Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

12 Erstes Buch. Entstehnng des heutigen Deutschen Reiches. 
mit dem betrübenden Bekenntnisse beginnen, daß der Deutsche Bund und sein 
Organ, die Bundesversammlung, längst schon das allgemeine Vertrauen in ihre 
gedeihliche Wirksamkeit verloren haben. — — —“ Das Ansehen der Bundes- 
versammlung sank von Tag zu Tag mehr und wandelte sich zuletzt in sein Gegen- 
theil um 
Iln der bayerischen Note vom 12. März 1848 wird gesagt?: „Was hat die 
Idee eines deutschen National-Parlamentes geboren, großgezogen — eingebürgert? 
Die Nullität des Bundestages, sein ausschließendes Sichbeschäftigen mit Aufschwung- 
unterdrückenden Maßnahmen, — der heimliche Bundestag ist den Deutschen ein 
Gegenstand erst der Scheu, dann kalter Anwiderung geworden." 
Eine wesentliche That ist schon zur Zeit des Deutschen Bundes, allerdings 
ganz ohne dessen Mitwirken geschehen, die Errichtung eines deutschen Zoll- 
vereins. Wenn es gewiß ist, daß die wirthschaftlichen Fragen ebenso wichtig 
find, wie die politischen, so muß die wirthschaftliche Einigung Deutschlands an Be- 
deutung neben die Errichtung des Deutschen Reiches gestellt werden. Der deutsche 
Zollverein bedeutete zweierlei: zunächst die Schaffung von Grenz= und Schutz- 
zöllen und, der Zeit und der Wirkung nach in zweiter Reihe stehend, die Schöpfung 
einer nationalen Zoll-, Handels= und Wirthschaftspolitik. Die erste Bedeutung 
wird wohl noch immer durchaus verkannt, indem man fälschlich annimmt, daß die 
Zollgesetzgebung vom Jahre 1818 den Freihandel oder einen Schritt zum Frei- 
handel bedeutet hat. 
Der Sachverhalt ist der folgende: 
Unter Zoll, „teloneum, vectigal, muta“, versteht man eine Abgabe, welche von einem 
Gegenstande beim Transporte von oder nach einem gewissen Orte erhoben wird. 
Das Recht, Zölle einzuführen, war im Deutschen Reiche ein Regal; es stand nur 
dem Kaiser und einem Anderen nur dann zu, wenn ihm das Recht dazu vom 
Kaiser besonders verliehen wars. Auf dem Reichstage zu Regensburg i. J. 1235 
wurde beschlossen, daß jede Veränderung im Zollwesen fortan vom Reichsoberhaupt 
und der Zustimmung des Fürstenrathes abhinge". Bei der Machtlosigkeit von 
Kaiser und Reich ging das Zollrecht allmählich an die Kurfürsten und schließlich 
an sämmtliche Stände über, dergestalt, daß diese nach eigener Willkür Zölle ein- 
führen oder aufheben konnten. Wenn ursprünglich die Zölle, wie es in der Glosse 
zum Sachsenspiegel heißt, „um der Nothdurft willen und nicht aus Geiz auf- 
gekommen sind“, so hatten fie allmählich nur noch den Zweck, die Kassen der Zoll- 
berechtigten zu füllen. Sie waren nicht da, um die heimische Production zu fördern, 
sondern um sie mit Abgaben zu belasten; sie schädigten auch weit weniger das 
Ausland als das Inland. Schon Luther klagt darüber, daß in Deutschland nur 
eitel Schuld und kein Geld sei, weil, was nur quillet und wächst, gemünzt und 
geschlagen werde in deutschen Landen, für fremde Fabrikate in die Fremde gestoßen 
werde. Die Mehrzahl der in Leipzig gehandelten Waaren waren ausländische. Aus 
England gingen nach Deutschland ein i. J. 1725 für 1144 000, i. J. 1750 für 
1 412 000, i. J. 1790 für 1 807000, i. J. 1795 für 8 421.000, i. J. 1796 für 
6698 000, i. J. 1800 für 10 109 000 Pfund Sterling Waaren — das sind für 
die damaligen Geld= und Industrieverhältnisse ganz ungeheuere Beträge. 
Es ist ein absoluter Irrthum, zu glauben, daß vor dem Jahre 1818 die 
Einfuhr fremder Industrieproducte nach Deutschland oder Preußen verboten war. 
Preußen ließ jenseits der Weichsel und in den wieder erworbenen polnischen Landes- 
theilen fremde Waaren zum inneren Verbrauche gegen eine Eingangsabgabe von 
8½8 %, in den Provinzen des ehemaligen Königreichs Westfalen gegen eine solche 
von 6 % des Werthes ein. In den wichtigsten Industriegegenden, näm- 
lich in den einst nicht zum Königreiche Westfalen gehörigen Theilen der Provinzen Rhein- 
land und Westfalen, wurde überhaupt kein Eingangszoll erhoben. In Neuvor- 
1 Zachariä, I, S. 195 ff. abe von Homeyer) II, Art. 26, §4; Schwaben-- 
"t 9*r326. 1I. S. 198. ½ gud Homet W 0env t 881,2. 
ontalische Constitution vom Jahre 1158; Monumenta German. IV, S. 315; vygl. 
Liber feudorum II, 56; Sachsenspiegel (Aus-/auch Monum. Germ. IV, S. 228. 
  
 
	        
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