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sobald man also „dogmatisch“ forscht, kann, wie wir heute nicht
bezweifeln,der geschichtliche Hinweis auf kausales Geschehen keine
genügende Antwort geben. Denn daraus, daß irgend einmal, oder
noch so oft, irgend etwas geschehen oder für Recht gehalten
worden ist, kann nicht logisch abgeleitet werden, daß ich jetzt
verpflichtet bin, dies oder jenes zu tun. Schon die klas-
sischen Vertreter der historischen Schule haben daher in der
Theorie vom „Volksgeist“ einen besonderen Grund der Verbind-
lichkeit des Rechts einzuführen getrachtet. Allmählich ist dann die
historische Beantwortung juristischer Fragen immer mehr verdrängt
worden. Der spätere und gegenwärtige Positivismus hat an Stelle des
„Volksgeistes* als Grund der Verhindliehkeit des Rechtes den
„Gesetzgeber“, oder, was in diesem Zusammenhang nur einen
terminologischen Unterschied bedeutet, den „Staat“ gesetzt. Man
geriet immer mehr aus einer historisch-dynamischen in eine lo-
gisch-statische Konstruktion dessen, was man als den verbind-
lichen Rechtsinhalt darstellte. Der moderne juristische „Positivist“
räumt historischen Tatsachen außerhalb des als gegeben vorausge-
setzten „positiven“ Gesetzestextes nur mehr in geringem Umfang
in der Gestalt des Gewohnheitsrechtes unmittelbar rechtserzeugende
Kraft ein und auch diese Kraft leitet er, wenn er wirklich konsequenter
Positivist sein will, irgendwie von dem „Willen des Gesetzgebers*
her. Wir dürfen daher wohl, ohne im folgenden mißverstanden
zu werden, sagen, der heutige juristische Positivismus läßt nur
das „positive“ Gesetz und die Logik gelten. Auf diese Selbst-
beschränkung stützt’er seine „wissenschaftliche Objektivität“ gegen-
über Rückfällen ins Naturrecht, gegenüber Spekulationen de lege
ferenda und gegenüber der Freirechtsschule und der „soziologischen“
Rechtswissenschaft.
Ist es nun richtig, daß die Beschränkung auf Gesetz und Lo-
gik zu „objektiven“ Erkenntnissen, zu „allgemeingültigen* Erkennt-
nissen in dem oben dargelegten Sinne führt? Mit anderen Worten:
ziehen alle Menschen mit normalen geistigen Fähigkeiten aus dem