305
unter zollamtlichem Verschluß für vorläufig zoll-
freie Hinterlegung aller Waren und außerdem für
eine Reihe wichtiger Artikel ein neuer Typus von
Lagerhäusern ohne amtliche Mitsperre gegen buch-
mäßige Kontrolle und Sicherstellung vertrauens-
würdiger Firmen (Kontierungsmagazine) zuge-
standen.
Ferner verfolgt die Gewährung differentieller
Zollfreiheit für gewisse Rohstoffe, welche zur See
eingeführt werden, den Zweck, die Begründung
und Entfaltung neuer einheimischer Industrie-
zweige in den ehemaligen Freihafengebieten zu er-
muntern. Ein Ersatz für die Aufhebung der Frei-
häfen wird auch dadurch geboten, daß man für
neue Bahnverbindungen mitbilligen Tarifen Sorge
trägt, um dem Handel der alten See-Emporien
trotz ihrer Einverleibung in das allgemeine Zoll-
gebiet für alle Waren freie Bewegung mit dem
Binnmenlande zu sichern.
Die Errichtung und Aufhebung von Freihäfen
und Zollausschlüssen erfolgt entweder auf Grund
von völkerrechtlichen Verträgen oder ohne diese,
immer aber im Wege der staatlichen Gesetzgebung
bzw. von administrativen Verfügungen. Die Frei-
hafenstellung von Batum (Art. 59 des Berliner
Vertrages vom 13. Juli 1878) ist im Juli 1886
durch einseitige Verfügung Rußlands wieder auf-
gehoben und Batum in einen Kriegshafen ver-
wandelt worden. Die Vereinigung des Gebietes
von Batum mit dem russischen Reiche und die Zu-
erkennung der Rechte eines Freihafens an Batum
war vom Berliner Kongreß im Interesse Ruß-
lands beschlossen worden. Da sich indessen die
Verkehrsverhältnisse im Kaukasusgebiete in vielem
geändert hatten, hob Rußland die Verfügung be-
treffend den Freihafen wieder auf, mit der nichts
weniger als einwandfreien Motivierung, bei Ver-
zichtleistung auf ein Zugeständnis bedürfe es der
Zustimmung der Signatarmächte nicht.
In Deutschland waren Lübeck, Hamburg und
Bremen die bedeutendsten Freihafengebiete. Lübeck
gab die Freihafenstellung schon 1868 freiwillig
auf. Der Anschluß Hamburgs an die Zollge-
meinschaft erfolgte zufolge eines schon früher ge-
faßten Beschlusses (1881/82 im Okt. 1888 nach
Abtrennung eines genügend großen, 1898 noch
erweiterten Freihafengebietes. In ähnlicher Weise
wurden die Verhältnisse in Bremen geregelt.
Das noch verbleibende Freihafengebiet steht wie
das hamburgische unter dem Schutze des Art. 34
der Reichsverfassung als Reservatrecht. Freibezirke
wurden auch 1898 in Stettin und 1899 in Neu-
fahrwasser bei Danzig eingerichtet.
Am 1. Juli 1891 wurde die Aufhebung des
Triester Freihafens ins Werk gesetzt, nachdem
bereits in dem Gesetze betreffend die Verlängerung
des Zoll= und Handelsbündnisses mit Ungarn
vom 21. Mai 1887 bestimmt worden war, daß
die Einbeziehung der Freihafengebiete Triest und
Fiume längstens bis 31. Dez. 1889 erfolgen
sollte. Die Inangriffnahme großer Bauwerke —
Freihandel — Freiheit.
306
Hafenbauten, Lagerhäuser, Hebevorrichtungen —
haben jedoch die Verlegung des Termines zur
Folge gehabt. Fast gleichzeitig wurden seitens der
ungarischen Regierung die Einbeziehung Fiumes
in das österreichisch-ungarische Zollgebiet im Wege
der Gesetzgebung durchgeführt.
Während man in Europa mit dem alten Sy-
stem der Freihäfen aufräumt, zeigt sich in den
Kolonien, besonders in den afrikanischen, die Ge-
neigtheit, Freihafenplätze zu errichten. Da in
den Schutzgebieten die meisten Seeplätze noch ohne
Verbindung mit dem Hinterlande sind, ist dieses
Mittel, den Verkehr auf einen Punkt zu lenken,
seitens der Kolonialpolitik nicht von der Hand zu
weisen. So wurde zu Beginn 1892 Sansibar
Freihafen, und auch die italienische Regierung be-
absichtigt, Massaua zum Freihafen zu erklären.
Ein Freihafen von hohem Range ist in Europa
Gibraltar, außerhalb Europas sind Aden, Singa-
pur, Hongkong, Kiautschou Freihäfen.
Seit dem Vertrag zwischen England und China,
welcher den sog. Opiumkrieg 1840/42 beendete,
und auf Grund des Vertrages von Tientsin 1858
nach dem Taipingaufruhre, gelten die Traktat-
häfen (Treaty Ports), mehr als zwanzig große
Häfen, eine Anzahl minder bedeutender Punkte
nicht mitgerechnet, als offene, für den fremden
Handel freigegebene Plätze. Durch den Vertrag
von Tschifu wurden neuerdings einige Häfen dem
Verkehre eröffnet. In der Mandschurei gibt es
bloß zwei Vertragshäfen, Niutschwang und Ta-
lienwan. Aber auch diese sind als offene Häfen
zu behandeln, was auch Rußland ausdrücklich er-
klärt hat.
Literatur. Näheres über Freihäfen enthalten
die Seerechts-Kompendien: Kaltenborn, Grundsätze
des prakt. europ. Seerechts I (1851); Perels, Das
internat. öffentl. Seerecht der Gegenwart (21903);
ders., Handbuch des Seerechts im Deutschen Reiche
(1884). Ferner Ehrenberg, Art. „F.“ im Hand-
wörterbuch der Staatswissenschaften III (21900).
Geschichtliches Material findet man bei Dorn, Die
Seehäfen des Weltverkehrs (1891/92). Abhand-
lungen: Rad, Sind Freihäfen noch zeitgemäß?
(1863); Barth, Die handelspolitische Stellung der
deutschen Seestädte (1880); Marcus, Die Seehäfen
im heutigen Weltverkehr (1886); Duthoya, Villes
franches, ports francs et entrepöts de douane
Par. 1899). LLentner.]
Freihandel s. Handel und Handelspolitik.
Freiheit. [Doppelte Bedeutung des Na-
mens; Wesen und Wert der menschlichen Freiheit;
Geschichtliches. Die rechtliche Freiheit des Indi-
viduums und ihre Grenzen. Religionsfreiheit.)
1. Mit dem Namen der Freiheit ist im Leben
der Völker und Staaten zu allen Zeiten ein Dop-
peltes bezeichnet worden: die Unabhängig-
keit des Individuums von autoritativer, durch
Zwangsmittel gestützter Reglung seines eigensten
Lebens, und die Teilnahme der Bürger an der
Ordnung und Leitung des Gemeinwesens. Dort
also bedeutet sie die Autonomie des einzelnen, der
—