Object: Rechtslexikon. Erster Band. Aagesen - Fungible Sachen. (2.1)

378 Beweisverfahren. 
thatsächlichen Angaben zu ergänzen. — Dem Angeklagten selbst bieten sich drei 
Wege für die Herbeischaffung von Beweismitteln zur Hauptverhandlung dar: Er 
kann seine Anträge „unter Angabe der Thatsachen, über welche der Beweis erhoben 
werden soll“, bei dem Vorsitzenden des Gerichtes stellen (§ 218); er kann durch 
Gerichtsvollzieher unmittelbar die Ladung bewirken, muß dann aber nicht blos die 
Kosten der letzteren bestreiten, sondern auch den geladenen Person die gesetzliche 
Entschädigung für Reisekosten und Versäumniß baar darbieten oder sichern, wobei 
die Aussicht eröffnet bleibt, daß je nach dem Werth, den die Aussage des Geladenen 
in der Hauptverhandlung „für die Aufklärung der Sache“ nach Ansicht des Ge- 
richtes hat, die gesetzliche Entschädigung auf die Staatskasse übernommen wird 
(§ 219); er kann endlich sich an den Staatsanwalt wenden, und wenn der zweite 
Weg ihm durch das Gesetz ausdrücklich auch in dem Falle offen gehalten wird, 
wo der Vorsitzende den Antrag abgelehnt hat, so ist schon darauf aufmerksam ge- 
macht worden, daß eine folche Ablehnung auch den Staatsanwalt nicht hindern 
müsse, die vom Angeklagten gewünschte Ladung zu bewirken. — Bezüglich der un- 
mittelbaren Ladung (welcher die Erwirkung der freiwilligen Stellung eines nicht 
Geladenen gleichkommt) muß bemerkt werden, daß sie dem mittellosen Angeklagten 
nur wenig durch die angeführte Bestimmung bezüglich der Kosten erleichtert werden 
wird, da die Uebernahme der Entschädigung auf die Staatskasse unmittelbar nur 
dem Geladenen zu Gute kommt, keineswegs aber ohne Weiteres auch dem An- 
geklagten, wogegen es andererseits sehr mißlich bleibt, daß der einmal vor Gericht 
stehende Zeuge ein pekuniäres Interesse an der Erheblichkeit seiner Aussage haben 
soll. — Neben Staatsanwalt und Angeklagtem hat der Vorsitzende ein unbeschränktes 
Recht, Ladungen und die Herbeischaffung anderer Beweismittel anzuordnen (§ 220). 
Die Motive betonen, daß dieses Recht nur bis zum Beginn der Hauptverhandlung 
reiche, von da an aber auf das Gericht übergehe. — Bezüglich des gesammten im 
Vorbereitungsverfahren herangezogenen Beweismaterials besteht die Verpflichtung 
zu gegenseitiger „rechtzeitiger“ Bekanntgabe von Namen und Wohn= oder Aufent- 
haltsort des zu Ladenden, wobei den Staatsanwalt diese Pflicht auch bezüglich 
der auf Anordnung des Vorsitzenden zu Ladenden trifft (§ 221). Für das Ver- 
hältniß dieser Vorbereitungen zum B. in der Hauplverhandlung sind die §§ 243 
bis 245 der StrafPO. maßgebend: 1) Sämmtliche vorgeladene (und gestellte?) 
Zeugen und Sachverständige sind zu vernehmen; um davon abzugehen, bedarf es 
der Uebereinstimmung von Staatsanwalt, Vertheidigung und Gericht, worin einer- 
seits die Gemeinschaftlichkeit der Beweismittel zum Ausdruck kommt, andererseits 
aber auch, daß es (abgesehen vom Verfahren vor dem Schöffengericht (s. diesen 
Art.] und in der Berufungsverhandlung) nicht das Gericht allein ist, welches den 
Umfang der Beweisaufnahme bestimmt. (Es liegt hierin eine wesentliche Abweichung 
des Gesetzes vom Entwurf und es ist daher irreführend, wenn in der weitver- 
breiteten Ausgabe von Höinghaus aus den Motiven zum Entwurf der Satz 
herangezogen wird, die §§ 218 ff. seien nur für die Ladung, nicht für die Ver- 
nehmung entscheidend.) 2) Die Beweisaufnahme muß sich nicht auf das vorbereitete 
Material beschränken. „Das Gericht (nicht der Vorsitzende) kann auf Antrag und 
von Amtswegen die Ladung von Zeugen und Sachverständigen, sowie die Herbei- 
schaffung anderer Beweismittel anordnen.“ Diese Bestimmung stellt die Frage der 
Erweiterung des Beweismaterials ganz der Beurtheilung des Gerichtes anheim und 
wird nur durch den Satz beschränkt, daß es 3) auch zur Ablehnung eines Beweis- 
antrages eines Gerichtsbeschlusses bedürfe und daß eine Beweiserhebung 
nicht deshalb abgelehnt werden dürfe, weil „das Beweismaterial oder die zu bewei- 
sende Thatsache zu spät vorgebracht worden sei“. War es in Folge dieser Ver- 
spätung einer Partei nicht möglich, die erforderlichen Erkundigungen einzuziehen, 
so kann zu diesem Zwecke die Aussetzung der Hauptverhandlung beantragt werden, 
worüber das Gericht „nach freiem Ermessen“ entscheidet. Von welchen Grundsätzen
	        
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