Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 43 (43)

— 4 — 
richtsbarkeit noch auszuüben hätten. Das Auftreten Frankreichs 
war damals so energisch, daß ein ernstlicher Bruch mit Italien 
zu befürchten war und nur durch das Eingreifen BISMARCKs das 
Schlimmste verhütet ward. 
Am lebhaftesten ist die Bedeutung des Souveränitätsvorbe- 
halts in Beziehung auf Bosnien und die Herzegowina be- 
sprochen worden. Zwar lagen die soeben über Massaua berichteten 
Ereignisse zeitlich später, aber sie beleuchteten die praktische 
Bedeutung der Frage doch so hell, daß sie in Zusammenhang mit 
den Vorgängen in Cypern die Literatur hätten abhalten sollen, 
die Okkupation Bosniens und der Herzegowina als verschleierte 
Annexion zu bezeichnen. Wäre das so, so bliebe es nicht nur 
unverständlich, weshalb Oesterreich-Ungarn im Jahre 1908 die 
förmliche Annexion aussprach — es hätte sich ja dann nur um 
die Wiederholung schon Geschelenen gehandelt — sondern auch 
weiter, wieso Europa dadurch an den Rand eines Krieges gedrängt 
werden konnte. Daß sich besonders Frankreich durch die Annexion 
verletzt fühlte, ist bekannt und braucht nicht näher dargelegt zu 
werden, wohl aber sei auf die Erörterungen des Oxforder Professors 
HOLLAND hingewiesen, der damals in entschiedener Kürze (gegen 
den Oesterreicher LAMMASCH) darlegte, daß die Annexion mit den 
Bestimmungen des Berliner Vertrags und namentlich mit der 
Anerkennung der türkischen Souveränität in dem Konstantinopler 
Vertrag unvereinbar sei °®. 
Die führende deutsch-österreichische Literatur hat sich denn 
auch von vornherein, d. h. bald nach Abschluß dieses Vertrags, 
auf den Standpunkt gestellt, daß die Souveränität der Türkei 
in Bosnien und der Herzegowina fortdauere und mit praktischen 
Folgen ausgestattet sei. So sagte 1882 GEORG JELLINEK in 
seiner Lehre von den Staatenverbindungen (S. 53/4): „In Gemäß- 
heit des Artikels 25 des Berliner Vertrages hat Oesterreich- 
Ungarn Bosnien und die Herzegowina okkupiert und die gesamte 
  
  
33 Times vom 13. November 1908 p. 12.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.