— 149 —
ist, was also auch für anders Fühlende und anders Gesinnte gilt.
Eine „objektive* Feststellung wäre demnach gewissermaßen eine
allgemeingültige in dem Sinne, daß jeder Mensch mit nor-
malen geistigen Fähigkeiten über die gleichen Begebenheiten unter
der Voraussetzung gleicher Vermittlung durch die Sinne das gleiche
Urteil fällen müßte.
Sieht man nun näher zu, so findet man, daß die „Objektivi-
tät“ in diesem Sinne, wie sie die Rechts- und Staatswissenschaften
anstreben, nur in einem äußerst bescheidenen Umfang erreichbar ist.
Dabei ist nicht etwa an die erkenntnistheoretischen Vorbehalte
gedacht, die man jeder Behauptung und daher jeder Wissenschaft
vorausschicken muß. Es würde zu weit führen, hier auf Erkennt-
nistheorie einzugehen. Wir wollen die Gesetze der Logik und
der Mathematik und die festgestellten äußeren Tatsachen der
Natur und der Geschichte hier als „allgemeingültig“ in dem oben
erwähnten Sinn voraussetzen. Das heißt, wir wollen hier davon
ausgehen, daß die Gesetze der Logik und der Mathematik und die
äußeren Tatsachen der Naturwissenschaften und der Geschichte
potenziell gleicher geistiger Besitz aller normal denkenden Menschen
sind. Aber für die überwiegende Mehrzahl der rechts- und staats-
wissenschaftlichen Fächer reicht man mit Logik, Mathematik und
der Feststellung von Tatsachen des Naturgeschehens und der Ge-
schichte nicht aus.
Um das Problem der Objektivität des Forschers möglichst
kurz zu überblicken, wollen wir vier Gruppen der Rechts- und
Staatswissenschaften unterscheiden.
Die erste Gruppe bilden die historischen und beschreibenden
Disziplinen, so die Rechtsgeschichte, die Wirtschaftsgeschichte, die
Geschichte der politischen Theorien, die Literaturgeschichte der
einzelnen Gebiete, ferner die ausschließlich beschreibenden Teile
der Soziologie, der kausalen Staatslehre („Soziallehre des Staates“
im Sinne JELLINEKs), der kausalen (sozialen) Rechtslehre und der
Nationalökonomie. Die zweite Gruppe umfaßt die sogenannte