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1899 in Kristiania, 1900 in Paris, 1903 in
Wien, 1904 in St Louis, 1906 in London,
190 8 in Berlin.
Die Friedenskongresse haben das internatio-
nale Bureau in Bern in das Leben gerufen,
welches alle in das Gebiet internationaler Streit-
fragen fallenden Probleme zum Gegenstande der
Erörterung und Beratschlagung macht. Das Bu-
reau steht mit allen Friedensgesellschaften in Ver-
bindung. Das Institut für Völkerrecht und die
International Law Asscciation, bestehend aus
Rechtskundigen, Philosophen und Nationalöko-
nomen, eine freie Vereinigung, welche zwecks Aus-
sprache über alle auf das internationale Recht Be-
zug nehmenden Fragen sich wo möglich alljährlich
versammelt, sind gleichfalls rühmend zu erwähnen.
Literatur. Sartorius, Organon des e. F.
(1837); Marchand, Nouveau projet de traité de
Paix perpétuelle (Par. 1842); Bara, La science
de la paix (Brüssel 1872); Schamon, Völkerrecht
u. Völkerfriede (1881); Faviers, La paix publique
selon la logique et F’histoire (Par. 1885); v. Hol-
tzendorff, Die Idee des ewigen Völkerfriedens (1882);
Geiser, Die Überwindung des Krieges durch die
Entwicklung des Völkerrechts (1886); Harmening,
Recht der Völker auf Frieden (1891, in Freunds
Polit. Handwörterbuch); v. Kamarowsky, über die
Friedensbestrebungen der Völker u. die Abrüstung
(Moskau 1889/90); Schlief, Der Friede in Europa
(1892); Bauer, Kritik der Friedensbewegung
(Fiume 1896); Wundsam, Das Buch des Frie-
dens (1896); Umfried, Friede auf Erden (1897);
Steinbach, Zur Friedensbewegung (1899); Fried,
Die Haager Konferenz, ihre Bedeutung u. ihre Er-
gebnisse (1900); Mulat, Die Friedensbewegung
(1902); Stengel, Der e. F. (1899, gegen die Mög-
lichkeit des Weltfriedens); Steinmetz, Der Krieg
als soziologisches Problem (Amsterd. 1899); Bloch,
Der Krieg (1899); Die Waffen nieder! Monats-
schrift zur Förderung der Friedensbewegung; hrsg.
von Baronin v. Suttner, wie der gleichnamige
Roman; J. Addams, Newer ldeals of Peace
(Lond. 1907); E. Faguet, Le Pacifisme (Par.
1908); Fried, Die zweite Haager Konferenz, Ar-
beiten, Ergebnisse, Bedeutung (1908); Nippold,
Die zweite Haager Friedenskonferenz l (1908);
Richet, Die Vergangenheit des Krieges und die Zu-
kunft des Friedens; übersetzt von B. v. Suttner
(1909). LLentner.)
Friedhöfe s. Kirchhöfe.
Fronden s. Grundlasten; vgl. auch Hörigkeit.
Fürsorgeerziehung. Die Entscheidung
über die Zukunft eines Volkes beruht bei dem her-
anwachsenden Geschlecht. Alle Kulturvölker haben
darum stets ihr besonderes Bemühen darauf ge-
richtet, die Jugend auf gute Bahnen zu leiten.
Den dazu angewandten Mitteln und Wegen blieb
der erhoffte Erfolg schon seit Jahrzehnten versagt.
Die wachsende Straffälligkeit der „Jugendlichen“,
d. h. solcher Minderjährigen, welche mehr als 12,
aber noch nicht über 18 Jahre alt sind, brachte
dies zu einem besorgniserregenden Ausdruck.
Verurteilungen Jugendlicher wegen
Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze er-
Friedhöfe — Fürsorgeerziehung.
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folgten nach der Reichskriminalstatistik für 1896
im Jahre 1882: 30697, 1896: 43962; das be-
deutete eine Steigerung von 43,2 %z 1897 be-
trug die Zahl 45 327, die Steigerung gegen 1882
47, 3%. Eine vorläufige Ermittlung ergab für das
Jahr 1898 eine weitere Steigerung. Aber nicht nur
absolut war die Steigerung, sondern auch relativ
im Verhältnis zur Bevölkerung. Auf 100 000
Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren ent-
fielen im Jahre 1882: 568 Verurteilungen,
1896: 697, Steigerung 22 %. Diese Tatsache
war um so bedenklicher, als das Anwachsen der
Kriminalität bei den Erwachsenen in demselben
Zeitraume absolut nur 34,1, relativ nur 16%
betrug. Auch die Art der strafbaren Handlungen,
an denen die Jugendlichen beteiligt waren, gab zu
den schwersten Bedenken Anlaß. Während die
Zahl der Verurteilungen wegen Diebstahls rela-
tiv in diesem Zeitraume annähernd gleichgeblieben
war — auf 100 000 Jugendliche entfielen 344
im Jahre 1882, 340 im Jahre 1896, Abnahme
1% —, stieg die Verhältniszahl der Verurtei-
lungen wegen gefährlicher Körperverletzung von
48 auf 102 — Zunahme 112,5% — die Ver-
urteilungen wegen Sachbeschädigung vermehrten
sich um 48 %, die Verurteilungen wegen Nötigung
und Bedrohung verdreifachten sich.
Die Rückfälligkeit der Jugendlichen,
von Jahr zu Jahr steigend, ließ die düstere Seite
des Zahlenmaterials besonders scharf in die Augen
springen. Darin bestätigte sich die Richtigkeit des
Satzes: Ce n’est que le premier pas, qdui coüte.
Darin lag aber auch der Hinweis auf den von
der Gesetzgebung im Kampfe gegen die wachsende
Straffälligkeit einzuschlagenden Weg.
Verhüten der Straftaten bverheißt mehr
Erfolg als Straftaten ahnden. Diese Wahr-
heit hatte in der bisherigen Gesetzgebung sowohl
des Deutschen Reiches wie der deutschen Bundes-
staaten keine ausreichende Beachtung gefunden.
Nach dem durch Art. 34, II des Einf.Ges. zum
B. G. B. inhaltlich aufrecht erhaltenen § 55 des
Str. G.B. war bei Straftaten solcher, die das
12. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, straf-
rechtliche Verfolgung ausgeschlossen. Dagegen
wurde es für landesrechtlich zulässig erklärt, solche
Strafunmündige zwecks Besserung und Beauf-
sichtigung auf Grund vormundschaftsgerichtlichen
Beschlusses in einer Familie, Erziehungs= oder
Besserungsanstalt unterzubringen. Fast alle deut-
schen Staaten haben dementsprechende Ausfüh-
rungsgesetze erlassen. Das preußische Gesetz be-
treffend die Unterbringung verwahrloster Kinder
vom 13. März 1878, nur gegen Straffällige im
Alter von 6 bis 12 Jahren gerichtet, erwies sich
als unzulänglich. Wirkungsvoller waren das ba-
dische Gesetz betreffend die staatliche Fürsorge für
die Erziehung verwahrloster jugendlicher Personen
vom 4. Mai 1886 und das hessische Gesetz vom
11. Juni 1887 betreffend die Unterbringung
jugendlicher Ubeltäter und verwahrloster Kinder.