Nede des Reichskanzlers i. b. Sitzung des Reichstags v. 4. Aug. 1914. 67
der Kaiser am 1. August, nachmittags 5 Uhr, genötigt,
unsere Wehrmacht mobil zu machen.
Zugleich mußten wir uns versichern, wie sich Frank-
reich stellen würde. Auf unsere bestimmte Frage, ob es
sich im Falle eines deutsch-russischen Krieges neutral halten
würde, hat uns Frankreich geantwortet, es werde tun, was
ihm seine Interessen geböten. Das war eine ausweichende
Antwort auf unsere Frage, wenn nicht eine Verneinung
unserer Frage. «
Trotzdem gab der Kaiser den Befehl, daß die französische
Grenze unbedingt zu respektieren sei. Dieser Befehl wurde
strengstens befolgt, bis auf eine einzige Ausnahme. Frank-
reich, das zu derselben Stunde wie wir mobil machte, erklärte
uns, es werde eine Zone von 10 Kilometern an der Grenze
respektieren. Und was geschah in Wirklichkeit? Bomben=
werfende Flieger, Kavalleriepatrouillen, aufreichsländisches
Gebiet eingebrochene französische Kompanien! Damit hat
Frankreich, obwohl der Kriegszustand noch nicht erklärt
war, den Frieden gebrochen und uns tatsächlich angegriffen.
Was jene Ausnahme betrifft, so habe ich vom Chef des
Generalstabs folgende Meldung erhalten:
Von den französischen Beschwerden über Grenzver-
letzungen unsererseits ist nur eine einzige zuzugeben.
Gegen den ausdrücklichen Befehl hat eine anscheinend
von einem Offizier geführte Patrouille des XIV. Ar-
meekorps am 2. August die Grenze überschritten. Sie
ist scheinbar abgeschossen, nur ein Mann ist zurück-
gekehrt. Aber lange bevor diese einzige Grenzüberschrei-
tung erfolgte, haben französische Flieger bis nach Süd-
deutschland hinein auf unsere Bahnlinien Bomben ab-
geworfen, haben am Schluchtpaß französische Truppen
unsere Grenzschutztruppen angegriffen. Unsere Truppen
haben sich, dem Befehle gemäß, zunächst gänzlich auf
die Abwehr beschränkt.
Soweit die Meldung des Generalstabs.