Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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franken besteht, wird in der Weise ausgeübt, daß 
die vom Staat ernannten Forstbeamten die ge- 
samte Wirtschaft in den Gemeindewaldungen 
führen. Daneben ist aber doch allgemeine Vor- 
schrift, daß besondern Wünschen der Gemeinden 
Rechnung getragen werden müsse. Jedem System 
können besondere Vorzüge nachgerühmt und ebenso 
besondere Nachteile zur Last gelegt werden. Es ist 
daher gewagt, irgend eines der Systeme als das 
beste zu erklären; viel zweckmäßiger ist es, die 
Ordnung der Gemeindewaldwirtschaft den politi- 
schen, finanziellen und wirtschaftlichen Verhält- 
nissen entsprechend zu gestalten. Die Erfahrung 
spricht übrigens nicht unbedingt gegen die Frei- 
heit der Gemeinden. Neben vielen mangelhaft 
bewirtschafteten Gemeindewaldungen begegnen uns 
solche, welche in Höhe der Erträge, Sorgfalt und 
Intensität der Wirtschaft hinter den Staatswal- 
dungen nicht zurückstehen. Bei hinreichender Größe 
des Waldbesitzes sollte jede Gemeinde einen eigenen 
Techniker anstellen, oder es sollten mehrere Ge- 
meinden zusammentreten, um einen gemeinschaft- 
lichen Oberförster zu wählen. Wo Beförsterung 
besteht, haben manche Oberförster die Waldungen 
von 30 bis 40, sogar noch mehr Gemeinden zu 
bewirtschaften. Bei intensivem Betrieb ist diese 
Aufgabe zu groß. Die Beförsterung ist als eine 
Zwischenstufe für weniger intensiven Betrieb zu 
bezeichnen. — Die Waldungen der öffentlichen 
Korporationen (Hospitäler, Armenanstalten, kirch- 
lichen Stiftungen, Universitäten usw.) werden all- 
gemein den Gemeindewaldungen gleichgestellt, so 
daß eine besondere Behandlung dieser Arten von 
Waldbesitz nicht notwendig ist. 
Genossenschafts waldungen, manchmal 
ebenfalls Korporationswaldungen genannt, sind 
solche, welche das gemeinschaftliche Eigentum 
mehrerer Privatpersonen bilden. Am bekanntesten 
sind die Haubergsgenossenschaften der preußischen 
Kreise Siegen und Wittgenstein, welche durch Zu- 
sammenlegung von Privatwaldungen entstanden 
sind. Anderwärts beruht die Entstehung solcher 
Genossenschaften darauf, daß bei Ablösung von 
Servituten die Berechtigten ein Waldstück als ge- 
meinsames Eigentum erhielten, oder daß bei Er- 
weiterung der Einwohnerzahl einer Gemeinde die 
ursprünglich ansässigen Bürger das Eigentums- 
recht am Walde behielten (Realgemeinden, Bürger- 
gemeinden, im Gegensatz zu den Einwohner- 
gemeinden). Durch freiwillige Bildung von Ge- 
nossenschaften haben da und dort einzelne Private 
ihren parzellierten Besitz zu einem Wirtschafts- 
ganzen vereinigt. Daß dies aber in sehr seltenen 
Fällen geschieht, beruht vor allem im Bestreben 
der Privaten, unabhängig zu wirtschaften, sodann 
in der Schwierigkeit, die verschiedenen Interessen 
zu vereinigen und auszugleichen, den Anteil am 
Gesamtvermögen auszuscheiden und die Nutzung 
zu regulieren. 
Privatwaldungen. Die Statistik weist nach, 
daß der Privatwald die weitaus verbreitetste Art 
Forstwirtschaft usw. 
  
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des Waldbesitzes ist. Er fällt nicht immer mit dem 
Kleinbesitz zusammen, da der Waldbesitz des Adels 
oft sehr ausgedehnte Flächen umfaßt. Die viel- 
fach verbreitete Ansicht, als ob der Waldbesitz für 
den Privatmann nicht passe, ist durch diese Tat- 
sachen widerlegt. Freilich weicht die Wirtschaft in 
den Privatwaldungen vielfach von derjenigen des 
Staates oder der Gemeinden ab, ohne daß sie 
deshalb als eine weniger vorteilhafte bezeichnet 
werden darf. Manchmal allerdings sind die Wald- 
gründe von allem Holz entblößt und verödet, so 
daß man das Einschreiten des Staates für not- 
wendig erachtet hat. Allein die Tatsache der ge- 
ringeren Produktion des Privatwaldbodens recht- 
fertigt das Eingreifen des Staates noch nicht. 
Mancher Bauer könnte mehr Korn oder Futter 
auf seinem Grundstück erzielen, allein niemand 
wird ihn mit Hilfe des Staates dazu zwingen 
wollen. Die Einschränkung der Unabhängigkeit 
des Eigentums ist nur berechtigt, wo es um das 
Gemeinwohl sich handelt (s. die Art. Eigentum u. 
Enteignung). Für das Gemeinwohl von Bedeu- 
tung sind aber namentlich die Schutzwaldungen; 
diese müssen daher besonders ausgeschieden und 
unter die Aussicht des Staates gestellt werden. 
In den übrigen Privatwaldungen ist die Wirt- 
schaft. freizugeben. Die mittelbare Einwirkung 
auf die Privatwaldwirtschaft auf dem Wege der 
Förderung, der Belehrung ist natürlich, wie in 
der Landwirtschaft, nicht ausgeschlossen; es ge- 
schieht aber tatsächlich sehr wenig zugunsten des 
Waldes, während für den Feldbau reiche Mittel 
aufgewendet werden. Eine Ausnahme machen die 
Landwirtschaftskammern in Preußen; auch in 
Bayern nimmt der Staat sich der Privatwald- 
wirtschaft an. Auch sind Anordnungen bei drohen- 
der Schädigung der angrenzenden Waldungen 
(bei Brand, Insektenfraß usw.) in der Befugnis 
des Staates gelegen. Die eingreifende Tätigkeit 
des Staates scheitert auch am Kostenpunkt. Es 
wäre ein zahlreiches Forstpersonal nötig, um die 
Bewirtschaftung zu leiten. Dadurch wäre aber ein 
Kostenaufwand erforderlich, zu dessen Verwilli- 
gung kaum die Geneigtheit bei den Volksvertretern 
zu finden wäre. 
Schutzwaldungen (Bannwälder). Die Wal- 
dungen, welche Einfluß auf das allgemeine Wohl 
haben, werden in den neueren Gesetzen (Bayern, 
Osterreich, Preußen, Schweiz, Italien, Württem- 
berg) als Schutzwaldungen bezeichnet. Zu solchen 
sind erklärt Waldungen, welche Schutz gewähren 
gegen Lawinen, Steinschläge, Abrutschung, Über- 
schwemmung, Versandung, Eisgang usw. Im ein- 
zelnen Falle ist der Nachweis dieser Wirkung des 
Waldes oft nicht leicht zu erbringen; daher ist in 
manchen Gesetzen die Pflicht dieses Nachweises 
demjenigen auferlegt, welcher die Erklärung eines 
Waldes zu Schutzwald fordert. So große Schwie- 
rigkeiten die theoretische Begründung bieten mag, 
so einfach gestaltet sich praktisch die Sachlage. Die 
sog. Schutzwaldungen befinden sich weit über-
	        
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