Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

65 31. Bo der Arbeiterversicherung. 237 
Krankenverficherung der in land- und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten 
Personen, vom 5. Mai 1886 (R.-G.-Bl. 1886, S. 132), b) das Unfallversicherungs- 
gesetz vom 6. Juli 1884 (R. G.-Bl. 1884, S. 69), das Gesetz über die Ausdehnung 
der Unfall- und Krankenversicherung vom 28. Mai 1885 (R.-G.-Bl. 1885, S. 159), 
das Gesetz, betr. die Unfallversicherung der bei Bauten beschäftigten Personen, vom 
11. Juli 1887 (R.-G.-Bl. 1887, S. 287), das Gesetz, betr. die Unfallversicherung 
der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligten Personen, vom 13. Juli 
1887 (R.-G.-Bl. 1887, S. 329), und c) das Gesetz, betr. die Invaliditäts- und 
Altersversicherung, vom 22. Juni 1889 (R.-G.-Bl. 1889, S. 97). Alle diese 
Gesetze bezwecken die Fürsorge für Arbeiter und diesen gleichstehende sog. kleinere 
Betriebsbeamte, d. h. solche, deren Jahresarbeitsverdienst 2000 Mark nicht über- 
steigt, und zum Theil auch die ohne Gehülfen thätigen, den Lohnarbeitern social 
gleichstehenden Gewerbetreibenden. Diese Fürsorge tritt regelmäßig kraft des Gesetzes 
ein: ohne Anmeldung des zu Versorgenden zur Versicherung, meist sogar ohne 
und selbst gegen seinen eigenen und seines Unternehmers Willen, selbst ohne 
Beitragsleistung. Die Ansprüche aus diesen Fürsorgegesetzen gelten nicht als 
öffentliche Armenunterstützungen, fie find nicht durch die Bedürftigkeit des Empfängers 
bedingt, fie find ferner nicht abtretbar und nicht pfändbar (außer für Alimentations- 
ansprüche der Familienmitglieder und Ansprüche der Armenverbände aus der 
Armenunterstützung) 1. Alle Beiträge zur Kranken-, Unfall-, Invaliditäts= und 
Altersversicherung find wie rückständige Gemeindeabgaben, d. h. im Verwaltungs- 
zwangswege, beizutreiben. Trotz vieler gemeinsamer Grundsätze und trotz des gleichen 
Grundgedankens find die verschiedenen Fürsorgegesetze, jedes aus sich heraus, zu 
verstehen und find Generalifirungen jeder Art gefährlich. 
II. Krankenversicherung. 
Gegenstand der Versicherung ist zunächst die Krankheit, und zwar jede 
Krankheit, selbst die dolos oder kulpos herbeigeführte, mit der Maßgabe, daß bei 
den als selbstverschuldet geltenden Krankheiten, d. h. den aus Vorsatz oder Trunk- 
fälligkeit oder bei Raufhändeln entstandenen 8, zwar nicht die freie Kur, wohl aber 
das Krankengeld versagt werden kann; sodann ist Gegenstand der Kranken- 
dersicherung (abgesehen von der Gemeindeversicherung) der Tod, und zwar in allen 
Fällen, so daß die Unterstützung (das Sterbegeld) auch den Erben eines Selbst- 
mörders gewährt werden muß; endlich ist Gegenstand der Krankenversicherung 
(abgesehen von der Gemeindeversicherung) die Niederkunft, gleichviel ob eheliche 
oder uneheliche, selbstredend die einer Verficherten und nicht die der Ehefrau eines 
Versicherten. 
Die Fürsorge aus der Krankenversicherung ist zeitlich beschränkt. Krankengeld 
wird nur auf die Dauer der Erwerbsunfähigkeit und braucht nur bis zur Dauer 
von 18 Wochen gewährt zu werden; bei der Niederkunft wird es (auch ohne 
Nachweis der Erwerbsunfähigkeit) auf 4 bis 6 Wochen gewährt. An Stelle der 
freien Kur, Arznei und des Krankengeldes kann die Aufnahme in ein Krankenhaus 
erfolgen, bei Leuten ohne Haushalt unbedingt, sonst wenn dies der Arzt für nöthig 
hält“. Weigert sich der Erkrankte ohne Grund, in ein Krankenhaus zu gehen, so 
verlieren er und seine Angehörigen alle Ansprüche aus der Krankenversicherung. 
Hat der in einem Krankenhause Untergebrachte Angehörige, deren Unterhalt er 
aus seinem Arbeitsverdienste bestritten hat, so ist diesen die Hälfte des Kranken- 
geldes zu gewähren. Das Krankengeld wird nur für Arbeitstage gewährt; es 
wird nicht gewährt für die drei ersten Arbeitstage, die sog. Carenztage, um 
  
  
1 Val. z. B. § 56, Abs. 2 des Kranken= matische Bearbeitungen von Rosin, Das Recht 
versicherungsgesetzes; s. ferner für die auf Landes= der Arbeiterversicherung, R. Weyl, Lehrbuch 
recht beruhenden Einrichtungen Cwilproceß-des Reichsversicherungsrechts u. A. m. 
zeg - 850; s. auch Gesetz vom 22. Juni 1889, s S. §6, Ziff. 2 des Krankenversicherungs- 
•l 6 ese 
gesetzes. 
* Literatur: Commentare und Textaus- v § 7 des Krankenversicherungsgesetzes. 
gaben von Piloty, v. Woedtke, Kühne, syste-
	        
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