Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

66 Zweites Buch. Angehörige und Gebiet des Deutschen Reiches. 
mit zehnjährigem Aufenthalte im Auslande.“ Dementsprechend erhielt bei der 
zweiten Lefung Absatz 1 des 3 21 folgende Fassung: „(Nord-)Deutsche, welche das 
Bundesgebiet verlassen, eine fremdländische Staatsangehörigkeit er- 
werben und sich zehn Jahre lang ununterbrochen im Auslande ausgehalten, ver- 
lieren u. s. w.“ Bei der dritten Lesung beantragte der Abgeordnete v. Puttkamer 
(für Fraustadt) die Wiederherstellung der Nr. 3 in § 13 und die Streichung der 
Worte „eine fremdländische Staatsangehörigkeit erwerben“ in § 21, Abfsl. 1. 
Hierzu bemerkte der Präsident des Reichskanzleramts (Delbrück) (Sten. Ber. des 
Reichstages 1870, Bd. II, S. 1077), daß er den allergrößten Werth darauf lege, 
die Regierungsvorlage durch Annahme des Antrages des Abgeordneten für Frau- 
stadt wieder hergestellt zu sehen. „Ich habe,“ so sagte er, „bei der zweiten Be- 
rathung mir erlaubt, auf die großen Unzuträglichkeiten hinzuweisen, welche sowohl 
im staatlichen Interesse, als auch im Interesse der Betheiligten selbst hervorgehen 
können, vorausgesetzt, daß diese Fortdauer nicht durch Urkunden — constatirt 
wird. Der Herr Abgeordnete für Fraustadt beabsichtigt mit seinem Amendement 
die Härte, welche in dieser Bestimmung gefunden werden kann und welche vielleicht 
die Veranlassung gewesen ist, weshalb das Haus bei der zweiten Berathung sie 
gestrichen hat, zu mildern, indem er vorschlägt, daß ein — Deutscher, auch wenn 
er durch Zeitablauf seine Staatsangehörigkeit verloren hat, fie auf seinen einfachen 
Antrag, wenn er zurückkehrt und sich in einem Bundesstaate niederläßt, wieder er- 
langen kann. Ich kann mich mit diesem Gedanken vollständig einverstanden er- 
klären. Ich erkenne gern an, daß durch diesen Vorschlag eine nicht beabsichtigte 
Härte, die in der Vorlage der verbündeten Regierungen gefunden werden kann, 
beseitigt ist.“ Der Abgeordnete Miquel erklärte darauf Namens seiner 
Partei die Zustimmung zu dem Amendement v. Puttkamer (Sten. Ber. 1870, 
S. 1081). „Es handelt sich,“ so führte er aus, „um die Frage, ob ein Deutscher, 
der im Auslande sich aufhält, wenn er eine fremde Staatsangehöbrigkeit 
nicht erworben hat, durch bloßen Zeitablauf seine Eigenschaften als Deutscher 
verlieren soll. Wir haben bis dahin hier im Reichstage und im Abgeordneten- 
hause festgehalten, daß, gleichwie das bei den großen Nationen des europäischen 
Continents überall gebräuchlich ist, auch bei uns die Nationalangehörigkeit nicht 
durch Zeitablauf solle verloren gehen können. Wenn nun aber gegenüber diesem 
von uns geltend gemachten Grundsatze die verbündeten Regierungen erklären, daß 
ihnen bei den von ihnen mehrfach verwickelten Verhältnissen und Gründen die 
strikte Durchführung eines solchen Satzes das Gesetz selbst unannehmbar mache, 
wenn anderenfalls allerdings nicht verkannt werden kann, daß durch die Möglich- 
keit der Unterbrechung dieses Zeitablaufs, welchen bereits die Vorlage gewährt, in 
Verbindung mit dem Amendement des Abgeordneten v. Puttkamer, welches den 
jederzeitigen Wiedererwerb — nach geschehener Rückkehr in die Heimath — der 
dortigen Staatsangehörigkeit sichert, wenn, sage ich, die Unzuträglichkeiten, welche 
aus dem Verlust durch Zeitablauf entspringen, unter diesen Voraussetzungen auf 
ein Minimum reducirt sind, so befinde ich mich in der Lage, für das Amendement 
des Herrn v. Puttkamer stimmen zu können.“ 
Der Antrag v. Puttkamer wurde hierauf angenommen. Hiernach ist klar, 
daß der Reichstag nur denjenigen Deutschen, welche eine fremde Staatsangehörigkeit 
nicht erworben haben, durch Annahme des Antrages v. Puttkamer ein Recht 
auf Wiedererwerbung der Reichsangehörigkeit einräumen wollte, trotzdem im Ab- 
satze 5 die im Absatze 4 vorkommenden Worte „und keine andere Staats- 
angehörigkeit erworben haben“ nicht wiederholt worden find. Zweifellos haben 
auch die Regierungen den Antrag v. Puttkamer in diesem Sinne aufgefaßt. 
Man muß hiernach annehmen, daß nur diejenigen Deutschen, welche keine fremde 
Staatsangehörigkeit erworben haben, sich auf Abs. 5 in § 21 beziehen und nach 
Rückkehr in das Bundesgebiet die Wiederaufnahme in die Staats= und Reichs- 
angehörigkeit verlangen können. (Ebenso die Erkenntnisse des Oberverwaltungs- 
gerichts vom 13. October 1886, Entsch. Bd. XIV, S. 388 ff., und vom 3. Februar 
1894, Entsch. Bd. XXVI, S. 376 ff. u. a., Cahn, S. 185 f., Laband, Reichs- 
staatsrecht, 1, S. 158; vgl. indeß ferner Landgraf in Hirth's Annalen 1870,
	        
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