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sammenhang zwischen Finanzwirtschaft und Volks-
wirtschaft wie durch ihren systematischen Aufbau.
Die bedeutendsten französischen Finanzschriftsteller
aus dem Anfang des 18. Jahrh. waren Vauban
und Boisguillebert. Ersterer wollte das komplizierte
französische Steuersystem durch den „Königszehnt"“
(la dime royale) ersetzt wissen, Boisguillebert trat
für eine Verallgemeinerung der Taille ein. AufK
diese wie auch auf Montesquiens Esprit des lois
und Humes politische Essays bauten hinsichtlich
der Steuerlehre die Physiokraten ihr System auf.
Von großem Einfluß auf die Weiterentwicklung
der Finanzwissenschaft, weniger durch Originali-
tät der Gedanken als durch geschickte Zusammen-
fassung und Systematisierung, wurde Adam
Smithizdoch trat bei ihm der Ausbau des finanz-
wissenschaftlichen Gebäudes zugunsten der Volks-
wirtschaftslehre zurück. Er trat der physiokratischen
Lehre von der einzigen Steuer (impôt unique)
entgegen, unterschied die Steuern aus den drei
Einnahmequellen Grundrente, Kapital und Ar-
beitslohn und betonte mit Nachdruck, daß die Ge-
setze der Volkswirtschaft auch der Steuer zugrunde
gelegt werden müßten. Seine bekannten vier, sich
aber schon bei seinen Vorläufern findenden Steuer-
regeln sind bahnbrechend geworden. Der Mangel
seiner Lehren liegt in der Verurteilung des Staats-
kredits, ein Umstand, der bei der Mißwirtschaft
der damaligen Regierungen aber entschuldbar ist. 1
Von seinen Zeitgenossen vermag sich nur ein ein-
ziger über dieses Niveau zu erheben, James
Steuart, der dem öffentlichen Kredit eine objektive
Beurteilung zuteil werden läßt. Im Smithschen
Fahrwasser segeln dann auch zahlreiche deutsche
Finanzschriftsteller (die Periode vor Nau), nur
daß sie dank des Einflusses der Kameralistik die
Lehre von den Finanzen nicht in der National-
ökonomie aufgehen lassen.
In neue Bahnen gelenkt wurde die Finanz-
verwaltung und damit die Finanzwissenschaft
durch die politischen Umwälzungen, die mit der
großen französischen Revolution einsetzten. Durch
den Ubergang vom Absolutismus zum Verfassungs-
staat, die Anerkennung der staatsbürgerlichen
Gleichheit, die Gewährung weitgehender Rechte
an die Volksvertretung bei der Feststellung des
Staatshaushaltes, mit den wachsenden Aufgaben
des Staates in kultureller und sozialer Hinsicht
wurden der Finanzwissenschaft neue Ziele, neue
Probleme gesteckt. Das letzte Viertel des 19. Jahrh.
hat wie in der gesamten Volkswirtschaft, so auch
im Finanzwesen den sozialpolitischen Gesichtspunkt
zur Anerkennung gebracht. Die deutsche Finanz-
wissenschaft des 19. Jahrh. wird in drei Epochen
geschieden: die von Smithschem Geist stark beein-
flußte Zeit vor Rau, die Rausche Periode (Rau
und Umpfenbach), die Zeit nach Rau. Rau hat
länger als drei Jahrzehnte das deutsche Geistes-
leben in finanzwissenschaftlicher Beziehung be-
herrscht. Nach seiner Zeit sind es vor allem Lo-
renz v. Stein und Ad. Wagner, welche der deut-
— Fiskus. 184
schen Finanzwissenschaft Eigenart, Bedeutung und
internationalen Ruf verleihen. Daneben sind als
bedeutende finanzwissenschaftliche Theoretiker in
den letzten Jahrzehnten hervorgetreten in Deutsch-
land Roscher, Schäffle, Neumann, Held, Nasse,
Knies, Helferich, Vocke, Cohn, Lehr, Schanz,
v. Heckel, Eheberg u. a., in Osterreich vor allem
izl
aizl.
Im Ausland hat die Finanzwissenschaft eine
vortreffliche Pflege namentlich in Italien gefunden,
vor allem durch Cossa (der in Deutschland seine
Vorbildung genossen) und seine Schüler. In
Frankreich hat Leroy-Beaulien ein hervorragendes
Werk geschaffen. England entbehrt bis heute einer
systematischen Darstellung der Finanzwissenschaft.
Literatur. Lehrbücher: Rau, Grundsätze der
J. (2 Bde, 21864 f); Umpfenbach, Lehrbuch der F.
(2 Bde, 11887); Roscher-Gerlach, System der F.
2 Bde, 51901); Stein, Lehrbuch der F. (4 Bde,
51885 f); Ad. Wagner, F. (1 31883, II 21890, II.
1889, Ergänzung dazu 1896, IV 1899); Cohn,
System der F. (1889); Vocke, Grundzüge der F.
(1894); v. Heckel, Lehrbuch der F. (I 1907, II u.
III in Vorbereitung); Leroy-Beaulieu, Traité de
la science des finances (2 Bde, Par. 1901);
ferner Schönberg, Handbuch der polit. Okonomie
III (1898). Für SÖsterreich: Kaizl, F., deutsch von
Körner (2 Tle, 1900/01). Grundrisse: Eheberg,
F. (71908); Conrad, Grundriß zum Studium der
F. (11906); Ad. Wagner, Grundriß zu Vorlesungen
über F. (1898); van der Borght (2 Bde, J1908,
Samml. Göschen). Fachzeitschrift: Finanz-
archiv, hrsg. von Schanz (seit 1884). — Bibliogr.
der finanzwissenschaftl. Lit. jährl. im Finanzarchiv;
ferner Stammhammer, Bibliogr. der F. (1903).
[Sacher.]
—
Finanzzoll s. Zölle.
Finland s. Rußland.
Fischereirecht s. Jagd= und Fischereirecht.
Fiskus. Die Persönlichkeit des Staates in
ihren vermögensrechtlichen Beziehungen wird als
Fiskus bezeichnet (Schulze); Fiskus ist der In-
begriff des Staatsvermögens, ist der Staat als
Erwerbsgesellschaft, der Staat im privatrechtlichen
Verkehr. Fiskus ist nicht eine vom Staat ab-
getrennte Persönlichkeit, sondern der Staat selbst
in der soeben dargestellten Hinsicht seiner Le-
benstätigkeit. Der Staat bedarf zur Erfüllung
seiner Aufgaben materieller Mittel verschiedener
Art. Die Beschaffung eines Teils dieser Mittel,
die Verwaltung des gesamten Staatsvermögens,
zu welchem auch die vom Staat als Obrigkeit,
nicht als Fiskus, erhobenen Steuern gehören, der
Grund= und Häuserbesitz, der Gewerbebetrieb usw.
bringen den Staat in die Lage, eine Mannig-
faltigkeit von Beziehungen zivilrechtlicher Natur
einzugehen. Um dies ohne Benachteiligung anderer
Persönlichkeiten tun zu können, entkleidet sich der
Staat gewissermaßen seiner Obrigkeitsrechte, wird
als Fiskus juristische Person und stellt sich als
solche, abgesehen von einzelnen Privilegien, auf
dieselben rechtlichen Grundlagen wie andere Per-
sonen. Als selbstverständliches Privilegium er-