Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Friede, ewiger usw. 
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Völkern und Staaten als Großtaten verherrlicht. höher zu veranschlagen sein als jene der zweiten. 
Nur wenn die Beziehungen der Staaten von den= Auf 
der ersten Konferenz wurden sehr wichtige 
selben Grundsätzen der Gerechtigkeit und Nächsten= Einrichtungen geschaffen, so der ständige Schieds- 
liebe beherrscht werden wie die der einzelnen Staats= hof und die Untersuchungskommissionen, während 
bürger, wenn unter den Staatslenkern der uner= es die zweite Konferenz im Punkte der Bildung 
schütterliche Wille bestehe, sowohl in der Verwal= eines Weltschiedsvertrages und eines obligatori- 
tung ihrer eigenen Staaten als auch in ihren schen Schiedsgerichtes, diesen beiden für die Ein- 
politischen Beziehungen zu jeder fremden Regie= schränkung der Kriegsmöglichkeiten so wichtigen 
rung keine andere Richtschnur als die Vorschriften 
der christlichen Heilslehre zu nehmen, werde auch 
die Grundlage für einen dauernden Frieden ge- 
schaffen sein. Als jedoch der Bund der drei Groß- 
mächte, der sich zu einem Fünferbunde (Pentarchie) 
erweiterte, diese Grundsätze zu verwirklichen sich 
anschickte und zur Wegräumung der Hemmungen 
der bewaffneten Macht sich bediente, ergaben sich 
Zwiespältigkeiten, welche anläßlich der Pariser 
Juli-Revolution 1830 die Scheidung der Pent- 
archie in zwei Gruppen, jene der Westmächte 
(England, Frankreich) und jene der Ostmächte 
(die Staaten der alten heiligen Allianz) zur Folge 
hatten (s. d. Art. Gleichgewicht). 
3. Die zweite Hälfte des 19. Jahrh. hat eine 
ganze Reihe von Versuchen gezeitigt, dem Ziele 
dauernder Friedenssicherung näher zu kommen. 
Die einen weisen auf eine allgemeine bürgerliche 
Verbrüderung des menschlichen Geschlechtes hin, 
auf die Ersetzung des Politismus durch den 
Kosmopolitismus, ohne sich darüber bestimmt 
auszusprechen, wie sie sich die Gliederung eines 
solchen Weltbürgerstaates vorstellen. Andere er- 
blicken den zielführenden Weg in der Heeresab- 
rüstung oder doch in der Möglichkeit, einen für 
alle Staaten gleichermaßen anwendbaren Maß- 
stab für die Heeresstärke auf eine bestimmte An- 
zahl von Jahren zu gewinnen, während der Mehr- 
zahl der Friedensfreunde die Ausgestaltung der 
Mittel, über welche die friedliche Staatskunst ver- 
fügt, um Kriegen vorzubeugen, die Verbesserung 
von Kriegsregel und Kriegsbrauch (Kodifizierung 
des Kriegsrechts) und die Einsetzung eines stän- 
digen Schiedsgerichtshofes als nächstliegende Ziele 
gelten (s. d. Art. Schiedsgericht). 
Große Begeisterung rief bei den Friedens- 
freunden aller Nationen die Kundgebung des 
Kaisers Nikolaus II. von Rußland für den Welt- 
frieden (12./24. Aug. 1898) hervor, welche in 
der Einladung gipfelte, den Zusammentritt einer 
Konferenz zu ermöglichen, die sich mit dem Problem 
zu beschäftigen hätte, wie den gegenwärtigen mili- 
tärischen Rüstungen ein Ziel zu setzen sei. Ein pro- 
grammatisches Rundschreiben Murawiews folgte 
im Dez. 1898. Die Konferenz tagte vom 18. Mai 
bis 29. Juli 1899 in der Hauptstadt des König- 
reichs der Niederlande, im Haag, und war von 
allen europäischen Staaten, die politische Bedeu- 
tung besitzen, und allen Balkanstaaten beschickt. 
Nahezu doppelt so viel Staaten waren auf der 
zweiten Konferenz vertreten, welche vom 15. Juni 
bis 18. Okt. 1907 währte. Die friedensrecht- 
lichen Ergebnisse der ersten Konferenz dürften 
  
  
Materien, so gut wie zu keinem Resultate ge- 
bracht hat. Immerhin ist ein Fortschritt darin zu 
erblicken, daß nunmehr fast sämtliche Staaten des 
Erdkreises in nähere Beziehung zueinander ge- 
treten sind, sich besser kennen gelernt und einen 
Meinungsaustausch über die schwierigsten, den 
Krieg betreffenden Probleme gepflogen haben, und 
nicht zum mindesten auch darin, daß in einem 
neutralen Prisengerichtshofe ein überstaatliches 
Organ geschaffen wurde, welches internationale 
Streitfälle nicht bloß zu schlichten, sondern als 
oberste Justizstelle, gestützt auf Rechtsgrundsätze, 
auch endgültig zu entscheiden berufen sein wird. 
Um die Gemüter für die Notwendigkeit des 
Friedens und einer friedlichen Lösung von Ver- 
wicklungen unter Staaten empfänglich zu machen, 
begann man nach den großen napoleonischen 
Kriegen zunächst in den Vereinigten Staaten und 
in England (1814) Friedensgesellschaf- 
ten zu gründen, welche einen streng konfessio- 
nellen Charakter hatten. Belgien und Frankreich 
folgten. Der erste internationale Friedenskongreß 
hat im Aug. 1848 in Paris stattgefunden, bei 
welchem Victor Hugo Präsident und Richard 
Cobden sein Stellvertreter war. Auf der Pariser 
Konferenz nach Beendigung des Krimkrieges wurde 
auf Anregung der Londoner Peace Society den 
Friedensbedingungen die Klausel beigefügt, daß 
die Signatarmächte sich verpflichten mögen, ehe sie 
zu den Waffen greifen, zuvor die guten Dienste 
einer befreundeten Macht anzurufen. Der Luxem- 
burger Streitfall (1867) gab den Anstoß zur 
Gründung einer Friedensliga in Frankreich und 
einer ähnlichen internationalen Vereinigung in der 
Schweiz. Beide bestehen noch gegenwärtig. Seit 
dieser Zeit haben sich die Friedensgesellschaften 
beträchtlich vermehrt; man zählt deren heute in 
der ganzen Welt mehr als hundert. 
Ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte 
der Friedensbestrebungen ist die Einrichtung der 
interparlamentarischen Konferenzen, 
um welche sich namentlich seit vielen Jahren Fré- 
déric Passy verdient macht. Diese Vereinigung 
von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Körper- 
schaften zeigt, daß man wohl zu unterscheiden 
weiß zwischen Erreichbarem und Phantastischem, 
zwischen staatsmännischer Klugheit und Gefühls- 
überschwang, zwischen ernstem Tun und philan- 
thropischer Schwärmerei. Seit 1889 trat diese 
interparlamentarische Union zu Ver- 
sammlungen zusammen: 1890 in London, 1891 
in Rom, 1892 in Bern, 1894 im Haag. 1895 
in Brüssel, 1896 in Budapest, 1897 in Brüssel, 
 
	        
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