Full text: Staatslexikon. Erster Band: Abandon bis Elsaß-Lothringen. (1)

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eigener Mannschaft oder Verfolgung von einem 
überlegenen Feind, zu weite Entfernung des 
nächsten Hafens, in den das Handelsschiff geführt 
werden könnte. 
In der Handelswelt ist allgemein das Bedürfnis 
fühlbar geworden, daß die Ausübung des Durch- 
suchungsrechts völkerrechtlich geregelt werde. Dieser 
kommt es dabei auf die Verwirklichung der beiden 
Grundsätze an, daß die tatsächliche Durchsuchung 
eines neutralen Kauffahrteischiffes nur dann statt- 
finden darf, wenn die Schiffspapiere dem feind- 
lichen Marineoffizier Veranlassung zu dem Ver- 
dacht geben, daß sie gefälscht sind, während andern- 
falls die Vorlegung dieser Papiere genügen soll, 
und daß ferner neutrale Handelsschiffe in dem 
Geleit eines Kriegsschiffes ihrer Nation von der 
Durchsuchung frei sind, sobald der Kommandeur 
des Kriegsschiffes auf sein Ehrenwort die Erklärung 
abgibt, daß keine Kriegskonterbande an Bord jener 
Schiffe befindlich ist. Die Nachforschungen sollen 
sich in jedem Fall auf die Feststellung zu be- 
schränken haben, ob das Schiff nicht etwa Kriegs- 
Ebenbürtigkeit. 
  
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konterbande, militärische Depeschen für den Feind, 
Truppen usw. an Bord führe. 
Literatur. Calvo, Le droit international 
théorique et pratique (6 Bde, Par. 1896); H. 
B. Deane, The law of blockade (1870); Geßner, 
Le droit des neutres sur mer (1876); Haute- 
feuille, De droits et de devoirs des nations neu- 
tres en temps de guerre maritime (1884); Heff- 
ter, Das europ. Kölkerrecht der Gegenwart (81888, 
bearb. von Geffcken); v. Kckltenborn, Grundsätze des 
prakt. europ. Seerechts (2 Bde, 1851); 
Lawrence, Commentaire sur les 61éments du droit 
international de Henry Wheaton (1873); Mac- 
lachlan, Treatise on the law of merchant shipping 
(1876); Ortolan, Règles internationales et diplo- 
matie de la mer (1864); Phillimore, Commen- 
taries upon international law (4 Bde, 1879/89); 
Twiss, The law of nations (2 Bde, 21875); Pe- 
rels, Das internationale öffentl. Seerecht (21903); 
Kleen, Lois et usages de la neutralité 1 (1898); 
Rivier, Lehrb. des Völkerrechts (21899); Dupuis, 
La Guerre maritime (1899); Leroy, La Guerre 
maritime (1900); v. Mirbach, Die völkerrechtl. 
Grundsätze des D. zur See (1903). (Spahn.) 
E. 
Ebenbürtigkeit. 1. Geschichtliche Ent- 
wicklung. Die Lehre von dem Ebenbürtigkeits- 
prinzip in den Familien des deutschen Hochadels 
ist viel bestritten. Man versteht (nach F. Haupt- 
mann, Das Ebenbürtigkeitsprinzip in den Familien 
des deutschen Hochadels, im Archiv für öffentl. 
Recht XVII 1902) 529 ff) darunter die Frage, 
„ob nach gemeinem Recht in den Familien des 
hohen Adels in Deutschland zur Vollgültigkeit der 
Ehe und damit zur Sukzessionsfähigkeit der aus 
ihr hervorgehenden Kinder Ebenbürtigkeit der 
Frau, d. h. ihre Zugehörigkeit zum hohen Adel, 
gefordert sei, oder ob es genüge, wenn sie aus 
niederem Adel sei“. Wie über die Geltung dieses 
Prinzips die Juristen des 18. und 19. Jahrh. 
uneinig waren, so auch über die Zeit der Ent- 
stehung desselben. „Die einen lassen es aus dem 
Mittelalter der Neuzeit überkommen sein; andere 
behaupten im Gegenteil, im Mittelalter habe das 
Konnubium zwischen hohem und niederem Adel 
uneingeschränkt zu Recht bestanden, und noch im 
16. Jahrh. habe das römische Recht dem damals 
langsam aufkommenden Ebenbürtigkeitsprinzip 
erfolgreich Widerstand geleistet. Erst in der Zeit 
des Absolutismus sei es in verschiedenen Häusern 
durchgedrungen, wobei dann die Vertreter dieser 
Ansicht wieder verschiedener Meinung darüber sind, 
ob dieses Prinzip damals es zu einer gemeinrecht- 
lichen Geltung gebracht habe oder nur in den 
Häusern rechtsverbindlich sei, wo die Hausgesetze 
es ausdrücklich fordern.“ 
Diese irrigen Meinungen sind aufgebaut auf 
der Anschauung, daß hoher und niederer Adel aus 
  
der gleichen Quelle, und zwar aus der altfreien 
Bevölkerung, hervorgegangen sei (so Pütter, Über 
Mißheiraten teutscher Fürsten und Grafen [Göt- 
tingen 1796; Göhrum, Die Lehre von der Eben- 
bürtigkeit /(2 Bde, 18461; Zöpfl, Über Miß- 
heiraten in den deutschen regierenden Fürsten- 
häusern (1853)). 
Gegen diese Auffassung wendet sich mit Recht 
Hauptmann, indem er als unzweifelhaft annimmt, 
daß der niedere Adel aus unfreien Elementen, der 
alte Hochadel dagegen aus den Freien hervor- 
gegangen ist, und zwar aus denen, „die mächtig 
genug waren, ihre Freiheit gegen alle Anfechtung 
zu behaupten. Von diesen führten die, welche eine 
Grafschaft vom Reich zu Lehen trugen, den Grafen- 
titel; die andern, welche großes freies Allod besaßen, 
waren freie Herren (Freiherren) auf demselben, 
auch edle Herren oder einfach Herren genannt. 
Beide zusammenbildeten den Herrenstand“ (Haupt- 
mann a. a. O. 538). Danach bestimmt sich auch 
das Ebenbürtigkeitsprinzip. 
Das deutsche Ständewesen der Urzeit kennt noch 
keine kastenmäßige Abschließung. Ein eigentlicher 
Adelsstand war damals kaum in den Anfangs- 
stadien seiner Entwicklung. Wahre Stände gab 
es nur zwei, die Freien und die Liten. Doch 
war die zwischen ihnen bestehende Kluft nicht un- 
überbrückbar. Freilassung und Aufnahme in die 
Volksgenossenschaft gewährte dem Liten die Rechte 
des Freien. „Die Knechtschaft war“ (wie Brun- 
ner in seiner Deutschen Rechtsgesch. I2 150 
sagt), „weil Rechtsunfähigkeit, nicht sowohl ein 
Stand als vielmehr ein Zustand der Standes-
	        
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