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eine Konferenz oder ein Kongreß zusammen, um über
die beiden Hauptpunkte jedes Friedensinstrumentes
schlüssig zu werden: über die Gebietsfrage und die
Entschädigungsfrage einschließlich der Kriegskosten.
Der Friede hat einen endgültigen, definitiven
Charakter. Die Streitpunkte sollen durch denselben
grundsätzlich und vollständig erledigt sein. Er hat
die Bedeutung einer res iudicata auf neuer, ge-
sicherter Grundlage. Die Machttatsachen, welche
der Krieg geschaffen hat, verwandelt der Friede in
Rechtstatsachen, sei es auf Grund des Zustandes
vor dem Kriege (status quo ante bellum) oder
der durch den Krieg herbeigeführten Neuordnung
der früheren Verhältnisse (status quo post bel-
lum, status quo amelioré). Wie sich in Bezug
auf Friedensverhandlungen Verbündete zu ver-
halten haben, hängt von dem Inhalte des Bünd-
nisvertrages ab. Regel ist, daß sie, solidarisch für
den Kriegsfall verbunden, sich auch nicht einseitig
dieser Verpflichtung durch Abschluß eines Separat-
friedens entschlagen dürfen. Das jus belli ac
pacis ist untrennbar. Wer ermächtigt ist, Krieg
zu erklären, ist es auch, Frieden zu schließen (s. d.
Art. Staatsoberhaupt).
3. Die Friedensakte ist die Zusammenfassung
der Friedensverhandlungen. Dieselbe enthält ge-
wöhnlich in einer Reihe von Artikeln die einzelnen
Vereinbarungen. Doch kommen auch Fälle vor,
in denen nur die Wiederherstellung des Friedens-
zustandes ausgesprochen und die Austragung der
streitigen Punkte aus einem späteren Zeitpunkte
vorbehalten wird. Einer dieser einfachen Friedens-
schlüsse der jüngsten Zeit war jener zu Bukarest
vom 3. März 1886, welcher die bulgarisch-serbischen
Kämpfe (1885/86) beendete. — Der Inhalt der
Friedensverträge läßt sich wegen der großen Man-
nigfaltigkeit der Kriegsanlässe nur beispielsweise
andeuten. Er regelt in der großen Mehrzahl der
Fälle die Fragen betreffend die Gebietsabtretung
und Kriegsentschädigung, das Options= und Aus-
wanderungsrecht der Einwohner abgetretener Ge-
bietsteile, die Freigabe der Kriegsgefangenen (mit
Ausschluß derjenigen, die sich verbrecherischer
Handlungen schuldig gemacht haben), enthält die
Amnestieklausel und die neuerliche Bestätigung der
vor dem Kriege bestandenen Verträge u. a. m. Erst
durch die Abtretung wird dem Sieger die Staats-
gewalt wirklich erworben, und zwar aus dem Titel
der Rechtsnachfolge. Als Rechtsnachfolger des be-
siegten Regenten kann der Eroberer (s. d. Art. Er-
oberung) nun auch den eroberten Staat als den
seinigen betrachten mit allem Vermögen und allen
Forderungsrechten desselben. Auch eine schieds-
richterliche Vereinbarung für den Fall von Mei-
nungsverschiedenheiten bei der Auslegung und
Durchführung des Vertrages kommt vielfach vor,
desgleichen die Vereinbarung über die militärischen
Maßnahmen, welche bis zur vollständigen Er-
füllung des Vertrages geboten erscheinen.
4. Der Friedensschluß hat die ethische Bedeu-
tung des Vergebens und Vergessens sowohl der
Friede.
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Anlässe zu den Feindseligkeiten wie der durch die
Feindseligkeiten einander zugefügten Leiden und
Einbußen an Menschen und Sachkapital. Der
Friede soll ein Gottesfriede, eine treuga Dei sein.
Denn auch die Entscheidung der Waffen ist kein
bloßes Spiel des blinden Zufalls, sondern in
letzter Linie das Ergebnis einer geschichtlichen und
providentiellen Notwendigkeit. Seit den ältesten
Zeiten wurden daher die Friedensinstrumente in
sakrosankter Form abgeschlossen (unter christlichen
Staaten „im Namen der heiligsten Dreieinig-
keit“, seit Aufnahme der Türkei in den europäi-
schen Staatenverband „im Namen Gottes, des
Allmächtigen").
Allgemeine Wirkungen des perfekten Friedens-
schlusses sind: die endgültige Einstellung aller
Feindseligkeiten; die völlige Erledigung des ca-
sus belli; ferner der wechselseitige Verzicht auf
Schadenersatz und Genugtuung betreffend die
Kriegseinbußen, welche eine notwendige Folge der
kriegerischen Aktion waren. Sie sollen abgetan
und kompensiert sein. Man pflegt diese Haupt-
wirkung des Friedens als Amnestie zu bezeichnen
und in vielen Friedensinstrumenten in einer be-
sondern Klausel des Vertrages ausdrücklich hervor-
zuheben, die man Amnestie= oder Vergessenheits-
klausel (cClausula oblivionis) nennt. Sie erstreckt
sich auch auf das politische Verhalten der Unter-
tanen der Kriegsparteien während des Krieges.
Wegen solcher der patriotischen Pflicht gemäßen,
wenn auch während des Kampfes vermöge des
Hervortretens der militärischen Notwendigkeit mit
den strengsten Strafen bedrohten Handlungen soll
nach Abschluß des Friedens niemand verfolgt,
beunruhigt oder beanstandet werden weder hin-
sichtlich seiner Person noch seines Eigentums
Züricher Friede 1859 Art. 22; Wiener Friede
1864 Art. 23; Prager Friede 1866 Art. 10;
Frankfurter Friede 1871 Art. 2; Präliminar=
friede von San Stefano 1878 Art. 17, 27).
DOhne besondere Vereinbarung bezieht sich die
Annestie nicht auf Privatansprüche noch auf die
von dem Streitgegenstande nicht berührten For-
derungsrechte, welche zwischen den Frieden schlie-
ßenden Staaten vor dem Kriege existierten und
von diesem nicht berührt worden sind. Die etwa
aus Unkenntnis des geschlossenen Friedens auf
Nebenkriegsschauplätzen oder auf hoher See noch
vollzogenen Kriegshandlungen sind nichtig und
verpflichten zur Schadloshaltung.
Der Friedensvertrag muß in allen seinen Be-
stimmungen pünktlich ausgeführt werden. Für
ihn gilt wie für andere Verträge das Prinzip der
Unteilbarkeit, wenn nicht etwa in seinen Bestim-
mungen selbst Teilbarkeit angeordnet ist. Werden
einzelne Punkte nicht oder nur mangelhaft erfüllt,
so wird der dadurch beeinträchtigte Staat auf Er-
füllung dringen, und falls Garantiemächte vor-
handen sind, deren Mitwirkung in Anspruch neh-
men. Erst bei wirkungslosem Einschreiten wird
der Vertrag in seiner Totalität hinfällig.
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