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den unmittelbar von ihm bestellten Reichsorganen aus. Daß frei-
lich der Reichspräsident dem Reichstage gegenüber in praxi die
schwächere Stellung innehat, weil er auch in der verfassungs-
mäßigen Anwendbarkeit dieses ihm zustehenden Auflösungs-
rechtes an die Gegenzeichnung des „parlamentarischen“ Reichs-
kanzlers oder dessen Stellvertreters gebunden ist, steht hier nicht
zur Erörterung”. In der Theorie ist das demokratischen An-
schauungen entspringende in der Reichsverfassung mehrfach ver-
ankerte Prinzip der Gleichheit in Gestalt dieses Kräfteausgleichs
auch hier gewahrt worden.
Das Recht des Reichstages, den Reichspräsidenten vor das
Forum des Volkes bringen zu können, war bereits im PREUSSSchen
Vorentwurf $ 67 Abs. 2 normiert worden. Diese Bestimmung
ist in die nachfolgenden Entwürfe und die neue Verfassung
tibernommen worden ?°, abgesehen von einer vielleicht nur formellen
Aenderung hinsichtlich der qualifizierten Reichstagsmehrheit, die
dem Antrage auf Volksabstimmung zustimmen muß, und ferner,
abgesehen von der wichtigen Rechtsfolge, die sich für den Fort-
bestand des Reichstages an eine als Wiederwahl geltende Bestäti-
gung des Reichspräsidenten durch das Volk knüpft (s. u.). Diese
war im PREUSSschen Vorentwurf noch nicht enthalten.
Artikel 43 Abs. 2 der neuen Reichsverfassung enthält eben-
sowenig wie seine Vorgänger die Voraussetzungen, bei deren Vor-
liegen der Reichstag einen Volksentscheid über eine vorzeitige
Beendigung bzw. den Fortbestand der bestehenden Präsidentschaft
herbeiführen kann. PREUSS giebt über diese Aufschluß mit den
Worten seiner Denkschrift zum Vorentwurf: „In besonders schweren
25 Vgl. KOELLREUTTER, Das parlamentarische System in den deutschen
Landesverfassungen, Tübingen 1921, S. 5/6, AnscHürzz a. a. O., 8. 77/78,
NAWIASKY a. a. O. S. 80/81.
2° ]J, Entwurf (nach den Beratungen des Staatenausschusses) Art. 72,
II. Entwurf (nach den Beratungen des Verfassungsausschusses) Art. 48,
Abs, 2, Ill. Entwurf (nach der zweiten Lesung im Plenum) und neue
Reichsverfassung unverändert.