.
	        
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