Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Wiedergabe der Gesetze der einzelnen Länder wird 
daher Umgang genommen werden können. 
In manchen Ländern beteiligt sich der Staat 
selbst an der forstlichen Produktion durch eigenen 
Waldbesitz. Der Staatswaldbesic ist, wie 
der Domänenbesitz des Staates überhaupt, vielfach 
angegriffen worden. Neben den Gründen, welche 
gegen den letzteren sprechen, hat man noch Ein- 
würfe gegen den Waldbesitz insbesondere erhoben. 
So wurde unter anderem geltend gemacht, daß 
der Staat auch Feldboden zum Walde ziehe, den 
Wald im Interesse des Fiskus und nicht der nachst- 
wohnenden Bevölkerung ausnutze, daß der Staat 
für die übrigen Waldbesitzer Gesetze erlasse, wäh- 
rend er ihr Konkurrent sei, daß die Wirtschaft 
durch besondere Beamte unvorteilhaft und kost- 
spielig sei. Als Gründe, welche für den Staats- 
waldbesitz sprechen, werden angeführt, daß der 
Staat für die Erhaltung des Waldes sorge, daß 
er das Nationalwohl bei Befriedigung des Holz- 
bedürfnisses berücksichtige, daß die Einnahmen aus 
dem Staatswalde von großem Vorteil für die 
Finanzwirtschaft des Staates seien, daß in den 
Staatswaldungen eine Musterwirtschaft getrieben 
werden könne, bei der Einfachheit des Betriebs die 
Verwaltung durch besondere Beamte zulässig sei. 
Diese theoretischen Erwägungen, mögen sie an 
sich auch noch so gut begründet sein, haben nur 
eine beschränkte Tragweite. Denn um der Vor- 
teile willen, welche dem Staatsbesitz zukommen, 
wird kein Staat zum Erwerb von Waldungen 
schreiten. Die Erwerbung des Staatswaldbesitzes 
beruht nicht auf einer prinzipiellen Entschließung, 
sondern ist geschichtlich überkommen (landesfürst- 
licher Domänenbesitz, Klöstersäkularisationen). 
Ebenso wird man um der Nachteile willen den 
einmal vorhandenen Staatswald nicht verkaufen, 
weil bei Verkauf von großen Flächen die Staats- 
kasse sehr bedeutende Verluste erleiden würde. 
Es kann sich daher in denjenigen Ländern, 
welche Staatswaldungen haben, nur darum han- 
dein, daß die Nachteile möglichst vermieden und 
die Vorteile voll zur Geltung gebracht werden. 
Darüber sollte insbesondere die öffentliche Mei- 
nung wachen und Übelstände durch Besprechung 
in der Presse und in den Parlamenten zu heben 
suchen. Daß durch die Staatswaldwirtschaft höhere 
Erträge erzielt werden als durch Gemeinde= oder 
Privatwirtschaft, ist allgemein nicht erwiesen; das 
Material zu solchen Vergleichungen ist sehr spärlich 
vorhanden. Aus mehreren Gemeindewaldungen 
sind aber Ertragsziffern bekannt geworden, welche 
die im Staatswalde erzielten Erträge übertreffen. 
Auch die Ansicht, daß der Staatswald zur Er- 
haltung des Waldes nölig sei, ist nicht stichhaltig. 
Denn es hat Zeiten gegeben, in denen der Staats- 
wald fehlte, und es gibt Länder, welche keinen 
Staatswald besitzen. Daß der Staat für die 
übrigen Waldbesitzer eine Musterwirtschaft führen 
könne, ist nur in sehr eingeschränktem Maße zu- 
zugeben, weil der Großbesitz des Staates eine ganz 
Forstwirtschaft usw. 
  
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andere Bewirtschaftung mit sich bringt als der 
Kleinbesitz der Gemeinden und Privaten. Da- 
gegen ist es Aufgabe des Staates, durch wissen- 
schaftliche Untersuchungen die Technik und Oko- 
nomik der Waldwirtschaft zu heben und zu diesem 
Zwecke die Staatswaldungen einzuräumen. 
Gemeindewaldungen. Diese sind in den 
einzelnen Staaten von sehr ungleicher Wichtigkeit. 
Während sie in Süd= und Westdeutschland über 
zwei Drittel der Waldfläche umfassen, betragen 
sie im Osten kaum 10 % derselben. Es ist daher 
erklärlich, daß der Staat nicht überall dieselbe 
Stellung zur Gemeindewaldwirtschaft einnimmt. 
Was die allgemeinen Wirtschaftsgrundsätze be- 
trifft, so ist dem Wesen der Gemeinde entsprechend 
die nachhaltige Nutzung des Waldes festzuhalten. 
Jedoch ist dieses Prinzip nicht so starr aufzufassen, 
als ob nicht in besondern Fällen (zu Schulhaus- 
bauten, Gewässerkorrektionen, Abtragung drücken- 
der Schuldenlasten usw.) vorübergehend eine Ab- 
weichung gestattet werden könnte. Den Eigen- 
tümlichkeiten und den speziellen Bedürfnissen jeder 
Gemeinde muß auch die Bewirtschaftung und 
Benutzung des Gemeindewaldes angepaßt werden. 
Der Staat hat sodann darüber zu wachen, daß 
das Gemeindevermögen (vielfach beruht dieses ge- 
rade auf Waldbesitz) nicht zum Vorteil einzelner 
Gemeindeglieder oder zur Bereicherung der Ge- 
genwart auf Kosten der Zukunft mißbraucht oder 
überhaupt durch Mißwirtschaft geschädigt und ver- 
schleudert werde. Diese Pflicht des Staates ist 
allgemein anerkannt. Allein über das Maß des 
staatlichen Eingreifens in die Verwaltung des Ge- 
meindevermögens gehen die Ansichten auseinander. 
Die allgemeinen politischen Freiheiten der Ge- 
meinden sind auch für die Verwaltung des Ge- 
meindevermögens von grundlegender Bedeutung. 
Für die Überwachung der Waldwirtschaft der 
Gemeinden lassen sich drei Systeme unterscheiden: 
die allgemeine Vermögenskontrolle, die spezielle 
Aussicht durch einen Staatstechniker und die Be- 
försterung, d. h. die Bewirtschaftung der Ge- 
meindewaldungen durch einen Staatstechniker. 
Die allgemeine Vermögenskontrolle durch einen 
politischen, nicht technisch gebildeten Verwaltungs= 
beamten ist unzureichend, weil durch einen solchen 
der Zustand des Waldes selbst, auf welchen es 
hauptsächlich ankommt, nicht mit der erforderlichen 
Genauigkeit und Sachkunde geprüft werden kann. 
Am meisten Verbreitung hat das System der 
Oberaussicht durch Staatsforstbeamte, sei es, daß 
der Gemeindewald durch einen technisch gebildeten 
Verwalter oder durch empirisch gebildete Ge- 
meindemitglieder bewirtschaftet wird. Innerhalb 
der durch das Gesetz gezogenen Schranken ist die 
Gemeinde in der Bewirtschaftung ihrer Waldungen 
frei, und die Oberaufsicht hat nur zu verhindern, 
daß ungesetzliche und unwirtschaftliche Maßregeln 
(Übernutzung, Verödung des Bodens usw.) ge- 
troffen werden. Die Beförsterung, wie sie in Hessen, 
Baden, Elsaß-Lothringen, der Pfalz und in Unter-
	        
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