Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

236 Fünftes Buch. Die Verwaltung des Innern. 
Verwaltungsbehörde erfolgen (§ 102), wenn der Ausschuß seinen statutarischen. 
Verpflichtungen nicht nachkommt oder wenn er Beschlüsse faßt, welche über seine 
statutarischen Rechte hinausgehen. Gegen die Verfügung, welche die Schließung 
ausspricht, ist der Recurs statthaft. In Preußen erfolgt die Schließung auf Klage 
der Aufsichtsbehörde durch den Bezirksausschuß, gegen dessen Entscheidung die Be- 
rufung an das Oberverwaltungsgericht statthaft ist. Die Eröffnung des Concurs- 
verfahrens über das Vermögen eines Innungsausschusses hat die Schließung kraft 
Gesetzes zur Folge. 
  
5*31. Von der Arbeiterverficherung. 
I. Geschichtliches und Allgemeines. 
Der Ursprung der Arbeiterfürsorge, namentlich wegen Krankheit oder 
Betriebsunfälle, ist zuerst im Bergbau vorgekommen. Da der Bergbau ursprünglich 
Eigenlöhnerbergbau, d. h. die Unternehmer zugleich die Arbeiter waren, so beruhte 
die Fürsorge auf genossenschaftlicher Grundlage. Diese blieb noch bestehen, 
als der Bergbau von Lohnarbeitern betrieben wurde. Hierzu trat später die auf 
regalherrlicher Anordnung beruhende Beitragslast 1. Das Allgemeine Landrecht 
bestimmte Theil II, Tit. 16, § 134, daß zwei Kuxe (ein Vierundsechzigstel) für die 
Knappschafts- und Armenkasse frei gebaut werden (5 214), daß die Bergwerkseigenthümer 
der in ihren Diensten erkrankten und beschädigten Bergleute sich anzunehmen verbunden 
find und (§ 215) daß die Bergleute acht oder bei Zubußgruben vier Wochen lang in 
Krankheitsfällen Lohn erhalten; im Uebrigen wurden durch das Allgemeine Land- 
recht erkrankte oder invalide Bergleute auf die Knappschaftskassen verwiesen (§ 217). 
In den deutschen Staaten bestand von Alters her für alle Bergarbeiter der 
Verficherungszwang, mindestens gegen die Folgen von Krankheit und Betriebs- 
unfällen; meist, nämlich bei den eigentlichen, den sog. ständigen Arbeitern, be- 
standen sogar auch die Versicherung gegen Invalidität und diejenige der Wittwen 
und Waisen 2. Aehnlich wie die Knappschaftsvereine bildeten die alten Zünfte eine 
genoffenschaftliche Versicherung der Zunftgenossen gegen Krankheit?. Nach Auf- 
lösung der Zunftverfassung versuchte die Gesetzgebung in mannigfachster Weise die 
Arbeiterfürsorge für Handwerker und Handwerksgehülfen zu sichern, namentlich 
in der Form, daß durch Ortsstatut oder Anordnung der oberen Verwaltungs- 
behörden der Kassenzwang für Fabrikarbeiter, Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge, ja 
selbst für selbstständige Handwerker — allerdings nur rückfichtlich der Kranken- 
versicherung — eingeführt werden durfte"“. Daneben ging noch die Thätigkeit der 
auf freier Selbsthülfe beruhenden Kassen. Indeß war nur ein sehr kleiner 
Theil der Arbeiter versichert. Es bestanden im Jahre 1882 nur 270 Ortsstatute, 
welche den Kassenzwang einführten, und die freien (Hülfs-)rKassen machten gegen 
die Zeit vor der Gewerbeordnung, welche das Recht der Regierungen, solche Orts- 
statuten zu erlassen, wieder aufhob, keine Fortschritte. Daraus ergab sich die 
socialpolitische Nothwendigkeit, die Versicherung nicht auf die freie Selbstbestimmung, 
auch nicht auf Communalstatuten, sondern auf reichsgesetzlichen Zwang zu 
gründen und sie weiter (zunächst auf die Verficherung gegen Betriebsunfälle, 
Invalidität und Alter) auszudehnen ö. Die hauptsächlichsten Reichsverficherungs- 
gesetze find die folgenden: a) das Krankenversicherungsgesetz, jetzt in der Fassung vom 
10. April 1892 (R.-G.-Bl. 1892, S. 417) und das Gesetz, betr. die Unfall= und 
  
  
1 S.hierzu Arndt, Bergbau und Bergpolitik, Tit. 8, § 358, wonach die Kur- und Pflege- 
Leipzig 1894, S. 116 f. kosten für die erkrankten Gesellen aus der Ee. 
- #1. das hierin nur das damals bestandene sellenlade und bei deren Unvermögen aus der 
Recht wiederholende, im weitaus größten Theile Gewerkskasse bestritten werden sollen. 
Deutschlands Feltende, bezw. in den meisten nicht- 4 In Preußen allgemeine Gewerbeordnung 
preußischen Staaten, Bayern u. f. w., nach= vom 17. Januar 1845, § 169, Verordnung vom 
gebi dete allgemeine (preuß.) Berggesetz vom 9. Februar 1849 und Gesetz vom 3. April 1854. 
24. Juni 1865 (G.-S. 1865, S. 705. Allerhöchste Botschaft vom 17. November 
s Vgl. auch Allgem. Landrecht, Theil II,1881. 
 
	        
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