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Friede, ewiger usw.
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Völkern und Staaten als Großtaten verherrlicht. höher zu veranschlagen sein als jene der zweiten.
Nur wenn die Beziehungen der Staaten von den= Auf
der ersten Konferenz wurden sehr wichtige
selben Grundsätzen der Gerechtigkeit und Nächsten= Einrichtungen geschaffen, so der ständige Schieds-
liebe beherrscht werden wie die der einzelnen Staats= hof und die Untersuchungskommissionen, während
bürger, wenn unter den Staatslenkern der uner= es die zweite Konferenz im Punkte der Bildung
schütterliche Wille bestehe, sowohl in der Verwal= eines Weltschiedsvertrages und eines obligatori-
tung ihrer eigenen Staaten als auch in ihren schen Schiedsgerichtes, diesen beiden für die Ein-
politischen Beziehungen zu jeder fremden Regie= schränkung der Kriegsmöglichkeiten so wichtigen
rung keine andere Richtschnur als die Vorschriften
der christlichen Heilslehre zu nehmen, werde auch
die Grundlage für einen dauernden Frieden ge-
schaffen sein. Als jedoch der Bund der drei Groß-
mächte, der sich zu einem Fünferbunde (Pentarchie)
erweiterte, diese Grundsätze zu verwirklichen sich
anschickte und zur Wegräumung der Hemmungen
der bewaffneten Macht sich bediente, ergaben sich
Zwiespältigkeiten, welche anläßlich der Pariser
Juli-Revolution 1830 die Scheidung der Pent-
archie in zwei Gruppen, jene der Westmächte
(England, Frankreich) und jene der Ostmächte
(die Staaten der alten heiligen Allianz) zur Folge
hatten (s. d. Art. Gleichgewicht).
3. Die zweite Hälfte des 19. Jahrh. hat eine
ganze Reihe von Versuchen gezeitigt, dem Ziele
dauernder Friedenssicherung näher zu kommen.
Die einen weisen auf eine allgemeine bürgerliche
Verbrüderung des menschlichen Geschlechtes hin,
auf die Ersetzung des Politismus durch den
Kosmopolitismus, ohne sich darüber bestimmt
auszusprechen, wie sie sich die Gliederung eines
solchen Weltbürgerstaates vorstellen. Andere er-
blicken den zielführenden Weg in der Heeresab-
rüstung oder doch in der Möglichkeit, einen für
alle Staaten gleichermaßen anwendbaren Maß-
stab für die Heeresstärke auf eine bestimmte An-
zahl von Jahren zu gewinnen, während der Mehr-
zahl der Friedensfreunde die Ausgestaltung der
Mittel, über welche die friedliche Staatskunst ver-
fügt, um Kriegen vorzubeugen, die Verbesserung
von Kriegsregel und Kriegsbrauch (Kodifizierung
des Kriegsrechts) und die Einsetzung eines stän-
digen Schiedsgerichtshofes als nächstliegende Ziele
gelten (s. d. Art. Schiedsgericht).
Große Begeisterung rief bei den Friedens-
freunden aller Nationen die Kundgebung des
Kaisers Nikolaus II. von Rußland für den Welt-
frieden (12./24. Aug. 1898) hervor, welche in
der Einladung gipfelte, den Zusammentritt einer
Konferenz zu ermöglichen, die sich mit dem Problem
zu beschäftigen hätte, wie den gegenwärtigen mili-
tärischen Rüstungen ein Ziel zu setzen sei. Ein pro-
grammatisches Rundschreiben Murawiews folgte
im Dez. 1898. Die Konferenz tagte vom 18. Mai
bis 29. Juli 1899 in der Hauptstadt des König-
reichs der Niederlande, im Haag, und war von
allen europäischen Staaten, die politische Bedeu-
tung besitzen, und allen Balkanstaaten beschickt.
Nahezu doppelt so viel Staaten waren auf der
zweiten Konferenz vertreten, welche vom 15. Juni
bis 18. Okt. 1907 währte. Die friedensrecht-
lichen Ergebnisse der ersten Konferenz dürften
Materien, so gut wie zu keinem Resultate ge-
bracht hat. Immerhin ist ein Fortschritt darin zu
erblicken, daß nunmehr fast sämtliche Staaten des
Erdkreises in nähere Beziehung zueinander ge-
treten sind, sich besser kennen gelernt und einen
Meinungsaustausch über die schwierigsten, den
Krieg betreffenden Probleme gepflogen haben, und
nicht zum mindesten auch darin, daß in einem
neutralen Prisengerichtshofe ein überstaatliches
Organ geschaffen wurde, welches internationale
Streitfälle nicht bloß zu schlichten, sondern als
oberste Justizstelle, gestützt auf Rechtsgrundsätze,
auch endgültig zu entscheiden berufen sein wird.
Um die Gemüter für die Notwendigkeit des
Friedens und einer friedlichen Lösung von Ver-
wicklungen unter Staaten empfänglich zu machen,
begann man nach den großen napoleonischen
Kriegen zunächst in den Vereinigten Staaten und
in England (1814) Friedensgesellschaf-
ten zu gründen, welche einen streng konfessio-
nellen Charakter hatten. Belgien und Frankreich
folgten. Der erste internationale Friedenskongreß
hat im Aug. 1848 in Paris stattgefunden, bei
welchem Victor Hugo Präsident und Richard
Cobden sein Stellvertreter war. Auf der Pariser
Konferenz nach Beendigung des Krimkrieges wurde
auf Anregung der Londoner Peace Society den
Friedensbedingungen die Klausel beigefügt, daß
die Signatarmächte sich verpflichten mögen, ehe sie
zu den Waffen greifen, zuvor die guten Dienste
einer befreundeten Macht anzurufen. Der Luxem-
burger Streitfall (1867) gab den Anstoß zur
Gründung einer Friedensliga in Frankreich und
einer ähnlichen internationalen Vereinigung in der
Schweiz. Beide bestehen noch gegenwärtig. Seit
dieser Zeit haben sich die Friedensgesellschaften
beträchtlich vermehrt; man zählt deren heute in
der ganzen Welt mehr als hundert.
Ein denkwürdiges Ereignis in der Geschichte
der Friedensbestrebungen ist die Einrichtung der
interparlamentarischen Konferenzen,
um welche sich namentlich seit vielen Jahren Fré-
déric Passy verdient macht. Diese Vereinigung
von Mitgliedern der verfassungsmäßigen Körper-
schaften zeigt, daß man wohl zu unterscheiden
weiß zwischen Erreichbarem und Phantastischem,
zwischen staatsmännischer Klugheit und Gefühls-
überschwang, zwischen ernstem Tun und philan-
thropischer Schwärmerei. Seit 1889 trat diese
interparlamentarische Union zu Ver-
sammlungen zusammen: 1890 in London, 1891
in Rom, 1892 in Bern, 1894 im Haag. 1895
in Brüssel, 1896 in Budapest, 1897 in Brüssel,