Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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für die Staatsverwaltung entstehen, zu bestimmen. 
Ferner wird es bei der Bemessung darauf ankom- 
men, ob die Mitwirkung der staatlichen Behörden 
wesentlich im öffentlichen Interesse geschieht oder 
überwiegend im Einzelinteresse; im ersteren Falle 
werden die Gebührensätze niedriger, im letzteren 
höher festgestellt werden können. Es findet dies 
Anwendung z. B. auf die Reisekosten und Tage- 
gelder für die tätig gewesenen Beamten, welche je 
nach Lage der Sache vom Staat allein zu tragen 
oder ganz oder teilweise von den einzelnen zurück- 
zuerstatten sind. 
Die Erhebung kann geschehen durch unmittel- 
bare Einziehung der beanspruchten Gebühr (Zah- 
lung im voraus oder nachträglich), und zwar an 
bestimmten Hebestellen (z. B. Wegezölle, Brücken- 
zölle), bei den Kassen der beteiligten Behörden 
(3. B. Gerichtskassen); oder die Erhebung findet 
statt durch Stempel. Man findet dabei die beiden 
verschiedenen Einrichtungen: des Stempelpapiers, 
welches für die schriftliche Aufzeichnung (Urkunde) 
der der Gebühr unterliegenden Vorgänge benutzt 
wird, oder man bedient sich der Stempelmarken, 
welche auf die Schriftstücke aufgeklebt, und um 
mißbräuchliche, wiederholte Benutzung zu verhin- 
dern, durch Überschreiben oder sonstige Bezeich- 
nungen kassiert, entwertet werden. Die Benutzung 
des Stempels ist für die Verwaltung sowohl als 
auch für die Abgabepflichtigen scheinbar bequem. 
Da aber den letzteren die Befolgung der Vor- 
schriften über die Stempelpflicht überlassen wird, 
so müssen Kontrolleinrichtungen getroffen werden, 
welche zu Belästigungen des Publikums führen, 
und es müssen durch Strafandrohungen und Straf- 
verhängungen die Einkünfte des Staates gesichert 
werden. Dazu kommt, daß die Bemessung der 
Höhe der Stempel nur ungefähr nach den dem 
Staate erwachsenden besondern Kosten stattfinden 
kann. Diese Mängel werden mehr oder weniger 
vermieden bei der direkten Erhebung im einzelnen 
Falle, wenn die Behörde den Gebührensatz den Vor- 
schriften gemäß festsetzt und vom Pflichtigen einzieht. 
Von den Gebühren werden unterschieden die 
sog. Beiträge, welche von Beteiligten zur An- 
lage oder Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen 
geleistet werden, wenn der direkte oder indirekte 
Nutzen der letzteren durch die gewöhnlichen Ge- 
bühren gar nicht oder nicht im richtigen Verhältnis 
berücksichtigt ist. Diese Beiträge können entweder 
durch freiwillige, vertragsmäßige Übernahme ge- 
regelt werden oder aber, wenn auch nur unter 
besondern gesetzlich geregelten Voraussetzungen, 
im Wege des Zwanges. Beispiele: Besondere Bei- 
träge zu Wegebauten, Beiträge von Gemeinden 
zur Beschaffung von Lokalen für Post usw., Grund 
und Boden für Eisenbahnen u. dgl. als Voraus- 
leistung, neben welcher dann noch die verhältnis- 
mäßige Beteiligung an den Steuern verbleibt, 
aus deren Erträgen die übrigen Kosten der betref- 
fenden Einrichtung (Eisenbahnbau usw.) zu be- 
streiten sind. 
Staatslexikon. II. 3. Aufl. 
  
Geburtsstatistik — Gefängniswesen. 
  
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Ein großer Teil der Abgaben hatte ursprüng- 
lich einen gebührenartigen Charakter. Neben den 
aus dem Besitz des Staates herrührenden Ein- 
nahmen wurden für die einzelnen Veranstaltungen 
G. B. von Wegen, Brücken usw.) des Staates 
(der Fürsten, der Grundherren usw.) Abgaben er- 
hoben, die in fast allen mittelalterlichen Gemein- 
wesen eine belästigende Ausdehnung genommen 
haben. Die weitere Entwicklung des Staates, das 
Bewußtsein, daß demselben eine ganze Reihe von 
Aufgaben zufällt, zu welchen durch Steuern alle 
beitragen ohne Rücksicht darauf, ob jeder einzelne 
von jeder einzelnen stcatlichen Einrichtung un- 
mittelbaren Gebrauch macht, führte dazu, daß die 
Mannigfaltigkeit der Gebühren sich verminderte. 
Die Gesetzgebung über das Gebührenwesen 
ist nicht als solche durchweg erkenntlich gemacht, 
auch dem Inhalte nach nicht immer ausgeschieden 
aus dem gesamten Steuerwesen. Namentlich die 
Gesetzgebung über das Stempelwesen umfaßt wohl 
überall Steuern und Gebühren, indem die Form 
der Erhebung als maßgebend angesehen wird. Im 
Deutschen Reich ist eine Anzahl von Gebühren 
bereits reichsgesetzlich geregelt (Gerichtsgebühren, 
Eichgebühren, Patentgebühren usw., sodann 
Steuern und Gebühren vermischt in der Stempel- 
gesetzgebung). 
Das sog. Gebührenäquivalent (Steuer- 
äquivalent) hat mit den eigentlichen Gebühren nur 
den Namen, nicht das Wesen gemein. Es ist dies 
lediglich eine notwendige Ergänzung der Verkehrs- 
besteuerung, eine Entscheidung für den Verlust, 
den der Staat oder richtiger der Fiskus dadurch 
erleidet, daß das in Betracht kommende (im- 
mobile) Vermögen dem Ubergang von der einen 
Person auf die andere (namentlich durch Todes- 
fall) entzogen ist. Diese Abgabe wird in Bayern 
und Osterreich alle 10 bis 20 Jahre erhoben, in 
Frankreich kommt sie als Jahreszuschlag bei der 
Grundsteuer in Anrechnung. 
Literatur. Die Werke über Finanzwissen- 
schaft behandeln sämtlich auch die Frage der G. 
Insbesondere sind hervorzuheben: Wagner, Finanz- 
wissenschaft I (21883) u. II (21890); Schönberg, 
Handb. der polit. Okonomie III (11897) 103 bis 
150, 744 (Schall); Pfeiffer, Die Staatseinnahmen 
1 (1886); Schäffle, Grundsätze der Steuerpolitik 
(1880); O. Ehlers, Die Stellung der G. im Ab- 
gabensystem (Finanzarchiv XIII I18961); Klein- 
wächter, G. u. Verkehrssteuern (Jahrbücher für 
Nationalökonomie u. Statistik XXIX (1905)); M. 
v. Heckel, Art. „G.“ im Handwörterb. der Staats- 
wissenschaften u. im Wörterb. der Volkswirtschaft; 
v. Mayr, Art. „G.“ in Stengels Wörterb. des 
deutschen Verwaltungsrechts I (1890, Zusätze in den 
3 Ergänzungsbänden); Koczynski, Untersuchungen 
über ein System des österr. G. rechts (Finanzarchiv 
XVlI1898.). Lv. Huene, rev. Sacher.) 
Geburtsstatistik s. Bevölkerung. 
Gefängniswesen. I. Geschichke. Im ger- 
manischen Strafrecht der älteren Zeit trat die 
Strafe der Freiheitsentziehung vor der Todes- 
14
	        
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