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für die Staatsverwaltung entstehen, zu bestimmen.
Ferner wird es bei der Bemessung darauf ankom-
men, ob die Mitwirkung der staatlichen Behörden
wesentlich im öffentlichen Interesse geschieht oder
überwiegend im Einzelinteresse; im ersteren Falle
werden die Gebührensätze niedriger, im letzteren
höher festgestellt werden können. Es findet dies
Anwendung z. B. auf die Reisekosten und Tage-
gelder für die tätig gewesenen Beamten, welche je
nach Lage der Sache vom Staat allein zu tragen
oder ganz oder teilweise von den einzelnen zurück-
zuerstatten sind.
Die Erhebung kann geschehen durch unmittel-
bare Einziehung der beanspruchten Gebühr (Zah-
lung im voraus oder nachträglich), und zwar an
bestimmten Hebestellen (z. B. Wegezölle, Brücken-
zölle), bei den Kassen der beteiligten Behörden
(3. B. Gerichtskassen); oder die Erhebung findet
statt durch Stempel. Man findet dabei die beiden
verschiedenen Einrichtungen: des Stempelpapiers,
welches für die schriftliche Aufzeichnung (Urkunde)
der der Gebühr unterliegenden Vorgänge benutzt
wird, oder man bedient sich der Stempelmarken,
welche auf die Schriftstücke aufgeklebt, und um
mißbräuchliche, wiederholte Benutzung zu verhin-
dern, durch Überschreiben oder sonstige Bezeich-
nungen kassiert, entwertet werden. Die Benutzung
des Stempels ist für die Verwaltung sowohl als
auch für die Abgabepflichtigen scheinbar bequem.
Da aber den letzteren die Befolgung der Vor-
schriften über die Stempelpflicht überlassen wird,
so müssen Kontrolleinrichtungen getroffen werden,
welche zu Belästigungen des Publikums führen,
und es müssen durch Strafandrohungen und Straf-
verhängungen die Einkünfte des Staates gesichert
werden. Dazu kommt, daß die Bemessung der
Höhe der Stempel nur ungefähr nach den dem
Staate erwachsenden besondern Kosten stattfinden
kann. Diese Mängel werden mehr oder weniger
vermieden bei der direkten Erhebung im einzelnen
Falle, wenn die Behörde den Gebührensatz den Vor-
schriften gemäß festsetzt und vom Pflichtigen einzieht.
Von den Gebühren werden unterschieden die
sog. Beiträge, welche von Beteiligten zur An-
lage oder Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen
geleistet werden, wenn der direkte oder indirekte
Nutzen der letzteren durch die gewöhnlichen Ge-
bühren gar nicht oder nicht im richtigen Verhältnis
berücksichtigt ist. Diese Beiträge können entweder
durch freiwillige, vertragsmäßige Übernahme ge-
regelt werden oder aber, wenn auch nur unter
besondern gesetzlich geregelten Voraussetzungen,
im Wege des Zwanges. Beispiele: Besondere Bei-
träge zu Wegebauten, Beiträge von Gemeinden
zur Beschaffung von Lokalen für Post usw., Grund
und Boden für Eisenbahnen u. dgl. als Voraus-
leistung, neben welcher dann noch die verhältnis-
mäßige Beteiligung an den Steuern verbleibt,
aus deren Erträgen die übrigen Kosten der betref-
fenden Einrichtung (Eisenbahnbau usw.) zu be-
streiten sind.
Staatslexikon. II. 3. Aufl.
Geburtsstatistik — Gefängniswesen.
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Ein großer Teil der Abgaben hatte ursprüng-
lich einen gebührenartigen Charakter. Neben den
aus dem Besitz des Staates herrührenden Ein-
nahmen wurden für die einzelnen Veranstaltungen
G. B. von Wegen, Brücken usw.) des Staates
(der Fürsten, der Grundherren usw.) Abgaben er-
hoben, die in fast allen mittelalterlichen Gemein-
wesen eine belästigende Ausdehnung genommen
haben. Die weitere Entwicklung des Staates, das
Bewußtsein, daß demselben eine ganze Reihe von
Aufgaben zufällt, zu welchen durch Steuern alle
beitragen ohne Rücksicht darauf, ob jeder einzelne
von jeder einzelnen stcatlichen Einrichtung un-
mittelbaren Gebrauch macht, führte dazu, daß die
Mannigfaltigkeit der Gebühren sich verminderte.
Die Gesetzgebung über das Gebührenwesen
ist nicht als solche durchweg erkenntlich gemacht,
auch dem Inhalte nach nicht immer ausgeschieden
aus dem gesamten Steuerwesen. Namentlich die
Gesetzgebung über das Stempelwesen umfaßt wohl
überall Steuern und Gebühren, indem die Form
der Erhebung als maßgebend angesehen wird. Im
Deutschen Reich ist eine Anzahl von Gebühren
bereits reichsgesetzlich geregelt (Gerichtsgebühren,
Eichgebühren, Patentgebühren usw., sodann
Steuern und Gebühren vermischt in der Stempel-
gesetzgebung).
Das sog. Gebührenäquivalent (Steuer-
äquivalent) hat mit den eigentlichen Gebühren nur
den Namen, nicht das Wesen gemein. Es ist dies
lediglich eine notwendige Ergänzung der Verkehrs-
besteuerung, eine Entscheidung für den Verlust,
den der Staat oder richtiger der Fiskus dadurch
erleidet, daß das in Betracht kommende (im-
mobile) Vermögen dem Ubergang von der einen
Person auf die andere (namentlich durch Todes-
fall) entzogen ist. Diese Abgabe wird in Bayern
und Osterreich alle 10 bis 20 Jahre erhoben, in
Frankreich kommt sie als Jahreszuschlag bei der
Grundsteuer in Anrechnung.
Literatur. Die Werke über Finanzwissen-
schaft behandeln sämtlich auch die Frage der G.
Insbesondere sind hervorzuheben: Wagner, Finanz-
wissenschaft I (21883) u. II (21890); Schönberg,
Handb. der polit. Okonomie III (11897) 103 bis
150, 744 (Schall); Pfeiffer, Die Staatseinnahmen
1 (1886); Schäffle, Grundsätze der Steuerpolitik
(1880); O. Ehlers, Die Stellung der G. im Ab-
gabensystem (Finanzarchiv XIII I18961); Klein-
wächter, G. u. Verkehrssteuern (Jahrbücher für
Nationalökonomie u. Statistik XXIX (1905)); M.
v. Heckel, Art. „G.“ im Handwörterb. der Staats-
wissenschaften u. im Wörterb. der Volkswirtschaft;
v. Mayr, Art. „G.“ in Stengels Wörterb. des
deutschen Verwaltungsrechts I (1890, Zusätze in den
3 Ergänzungsbänden); Koczynski, Untersuchungen
über ein System des österr. G. rechts (Finanzarchiv
XVlI1898.). Lv. Huene, rev. Sacher.)
Geburtsstatistik s. Bevölkerung.
Gefängniswesen. I. Geschichke. Im ger-
manischen Strafrecht der älteren Zeit trat die
Strafe der Freiheitsentziehung vor der Todes-
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