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Versuchung unterliegen, sich der Steuerlast möglichst zu entziehen. Keine
Strafandrohung könnte etwas ausrichten, wenn diese Tendenz einmal
weite Schichten des Volkes ergriffen haben sollte. Was das für das
Schicksal des Reiches zu bedenten hätte, brauche ich nicht auszumalen.
Mit allem Nachdruck für die Gerechtigkeit der Steuergesetzgebung und
ihre Durchführung einzutreten, gehört zu den wichtigsten Aufgaben unserer
Steuerrechtswissenschaft. Diese Aufgabe hat sich der Verf. gestellt und
deshalb ist seine Schrift besonders dankbar zu begrüßen.
Jerusalem.
Käckell, Dr. jur, Lothar, Der Schweigebefehl I. Tübingen 1920.
J. ©. B. Mohr (Paul Siebeck) 158 8.
Der Schweigebefehl, d. i. der bei Ausschluß der Oeffentlichkeit wegen
Gefährdung der Staatssicherheit zulässige Befehl des Gerichts an die bei
der Verhandlung anwesenden Personen, daß sie über Tatsachen Still-
schweigen bewahren, die sie in bestimmter Weise aus dem Prozeß erfahren
haben, wird in GVG. $ 175 II (u. MStGO. 8 286) geregelt. Die (leichte)
Vergehensstrafe für den Bruch des Schweigens ist in Art. II des Ges. v,
5. April 1888 (u. in EMStGO. 8 18) angedroht.
Die vorliegende Arbeit befaßt sich nur wit dem Tatbestande des
Schweigebefehls und der Entstehung des GVG. $ 175 U, nicht mit der
strafgesetzlichen Regelung der Befehlsverletzung. Dafür war eine 2. Ab-
handlung bestimmt, die der 1920 verstorbene Verfasser nicht mehr voll-
endet hat.
Wer nur den Titel des Buches kennt, mag denken, daß es sich nicht
ohne, einen Torso näher kennen zu lernen, der nur eine selten angewandte
Norm betrifft, deren Uebertretung fast nie zur Aburteilung kommt.
Allein das Buch birgt viel Interessantes. Die gut dargestellte Ent-
stehungsgeschichte läßt ersehen, wie vorsichtig und wie mißtrauisch man
in den 80er Jahren bei der Novellengesetzgebung war, wie man aber
trotzdem ein paar technische Unebenheiten übersah. Den dogmatischen
Teil der Arbeit kann man mit praktischen Uebungen am Phantom ver-
gleichen, die ein Mediziner abhält. Der Verf, kommt nämlich bei der
Analyse des $ 175 II GVG. auf eine Menge praktisch wichtiger Probleme
zu sprechen. Er erörtert u. a. den Wert der Oeffentlichkeit, die Bedeutung
der Verweisungen auf ein Gesetz, das später abgeändert wird, die angeb-
liche Natur des Schweigebefehls als eines Rechtssatzes (?), die Unterstellung
der etwa anwesenden Esterritorialen unter die Befehle des Gerichts, den
Gegensatz von Tatsachen und Urteilen (?), die strafbefreiende Wirkung
der Aufhebung des Befehls (?), den Begriff des Geheimnisses. Mag einzelnes
auch anfechtbar sein, der Bedeutende wissenschaftliche Wert der klaren
gedankenreichen Arbeit bleibt als ehrenvolles Denkmal bestehen.
A. Köhler Jena.