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zeugten und für den größten Teil der Gewerbs-
erzeugnisse auf Europa und den Norden ange-
wiesen waren. Der Westen stand ihnen fast ebenso
einig darin zur Seite, während im Norden auch
in den lang freihändlerisch gesinnt gewesenen
Reedereistaaten die Idee des Schutzzolls immer
mehr Boden gewann. Ein weiterer wirtschaft-
licher Gegensatz zwischen Nord und Süd bestand in
der Ausbeutung der Sklavenarbeit, eine schwache
Seite des Südens, die der Norden, als er durch
die europäische Masseneinwanderung immer be-
völkerter und einflußreicher wurde, im wirtschaft-
lichen und bald auch im blutigen Sezessionskrieg
(1861/65) für seine Sache ausnutzte. Ubrigens
sei zur Steuer der Wahrheit bemerkt, was auch
Carey bestätigt (s. Slave trade (1853)), daß
das materielle Wohlbefinden der Sklaven den
Vergleich mit der früheren europäischen Fabrik-
bevölkerung oder irischer, indischer Armut wohl
aushalten konnte, auch der Emanzipationseifer
der Nordstaaten, die früher selbst Negerimport
besorgt hatten (Histor.-polit. Blätter LV (1865)
597), erst dann wuchs, als sie durch die stark stei-
gende europäische Einwanderung mit wohlfeilen
Arbeitskräften hinreichend versorgt wurden.
Seit den 1830er Jahren wies die Industrie
der Vereinigten Staaten keine großen Rückschwan-
kungen auf. Der Tarif blieb zwar nicht immer
in dem Maß Schutzzolltarif, wie es der von 1824
und noch mehr der von 1828 gewesen war. Die
berührten widerstreitenden Interessen des vorwie-
gend ackerbautreibenden Südens und des immer
mehr der Industrie sich zuwendenden Nordens
erlaubten keine vollständige Stetigkeit. In den
Jahren 1832/41 und 1846/60, in denen der
Sieg der Freihändler zu großen Ermäßigungen
der Zollsätze führte, litten einzelne Industrien,
vor allem die des Eisens, Einbuße. Als die auf
den Süden und teilweise auf den Westen sich
stützende Partei des Freihandels nach drei in ihrem
Sinn vollzogenen Präsidentenwahlen 1857 den
mäßigsten Zolltarif aufstellte, der seit 1808 in
Geltung gewesen war, und die Aufstellung dieses
Tarifs mit einer erneuten heftigen Handelzkrise,
welche die Zollerträgnisse ungewöhnlich herab-
drückte, zusammenfiel, kam es zum Bruch. Mit
der Wahl von 1860 und dem Sieg der republi-
kanischen Partei beeilten sich die Nordstaaten, zum
Schutzzollsystem zurückzukehren, welches ohne Zwei-
fel das Aufkommen vieler Industrien, besonders
der Eisenindustrie, begünstigte. Nachdem die Süd-
staaten ihre Abgeordneten aus dem Kongreß zu-
rückgerufen hatten, begann am 2. März 1861 mit
dem Morill-Tarif der von nun an während der
ganzen Kriegsdauer jährlich steigende Zollschutz,
welcher zusammen mit Papiergeld und Einführung
von Steuern zugleich Deckung für den Kriegs-
bedarf bringen mußte. Zugleich kam die Sklaven-
frage in Fluß, die aber unter dem Eindruck jenes
furchtbaren Bürgerkriegs sehr unvermittelt (ohne
Entschädigung) gelöst wurde.
Carey.
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Unter den schriftstellerischen Vertretern der
chutzzöllnerischen Bewegung stand Carey
durch die systematische Begründung des wirtschaft-
lichen Antagonismus der Vereinigten Staaten
gegen das Mutterland obenan. Der Heimatsstaat
Careys, das an Kohlen und Eisenlagern reiche
Pennsylvanien, warbesonders für eine aufblühende
Industrie geeignet. Carey selbst hatte sein Ver-
mögen in industriellen AUnternehmungen angelegt.
Er konnte also aus nächster Nähe den Einfluß der
von der Regierung eingeschlagenen Handelspolitik
beobachten und bekämpfte aus den verschiedensten
Gesichtspunkten, von Naturwissenschaft, Geschichte,
Moral und Politik aus, seine Gegner, namentlich
England.
Am bekanntesten ist Careys Auffassung von
Dezentralisation und Assoziation und
von der Unmwirtschaftlichkeit des Zwischenhandels.
Unter Assoziation versteht Carey nicht so sehr das
Genossenschaftswesen als den lokalen Austausch des
Hervorbringers und des Verbrauchers. Abgesehen
von Fällen, wo die Natur das Aufblühen einer
bestimmten Industrie ausschließt, sieht Carey nur
dort wirtschaftliche Harmonie, wo Produzent und
Konsument sich nebeneinander niederlassen. Da-
durch nähern sich die Preise der Rohprodukte und
der fabrizierten Lebensbedürfnisse, verkleinert sich
der dem (an sich unproduktiven) Handelsmann
zugeteilte Raum und verbilligt die machine of
exchange. Das entgegengesetzte Vorgehen, die
durch die englische Theorie und Praxis angestrebte
Trennung von Produzent und Konsument durch
Dazwischenschieben des (englischen) Händlers, er-
klärt Carey für volkswirtschaftlich verderblich. Durch
den direkten Verkehr zwischen Erzeuger und end-
gültigem Abnehmer dagegen werde wirtschaftliche
Kraft gespart und Assoziationskraft vermehrt.
Der Eifer für Dezentralisation und Bildung ein-
heimischer Märkte veranlaßt Carey, streng zwischen
Innen= und Außenhandel, zwischen überwuchern-
dem „Handel“, trade, und naturgemäßem Ver-
kehr, crommerce, zu unterscheiden. Dabei über-
sieht Carey, daß der von ihm vor allem betonte
Schutzzoll eine ungünstige inländische Zentrali-
sation noch nicht verhütet, und daß anderseits der
Standort der Industrie mit gewissen Naturbe-
dingungen zusammenhängt.
Die englische Praxis (Carey, Grundlagen
Kap. 12 f) strebe, die ganze Welt mit Ausnahme
Englands in ein großes Landgut zu verwandeln.
England entziehe den abhängigen Ländern jedes
Vermögen, die Beschäftigungen zu vervielfälligen,
und zwinge sie in immer größere Abhängigkeit
vom Kaufmann oder Transporteur. Die dadurch
notwendig werdende unverhältnismäßige Nachfrage
nach Transportmitteln, Schiffen, erzeuge eine
ungeheure Reibung und Kraftvergeudung, und die
für einen bei richtigerer Organisation entbehrlichen
Handel aufgewendeten Kosten seien nicht nur tote
osten, faux krais, sondern geradezu schädlich;
sie steigerten die Macht des sich als Selbstzweck
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