174 Viertes Buch. Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches.
und neu geregelt werden. Das Bürgerliche Gesetzbuch legt sich in der Regel er-
schöpfende Kraft bei. Daher heißt es in Artikel 3 seines Einführungsgesetze s:
„Soweit in dem Bürgerlichen Gesetzbuch oder in diesem Gesetze die Regelung den
Landesgesetzen vorbehalten oder bestimmt ist, daß landesgesetzliche Vorschriften un-
berührt bleiben oder erlassen werden können, bleiben die bestehenden landesgesetz-
lichen Vorschriften in Kraft und können neue landesgesetzliche Vorschriften erlassen
werden.“
Hiernach ist es eine Frage der Gesetzesauslegung, ob und wie weit auf einem
Gebiete, wo die Reichszuständigkeit keine ausschließliche ist, neben einem Reichsgesetze
landesgesetzliche Vorschriften noch bestehen geblieben find und in Zukunft erlassen
werden können.
Welche Gebiete find nun der ausschließlichen Zuständigkeit des Reiches
unterstellt?
1) Zunächst könnte man meinen, alle Regelungen, welche die Organisationen
und die Funktionen des Reiches und die Aufgaben desfselben, soweit diese das Reich
selbst zum Gegenstande haben, betreffen, seien der Reichszuständigkeit ausschließlich
unterstellt, da weder durch die Gesetze eines Einzelstaates, noch durch Verträge
desselben mit anderen dem Reiche als solchem oder seinen Organen Rechte zu-
gesprochen oder Pflichten auferlegt werden können 1. Indeß ist dieser Meinung nur
darin beizupflichten, daß, was die Reichsverfassung oder die Reichsgesetze
hierüber anordnen, nicht, wenigstens nicht unmittelbar, durch Landesgesetze oder
Landesverträge geändert werden kann. Dagegen erscheinen Landesgesetze zulässig,
welche vorschreiben, daß die Zustimmung des Landesvertreters im Bundesrathe zu
Aenderungen ausgeschlossen oder nur im Einvernehmen mit der Landesvertretung
zulässig sein solle 2. Ebenso erscheint ein Vertrag zwischen Bayern und Württemberg
über die Bedingungen der Aufrechterhaltung oder der Aufgabe ihrer Reservatrechte
bezüglich des Postwesens oder der Brausteuer keineswegs unstatthaft ?.
Die Reichsverfassung bestimmt in Art. 35, daß das Reich „ausschließlich“ die
Gesetzgebung hat „über das gesammte Zollwesen, über die Besteuerung des im
Bundesgebiete gewonnenen Salzes und Tabacks, bereiteten Branntweins und Bieres und
aus Rüben oder anderen inländischen Erzeugnissen dargestellten Zuckers und Syrups,
über den gegenseitigen Schutz der in den einzelnen Bundesstaaten erhobenen Ver-
brauchsabgaben gegen Hinterziehungen, sowie über die Maßregeln, welche in den
Zollausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind“.
Hierbei ist zunächst zu beachten, daß unter Zollwesen nicht bloß die Ein= und
Ausfuhrzölle, sondern auch alle Binnenzölle, Schleusen-, Brückengelder, Flößerei-,
Kanalabgaben, Verbrauchssteuern u. s. w., zu verstehen sind, welche nach der
geschichtlichen und rechtlichen Entwickelung zum Zollwesen gerechnet, oder welche —
was thatsächlich auf dafselbe hinausläuft — in den Zollverträgen, besonders im Zoll-
vereinigungsvertrage vom 8. Juli 1867 (B.-G.-Bl. 1867, S. 81), geregelt wurden.
Da dieser Vertrag nach Art. 40 der Reichsverfassung im Wege der Landesgesetz-
gebung nicht abgeändert werden kann, so versteht es sich schon hiernach von selbst,
daß, was darin über die vorbezeichneten Gegenstände, z. B. auch über Verbrauchs-
abgaben von inländischen Erzeugnissen, vorgeschrieben ist, nur noch der Reichs-
gesetzgebung unterliegt.
Aus der Ausschließlichkeit des Rechtes, welches Art. 35 dem Reiche zur Be-
steuerung des Salzes beilegt, folgt auch, daß die landesgesetzlichen Bergwerkssteuern,
die sog. Regalitätsabgaben wie die sog. Aufsichtssteuern, oder welche Namen diese
Steuern führen, nicht mehr erhoben werden 3. Wo das Salz, wie in Sonders-
hausen, Baden, Mecklenburg, Anhalt, Braunschweig u. s. w., dem Staate zu dessen
ausschließlicher Gewinnung vorbehalten ist, kann dagegen der Staat von Dritten,
denen er die Gewinnung von Salz überläßt, für diese Ueberlaffung eine von seinem
1 So Hänel, I, S. 259f., Laband, I,sert's Zeitschr. f. Bergw., Bd. XXIV. S. 39,
S. 593, u. A. m. und damit übereinstimmend Erk. des Neichger
2 Siehe auch oben S. 43, 44. vom 30. November 1896, Entsch. in Civils., Bd.
2 Arndt, Komm., S. 169 f. und in BrafXXXIV, S. 140.