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letzterem Sinne zu verfahren, hat vielmehr das ganze (Gesetz als eine
Einheit angesehen. Dafür war maßgebend, daß, wenn die verfassungs-
widrigen Teile gestrichen werden, nur ein wenig bedeutungsvoller Rest
übrigbleiben würde, der gerade diejenigen Bestimmungen nicht ent-
hielte, auf die es der Bürgerschaft nach ihren Beratungsprotokollen
ankam.
Der zweite Teil des Beschlusses über eine Ergänzung der Ge-
schäftsordnung der Bürgerschaft erweist sich gleichfalls als nicht ver-
fassungsgemäß. Es ist beschlossen, in die Geschäftsordnung folgende
Bestimmung aufzunehmen:
Untersuchungsausschüsse sind auf Antrag von einem Fünftel der
Mitglieder der Bürgerschaft einzusetzen. Diese Bestimmung wider-
spricht gleichfalls der Verfassung. Die Einsetzung der Ausschüsse
hat durch die Bürgerschaft zu erfolgen. Die Bürgerschaft beschließt
nach S 29 der Verfassung nach einfacher Stimmenmehrheit — sofern
nicht die Verfassung ein anderes Stimmenverhältnis vorschreibt —
und die Mitglieder sind nach $ 29 nur ihrem Gewissen unterworfen.
Diesen Grundsätzen der Verfassung widerspricht es, wenn die Bürger-
schaft durch das Verlangen eines Fünftels ihrer Mitglieder gezwungen
werden soll, eine bestimmte Maßnahme zu treffen, wodurch sie also
insoweit ihrer Beschlußfreiheit verlustig gehen würde. Die streitige
Bestimmung hätte mithin nur durch die Verfassung oder durch eine
Verfassungsänderung ($ 58) eingeführt werden können.
Danach war dem Antrag des Senats stattzugeben. Es erschien
nach Sachlage nicht erforderlich, im entscheidenden Teile, der sich im
wesentlichen an die Wortfassung des Antrags des Senats anschließt
besonders zum Ausdruck zu bringen, daß die Feststellung der Ver-
fassungswidrigkeit nicht nur das eigentliche Gesetz, sondern auch die
beschlossene Aenderung der bürgerschaftlichen Geschäftsordnung er-
greift.
gez. Koenige. gez. Kahl. gez. Rosenberg. gez. Pietzcker.
gez. Hoffmann. gez. Petersen. gez. Beyerle.
2. Das Urteil im Württemberger Falle.
StG.H. 2 1921. 13.
Beschluß.
In Sachen
der Fraktion der Bürgerpartei und des Bauernbundes im württem-
bergischen Landtag