Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches.

756 Elstes Buch. Besitzungen des Deutschen Reiches. 
Familienvorständen der auf Vorschlag der Immediatkommission als Ausländer an- 
erkannten, in Elsaß-Lothringen geborenen und dahin zurückgekehrten Individuen 
verfahren werden. 3) Den auf Vorschlag der Optantenkommission als Ausländer 
anerkannten Unverheiratheten wird, solange sie sich gut führen, der Aufenthalt im 
Lande ungestört gestattet, bis sie sich verheirathen oder einen eigenen Hausstand 
gründen wollen. In diesem Falle ist wieder zu prüfen, ob Bedenken dagegen be- 
stehen, daß sie die deutsche Nationalität empfangen. Liegen solche Bedenken nicht 
vor, so find die Betreffenden aufzufordern, sich naturalifiren zu lassen. Thun fie 
das, so ist die Sache erledigt; thun sie es nicht, so bestimmen die aus obiger 
Prüfung hervorgegangenen allgemeinen Verhältnisse, ob dieser Optant vor seiner 
Verheirathung ausgewiesen werden oder ob ihm sein Hierbleiben nach der Heirath 
unter der Bekanntmachung gestattet werden soll, daß, wenn er Söhne bekommt, 
deren Verbleiben im Lande von ihrem wehrpflichtigen Alter an, ohne sich naturali- 
firen zu lassen, nicht gestattet ist. — 4) Was diejenigen Leute anlangt, welche mit 
Entlassungsurkunde ausgewandert find, und die dann noch im wehrpflichtigen Alter 
nach Elsaß-Lothringen zurückkehren und hier dauernden Aufenthalt nehmen, so sollen 
sie sofort aufgefordert werden, binnen vier Wochen den Nachweis zu führen, daß 
sie eine andere Staatsangehörigkeit erworben und fie nicht wieder verloren haben. 
Können sie diesen Nachweis nicht führen, so werden sie sofort in die Armee ein- 
gestellt. Können sie den Nachweis führen, daß sie gegenwärtig eine andere Natio- 
nalität besitzen, so find fie sofort aus Elsaß-Lothringen auszuweisen, und ist ihnen 
alsdann auch nur ein kurzer Besuch von 14 Tagen bis 3 Wochen jährlich bei 
ihren Eltern oder Verwandten im Reichslande zu gestatten. Die vorstehende Be- 
stimmung (unter 4) wegen des Aufenthalts im Reichslande tritt auch in Wirksam- 
keit, wenn solche Ausgewanderte erst nach dem 31. Lebensjahre nach Elsaß-Lothringen 
zurückkehren. 
Durch elsaß-lothringisches Landesgesetz, d. h. durch ein vom Reiche für Elsaß- 
Lothringen ergangenes Gesetz vom 8. Januar 18781, wurde das Gesetz über die 
Erwerbung und den Verlust der Bundes= und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 
1870 (B.-G.-Bl. 1870, S. 355) in Elsaß-Lothringen eingeführt. Erwerb und 
Verlust der Reichsangehörigkeit richten sich rücksichtlich der in Elsaß-Lothringen 
wohnenden Personen fortan nach diesem Gesetze. Eine besondere elsaß-lothringische 
Staatsangehörigkeit hat dieses Gesetz nicht schaffen wollen noch geschaffen. Man 
spricht daher amtlich nicht von einer elsaß-lothringischen Staatsangehörigkeit, 
sondern von einer elsaß-lothringischen Landesangehörigkeit. Daß eine be- 
sondere elsaß-lothringische Staatsangehörigkeit nicht besteht, erhellt auch daraus, 
daß zu den sperifisch elsaß= lothringischen Wahlen, z. B. für den Landesausschuß 
(Gesetz vom 4. Juli 1879, R.-G.-Bl. 1879, S. 165, § 14) alle deutschen Reichs- 
angehörigen das active und passive Wahlrecht haben 5. 
Der Staatsvertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde und Nordamerika über 
die Abkürzung der zehnjährigen Frist des § 21 des Indigenatsgesetzes in eine fünf- 
jährige“ ist auf das Reichsland Elsaß-Lothringen nicht ausgedehnt. Eine grund- 
sätzliche Anwendung des Vertrages auf die im Reichslande vorkommenden Fälle, in 
denen es sich um Begnadigung von aus Elsaß-Lothringen Stammenden, wegen Ver- 
letzung der Wehrpflicht oder unerlaubter Auswanderung Verurtheilten und als 
naturalisirte Staatsangehörige der Vereinigten Staaten von Nordamerika nach 
Elsaß-Lothringen Zurückkehrenden (Refractären) handelt, ist ausgeschlossen. Es wird 
je nach Lage des Falles, nicht auf Grund des (Bancroft-) Vertrags entschieden, ob 
zu einer Begnadigung Anlaß gegeben ist. 
Das Gesetz über den Unterstützungswohnsitz vom 6. Juni 1870 (B.-G.-Bl. 
1870, S. 360) gilt nicht in Elsaß-Lothringen 5, und sind die elsaß-lothringischen 
Landesangehörigen Ausländer im Sinne dieses Gesetzes. Für das Verhältniß von 
Elsaß-Lothringen zu den übrigen Bundesstaaten find daher § 7 des Gesetzes über 
  
1 W. Cehn, I. c. S. 321. # 4 Oben S. 65. 
2 W. Cahn, I. c. S. 13. 5 W. Cahn, lI. c. S. 173. 
* S. auch Laband, 1, S. 690. * Oben S. 216, 218.
	        
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