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Rechtsverletzungsklausel, die der Vorentwurf enthält, für schädlich
erklärt wird; das Verfahren, das, weil nicht so als Parteiverfahren
ausgestaltet wie jetzt das preußische, als Abschwächung der Wirksam-
keit des Gerichts und als undemokratischer Rückschritt betrachtet
wird, die Einrichtung des Oberreichsanwalts, die unnütz und dem An-
sehen des Gerichts abträglich sei u. a. m. Es ist hier nicht möglich,
auf diese schwierigen Fragen näher einzugehen. Immerhin mag so
viel bemerkt werden, daß das Verfahren, das sich in Preußen für die
Kontrolle der Lokalverwaltung bewährt hatte, nicht ohne weiteres
auch das beste Verfahren für ein Revisionsgericht zu sein braucht.
Taktisch war es auf alle Fälle von seiten des preuß. OVG. nicht sehr
geschickt, daß es immer wieder durchblicken ließ, ja es eigentlich
ziemlich deutlich aussprach, daß die preußische Verwaltungsgerichts-
barkeit nach ihren Rechtsgrundlagen, ihrer Praxis und ihren Erfolgen
doch eine so musterhafte Einrichtung sei, daß man nicht verstehen
könne, wie man etwas anderes als sie zur Grundlage der neuen Reichs-
einrichtungen machen wolle.
Dem ist nämlich doch nicht ganz so. Ganz gewiß hat das preuß.
OVG. aus den in mancher Beziehung gar nicht idealen Grundlagen
seiner Rechtsprechung etwas sehr gutes zu machen verstanden, seine
Tätigkeit so ausgestaltet, daß sie einen überaus großen und segens-
reichen Einfluß auf die ganze Handhabung der Verwaltung in Preußen
ausübte. Aber ohne Mängel war sie doch keineswegs. Um nur auf
einiges aufmerksam zu machen: Die Personalunion zwischen Ver-
waltungsgericht und Verwaltungsbehörde beim Kreisausschuß war
mehr als nur ein Schönheitsfehler; bei den Bezirksausschüssen ist der
Posten des Verwaltungsgerichtsdirektors häufig nicht als besonders
wichtig betrachtet und nicht mit den besten Kräften besetzt gewesen,
was sich bei ihrer Tätigkeit sehr fühlbar gemacht hat, und was die
Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts selbst betrifft, so darf
nicht verschwiegen werden, daß von denen, die mit ihr Erfahrung zu
machen (elegenheit hatten, nicht ganz selten über mangelnde juristische
Durchbildung der Urteile geklagt wurde; das ist erst vor kurzem z. B.
wieder von einem westfälischen Bürgermeister in sehr scharfer Weise
geschehen (vgl. OBM. Jockusch in Heft 16 der Schriften des Verf.
Komm.Wirtschaft u. Komm.Politik, 1920). Ohne zu diesem Vorwurf
hier Stellung zu nehmen — ich habe es an anderer Stelle getan ? —
? Vgl. meinen Aufsatz: Das preuß. OVG. und die Nachsteuer der Ge-
meinden nach $ 85 Komm.Abg.G., Deutsches Steuerblatt Juni 1920, S. 504 ff.