Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 40 (40)

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festgegliederte gerichtliche Behörde abzulösen. Aber es blieb 
beim bloßen Versuch. Mag immerhin die rechtsgeschichtliche 
Forschung dem Reichskammergericht eine gewisse ideale Bedeu- 
tung für die deutsche Rechtsentwicklung zusprechen # — die 
praktische Wirksamkeit für die Zeit und in der Zeit blieb ihm 
doch versagt!*. Zu sehr war es der wechselnden Gunst der 
Reichsstände anheimgegeben, das Kammergericht zu erhalten und 
auszubauen; und bald bemächtigte sich seiner der Kampf der 
Religionsparteien. Erstinstanzliche Zuständigkeit besaß es fast 
keine; die war den ständischen Gerichten vorbehalten. Unter 
denen, die ihm in erster Instanz unterstanden, den Reichsunmittel- 
baren, bestand ein festes System von Austrägen, Schiedsverein- 
barungen. Ursprünglich hatte der König das Recht gehabt, jede 
Sache in erster Instanz an sich zu ziehen, das Evokationsrecht. 
Die privilegia de non evocando der Territorien setzten es außer 
Kraft. In der Berufungsinstanz konnte theoretisch jede Sache an 
das Reichskammergericht kommen. Die privilegia de non appel- 
lando sorgten dafür, daß dies nicht geschah. So schlossen sich 
die Gerichtsbezirke der Landesherren nach oben ab; nach unten 
entwickelten sie ihre eigene Organisation, auf die unsre heutige 
Gerichtsverfassung zurückgeht. 
Bedürfte es noch eines Beweises für die Unzulänglichkeit 
der Reichsjustiz, so müßte dieser gefunden werden in der Ent- 
wicklung der Veme. Sie bedeutet den Versuch, auf inoffiziellem 
Wege eine durchgreifende Gerichtsbarkeit mit Vollstreckung für 
das ganze Reichsgebiet zu schaffen und so zu leisten, was zu er- 
reichen Sache des Reiches gewesen wäre. Selbst die Kaiser des 
14. und 15. Jahrhunderts haben sie unterstützt und so heimlich 
vollzogen, was sie in voller Oeffentlichkeit hätten tun müssen. 
Hierin lag ein Keim der Entartung, durch die die Veme ein so 
schlechtes Andenken hinterlassen hat. 
15 So insbesondere SmenD, Das Reichskammergericht I 1911, 8. 112 £. 
ı6 Vgl. die Bemerkungen bei TRIEPEL, Die Reichsaufsicht, 1917, 8. 25 f.
	        
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