Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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die F. Minderjähriger (1907); Wittig, Gesetz über 
die F. Minderjähriger v. 2. Juli 1900 (1901); 
Schultzenstein u. Köhne, Das deutsche Vormund- 
schaftsrecht und das preuß. Gesetz über die F. Min- 
derjähriger v. 2. Juli 1900 (1901); F. u. Armen- 
pflege, Berichte ivon Magistratsassessor Dr F. 
Schiller (Breslau), Landesrat H. Schmid (Düssel- 
dorf) u. Amtsgerichtsrat K. Köhne (Berlin) in den 
„Schriften des deutschen Vereins für Armenpflege“, 
64. Hft (1903); Horion, Die Abgrenzung der Be- 
fugnisse zwischen Provinzialverband, Vormund- 
schaftsgericht u. dem Inhaber der elterlichen Gewalt 
bzw. Vormund während der Dauer der F., in Gru- 
chots „Beiträge zur Erläuterung des deutschen 
Rechts' 47. Jahrg. (1903) S. 67/80; Statistik 
über die F. Minderjähriger u. über die Zwangs- 
erziehung Jugendlicher (§ 56 des Strafgesetzbuches) 
für das Rechnungsjahr 1902, 1903, 1904, 1905, 
1906, 1904/08; Verhandlungen über die Wirk- 
samkeit des F.sgesetzes. Konferenz der Zentralstelle 
für Jugendfürsorge in Berlin am 15. u. 16. Juni 
1906; Landsberg, Das Recht der Zwangs= u. F. 
(1908); Charles Collard, L'éducation protectrice 
de I’enfance en Prusse (Löwen 1908); Gaston 
Doncker, La protection des enfants maltraités et 
moralement abandonnés: commentaire théorique 
et pratique de la loi du 24 juillet 1889 (1894); 
Lagrange, Des enfants assistés en France; en- 
fants maltraités ou moralement abandonnés; 
commentaire de la loi du 24 juillet 1889 (1892); 
Code de Tenfance traduite en justice, contenant, 
avec Pindication sommaire de la doctrine, de la 
jurisprudence, des reglements et des circulaires, 
les articles des lois principales applicables aux 
mineurs de seize ans, publié par le Comité de 
défense des enfants traduits en justice de Paris 
(Par. 1904). l[Ludw. Schmitz.] 
Fürst, fürstliches Haus und Für- 
stenrecht. I. Allgemeiner Teil. In den mon- 
archischen Staaten ist der Monarch der Träger 
der Staatsgewalt, d. h. in seiner Hand vereinigt 
sich die ganze Fülle der Gewalten, welche der 
Staat überhaupt auszuüben imstande ist. Aber 
die Ausübung dieser Gewalt ist kein Privatrecht 
des Fürsten, sondern ist Gewalt des Staates, ge- 
schieht also lediglich zu Zwecken des Staates. Die 
Kompetenz der Krone ist also nicht ein dem Mon- 
archen persönlich gehörendes Recht. Während die 
modernen Staaten die Rechtskreise und Kompe- 
tenzen klar und scharf geschieden haben, fehlte dem 
Mittelalter der Begriff des Gemeinwesens und 
damit der Begriff des Staates. 
II. Geschichtliche Entwicklung. Während 
die Ostgermanen bei ihrem Eintritt in die Ge- 
schichte schon unter Königen standen, gehorchten 
die Völkerschaften der Westgermanen in Friedens= 
zeiten keiner einheitlichen Spitze, weder einem erb- 
lichen König noch einem gewählten Landesfürsten. 
Seit den Zeiten der Völkerwanderung dringt das 
Königtum fast überall durch; aber dieses germa- 
nische Königtum umfaßte mehr Ehren-als Hoheits- 
rechte, und der Schwerpunkt der Verfassung lag 
in der Volksversammlung. Charakteristisch ist 
diesem Königtum eine — wenn auch beschränkte — 
Erblichkeit: der König wurde zwar vom Volke ge- 
Fürst usw. 
  
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wählt, aber die Wahl war an ein bestimmtes Ge- 
schlecht, das erste oder königliche unter den Adelsge- 
schlechtern, gebunden; die Wahl der Gauvorstände, 
der principes, ist dagegen frei. In der germani- 
schen Urzeit hat wohl der Geschlechtsälteste eine 
hervorragende Führerrolle innegehabt, die er dann 
im Zeitalter der Wanderungen bisweilen an einen 
erkorenen Tausendführer abgeben mußte, der bei 
der Umwandlung der Tausendschaft zum Gau von 
der Landesgemeinde zum Gaufürsten — princeps, 
althochdeutsch und altsächsisch furisto — gewählt 
wurde. Die Wahl aber beschränkte sich auf den 
Kreis der adligen Geschlechter, wenn auch die Quel- 
len einen rechtlichen Anspruch dieser Geschlechter noch 
nicht kennen. Die Amtsdauer dieses furisto ging 
auf Lebenszeit, während die des Herzogs eine zeitlich 
begrenzte war. Die Gaufürsten zusammen mit den 
ihnen gleichstehenden Fürstengenossen ihrer Gaue 
bildeten den Fürstenrat. Königtum und Fürsten- 
amt haben die Grundlage gebildet für die Ent- 
stehung des Adels, der als von den Göttern ent- 
sprossen betrachtet wird (vgl. auch d. Art. Adel). 
Bei den Saliern hatte das Geschlecht der Me- 
rowinger alle konkurrierenden Geschlechter beseitigt 
und in sämtlichen Bezirken des Stammes das 
Gaukönigtum an sich gebracht. Während das 
fränkische Königtum den alten Geburtsadel aus- 
gerottet hatte, läßt sich sein Bestand bei einer Reihe 
von deutschen Stämmen zum Teil über die frän- 
kische Zeit hinaus feststellen. So bei den Sachsen 
und Bayern. Unterdessen bildete sich bei den 
Franken eine neue Aristokratie aus, die des Königs= 
dienstes und des Grundbesitzes, der Dienstadel der 
Antrustionen: qui in truste dominica sunt 
(ogl. d. Art. Adel Abschn. III). 
Um die Wende des 9. Jahrh. schob sich zwischen 
das Königtum und die gräfliche Gewalt eine neue 
politische Macht ein, das Stammesherzogtum, das 
Friedrich Barbarossa endgültig zertrümmerte. Ge- 
fährlicher ist dagegen den Grundlagen des Reiches 
ein anderer Prozeß geworden, die Ausbildung der 
Landesherrlichkeit oder Landeshoheit, die in der 
gräflichen Gewalt ihren eigentlichen Ausgangs- 
punkt hat. Die überall aufkommenden Immuni- 
täten führten zur Gauauflösung. Die Umwand- 
lung der Amter in erbliche Lehen gestaltete die 
Amtsbefugnisse zum nutzbaren Recht. Die auf 
Italien gerichtete Politik der deutschen Könige aus 
dem staufischen Hause leistete dem Emporkommen 
der Landesherrlichkeit mächtigen Vorschub. Diese 
Landeshoheit ist zunächst keine einheitliche, all- 
seitige, souveräne Gewalt, sie ist vielmehr durchaus 
eine Zusammensetzung verschiedenartigster Hoheiten 
und Rechte. Der Landesherr besitzt diese Landes- 
hoheit gewissermaßen wie eine Vermögensmasse, 
die ihm und seinem Hause erblich und eigentümlich 
gehört. Es fehlt der mittelalterlichen Landeshoheit, 
wie G. Anschütz (Deutsches Staaterecht, in Holtzen- 
dorffs Enzyklopädie II I#1904 565) sagt, „jede 
organschaftliche Struktur“. Das Land ist noch 
ganz Besitztum, noch gar nicht Staat.
	        
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