Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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allgemeinen Hochschule verschiedene Bedürfnisse 
berücksichtigt werden müssen. An die allgemeine 
Vorlesung über Chemie, Botanik, Mathematik usw. 
müssen deshalb an der allgemeinen Hochschule noch 
Spezialvorlesungen über einzelne Gebiete sich an- 
schließen (Agrikulturchemie, Forstbotanik). Wenn 
dies nicht der Fall ist, steht der Unterricht an der 
Hochschule hinter demjenigen an der Akademie zu- 
rück. Bezüglich der speziell forstlichen Disziplinen 
wird ein Unterschied nicht zu konstatieren sein 
zwischen allgemeiner Hochschule oder Akademie. 
In der Zeiteinteilung und -verwendung ist man 
ferner an der Akademie nicht durch die andern 
Fakultäten gehindert und kann insbesondere grö- 
Wßeren Nachdruck auf praktische Ubungen und De- 
monstrationen im Walde legen. Ein tatsächlicher, 
nicht prinzipieller Vorzug der Akademien liegt end- 
lich darin, daß ihnen für Unterrichtszwecke be- 
besondere Waldungen, sog. Lehrforste, zur Ver- 
fügung stehen. Beim Besuch von Hochschule und 
Akademie — sei es in dieser oder der umgekehrten 
Reihenfolge — läßt sich das Studium nicht ein- 
heitlich und systematisch genug einrichten; auch 
wird es etwas verteuert. Dem Staate selbst er- 
wachsen höhere Kosten für Lehrkräfte und Ein- 
richtungen. An der Hochschule tritt der Forstmann 
in engeren Verkehr mit denjenigen Ständen, mit 
welchen er im späteren Leben zusammen wirken 
muß. Da der künftige Forstmann nicht so fast als 
Techniker, sondern namentlich als Beamter auf 
das Studium an der Hochschule angewiesen ist, 
so kann die Verlegung auch des forstlichen Fach- 
unterrichts ebenfalls an die Hochschule nur als 
zweckmäßig erklärt werden. Dabei ist allerdings 
eine Reglung und Einrichtung des ganzen Unter- 
richts an der Hochschule zu erstreben, daß die Vor- 
teile des Unterrichts an der Akademie möglichst 
erreicht werden. Die Aufhebung der Akademien, 
die vom Forstpersonal erstrebt wird, scheint ins- 
besondere in Preußen nicht beabsichtigt zu sein. 
Die Reduzierung der forstlichen Lehrstätten im 
Deutschen Reich auf 3 bis 4 stößt ebenfalls auf große 
Hindernisse. — Die Dauer des Studiums ist in 
einzelnen Staaten ausdrücklich vorgeschrieben (2 
bis 4 Jahre), in andern freigegeben und die Aus- 
dehnung dem einzelnen überlassen. Die Staats- 
prüfung ist jetzt fast überall in drei Abteilungen 
zerlegt. Zunächst muß eine Prüfung in Mathe- 
matik und Naturwissenschaft abgelegt werden. 
Darauf folgt die theoretische Prüfung in den 
eigentlichen Fachwissenschaften. An diese schließt 
sich eine ein-, zwei-oder dreijährige praktische Aus- 
bildung an, nach deren Beendigung die praktische 
Prüfung stattfinden kann. 
Das Hilfs= und Schutzpersonal erhält in der 
Regel nur eine empirische Ausbildung unter der 
Anleitung von tüchtigen Praktikern. Diese Aus- 
bildung muß sich nicht bloß auf die Geschäfte im 
Walde, sondern auch auf die nötigen schriftlichen 
Arbeiten erstrecken, soweit solche in den Wirkungs- 
kreis des unteren Personals fallen. Da und dort 
Fortbildungsschulen. 
  
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werden zu dem erwähnten Zwecke besondere Unter- 
richtskurse abgehalten, aus welchen ohne Zweifel 
brauchbare Unterförster hervorgehen. Doch ist 
notwendig, daß der Unterricht ein vorherrschend 
praktischer sei und der theoretische Unterricht auf 
die unentbehrlichen Gebiete sich beschränke. Die 
in einzelnen Staaten errichteten Waldbau= oder 
Försterschulen streben nach demselben Ziele. In 
den Anforderungen an das theoretische Wissen 
gehen sie aber sehr weit, vielleicht auch zu weit 
mit Rücksicht auf die von diesem Personal zu er- 
füllenden späteren Aufgaben. Es besteht die Ge- 
fahr, daß das aus solchen Schulen hervorgehende 
Personal mit dem späteren Wirkungzkreise nicht 
zufrieden ist und höheren Stellen nachstrebt. Die 
Grenze des höheren und niederen Forstdienstes 
sollte aber scharf gezogen und ein Überschreiten 
derselben nicht gestattet werden. 
Literatur. Pfeil, Grundsätze der F. in Be- 
zug auf Nationalökonomie (2 Bde, 1822/24); Hun- 
deshagen, Forstpolizei (1821,/1859); Berg, Staats- 
forstwirtschaftslehre (1850); Albert, Staatsforst- 
wissenschaft (1875); Lehr-Endres, Forstpolitik, im 
Handbuch der Forstwissensch., hrsg. von Lorey- 
Stötzer (71903); Bühler, die forstpolit. Artikel im 
Illustrierten Forst= u. Jagdlexikon, hrsg. von Fürst 
*1904); Graner, Forstgesetzgebung u. Forstver- 
waltung (1892); Schwappach, Forst-, Jagd= u. 
Fischereipolitik (1894); Endres, Forstpelitik 
(1906). Ferner sind forstpolitische Abschnitte in den 
allgemeinen nationalökonom. Werken von Conrad, 
Philippovich, Roscher, Schäffle, Schönberg, Schmol- 
ler, Wagner enthalten, ebenso in Conrads Hand- 
wörterbuch der Staatswissenschaften (von Endres) 
u. in Elsters Wörterbuch der Volkswirtschaft (von 
Jentsch). Über einzelnes vgl. Danckelmann, Ab- 
lösung u. Reglung der Waldgrundgerechtigkeiten 
(3 Bde, 1880/88); Bericht über die VI. Versamm- 
lung deutscher Forstmänner zu Bamberg 1877; 
über die VII. zu Dresden 1878; Dimitz, Osterr. 
Forstwesen (1890). — Die forststatistischen Daten 
sind vielfach auch in den allgemeinen statistischen 
Zeitschriften enthalten. Üüber die meisten Länder 
geben besondere forststatistische Werke Aufschluß; in 
einigen Staaten erscheinen jährlich statistische Nach- 
weisungen. Der Deutsche Forstverein behandelt 
regelmäßig ein forstpolitisches Thema auf seinen 
Versammlungen. Auch die lokalen Forstvereine 
üben eine sehr ersprießliche forstpolitische Tätigkeit 
aus. [IBühler.] 
Fortbildungsschulen. Die Fortbil= 
dungsschulen wollen ursprünglich, und so noch 
heute meistens auf dem Lande, nichts anderes 
als den aus der Volksschule entlassenen Knaben 
und Mädchen, gewöhnlich bis zum 17., höchstens 
bis zum 18. Lebensjahre, eine systematische Weiter- 
bildung vermitteln, wobei die Anforderungen (Ge- 
setzes= und Bürgerkunde, Gewerbslehre usw.), die 
das praktische Leben an den Menschen stellt, mehr 
berücksichtigt werden sollen, als dies in der Volks- 
schule möglich ist. Erst gegen Beginn des 19. Jahrh. 
(erstmals obrigkeitlich geregelt 1817 in Kurhessen) 
treten zu diesen allgemeinen Fortbildungs- 
schulen die heute in den Städten durchaus vor-
	        
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