Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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kommen ist. Liegt auch in dem Umstand, daß in 
einigen Stellen der Pastoralbriefe (Tit. 1, 7; 
1 Tim. 3, 2) der episcopus in der Einheit von 
der Mehrheit der Diakonen und Presbyter unter- 
schieden wird (F. Chr. Baur, Das Christentum und 
diechristl. Kirche der drei ersten Jahrhunderte 275), 
hierfür keine ausreichende Beweiskraft, so dürfte 
diese kaum jener Tatsache abgesprochen werden 
können, daß Timotheus ausgerüstet erscheint 
mit der vollen apostolischen Gewalt, mit derselben 
Autorität, welche der hl. Paulus selbst in Ephesus 
ausgeübt haben würde, und daß der Apostel aus- 
drücklich hervorhebt, er solle das Uberkommene be- 
wahren bis zur Wiederkunft Christi (1 Tim. 6, 14). 
Mit diesem Zusatz ist der Gedanke an eine bloß 
transitorische Ausübung der ihm verliehenen Ge- 
walt oder an eine mit dem Ableben des Apostels 
aufhörende Stellvertretung abgewiesen. 
Wenn dann der Apostel Paulus die Altesten 
der Kirche Ephesus nach Milet beruft (Apg. 20, 
17—38), um an sie im Vorgefühl seines nahen 
Todes ein letztes Abschiedswort der Mahnung und 
Ermunterung zu richten, und sie Bischöfe nennt, 
eingesetzt vom Heiligen Geiste, zu regieren die 
Kirche, so möchte exegetisch die Folgerung nicht 
beanstandet werden können, daß es sich hier um 
vom Apostel bestellte Bischöfe handelt, die als 
Vorsteher der kleinasiatischen Kirchen, gleich Ti- 
motheus in Ephesus, fortan in der Art und in 
dem Umfang ihre Führungs= und Leitungsgewalt 
in den ihnen zugewiesenen Gemeinden betätigen 
sollten, wie dies bisher von ihm selbst direkt oder 
indirekt geschehen war. (Der hiergegen unter Hin- 
weis auf V. 17 gemachte Einwurf, daß die um 
den hl. Paulus versammelten Männer nur Priester 
der einen Kirchengemeinde Ephesus gewesen seien, 
findet seine Widerlegung in dem V. 25, wo der 
Apostel sagt: vos omnes, per quos transivi, 
praedicans regnum Dei.) 
In ganz bestimmten und unverkennbaren Zügen 
zeigt uns dies aber die Apokalypse in den Vor- 
stehern der sieben Gemeinden, in der propheti- 
schen Sprache Engel genannt. Dieselben erscheinen 
hier als das eigentliche Lebensorgan in ihren be- 
züglichen Gemeinden und betätigen eine Autorität, 
wie sie nur die Apostel als Träger des apostolischen 
Amtes ausgeübt hatten, was schon in der inhalt- 
lich gleichen Benennung angedeutet liegt. — Ein 
weiteres Zeugnis bietet der dritte Brief des 
hl. Johannes. Nach V. 9 und 10 nimmt Dio- 
trephes eine Stellung ein, wie sie den gleich an- 
fänglich eingesetzten Priesterepiskopen und Diakonen 
nicht zukam, und erscheint mit einer Autorität be- 
kleidet, wie sie von den Aposteln selbst betätigt 
wurde; denn nur unter dieser Voraussetzung wird 
es erklärlich, daß er seine Anordnungen selbst im 
Widerspruch mit dem hl. Johannes mit Erfolg 
durchsetzen konnte. « 
Muß man angesichts solcher Andeutungen in 
der Heiligen Schrift zu dem unabweislichen 
Schluß kommen, daß die Apostel gegen Ende 
Episkopat. 
  
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ihrer irdischen Laufbahn sich in den von ihnen 
begründeten Gemeinden Nachfolger bestellt haben, 
so wird dieser durch mannigfache und vollgewich- 
tige historische Zeugnisse in wundersamer 
Übereinstimmung und gegenseitiger Ergänzung 
ausdrücklich bestätigt. Das älteste derselben ist 
in dem Brief des römischen Klemens an die Ge- 
meinde zu Korinth enthalten. Hier werden nach 
Kapitel 42 und 44 zwei von den Aposteln aus- 
gegangene Verordnungen scharf unterschieden: die 
erste bestand in der Einsetzung von Priestern oder 
Bischöfen und Diakonen, welche sie als Gehilfen 
in den neubegründeten Gemeinden im Interesse 
eines fortdauernden Unterrichts, einer ununter- 
brochenen Heilsspendung und geordneten äußern 
Lebensgemeinschaft vertraten; die zweite aber darin, 
daß sie Männer bestellten, auf welche nach ihrem 
Tod ihr eigener Beruf, ihre eigene Vollmacht und 
Sendung überging und die darum nicht, wie jene, 
ihre Gehilfen und Vertreter, sondern ihre Nach- 
folger waren. Dieses Klementinische Zeugnis er- 
hält noch eine zusätzliche Verstärkung in den Frag- 
menten des hl. Irenäus (Fragm. 2), wo ganz 
dieselbe Unterscheidung gemacht und von zwei- 
maligen Anordnungen der Apostel allerdings nur 
allgemein, aber doch in einer Weise gesprochen 
wird, daß unter der einen nur die Einsetzung von 
Nachfolgern verstanden werden kann (Rothe, Die 
Anfänge der christlichen Kirche u. ihrer Verfassung 
361/374), also das, was Irenäus Adv. haer. 
1. 3, c. 3, 8 1 berichtet: „Sie hinterließen Nach- 
folger und übertrugen denselben ihr eigenes Lehr- 
amt.“ Klemens von Alexandrien aber erzählt in 
seiner Schrift Quis dives salvetur? c. 42 vom 
hl. Johannes, daß er von Patmos nach Ephesus 
zurückgekehrt und zu den Bewohnern der benach- 
barten Provinzen gegangen sei, teils um Bischöfe 
einzusetzen, teils um die ihm vom Heiligen Geist 
bezeichneten Männer zu Klerikern zu weihen. Daß 
Klemens hier seine subjektive Auffassung in das 
ursprüngliche Faktum hineingetragen habe und die 
von ihm als Bischöfe erwähnten Männer Priester- 
bischöfe gewesen seien, kann um so weniger ein- 
gewendet werden, als einer der von Johannes 
eingesetzten Bischöfe mit Namensnennung auf- 
geführt wird, nämlich Polykarp von Smyrna, 
der doch zweifelsohne in der wohlbeglaubigten 
Geschichte als Nachfolger der Apostel dasteht und 
von dem Irenäus (Adv. haer. 1. 3, c. 3, § 4) 
ausdrücklich bezeugt, daß er durch Johannes zum 
Bischof von Smyrna bestellt sei. 
Unter solchen Umständen müssen die Versiche- 
rungen, denen wir schon in der vorchprianischen 
Zeit bei kirchlichen und sogar häretischen Schrift- 
stellern begegnen, daß die Bischöfe von den 
Aposteln als ihre Nachfolger eingesetzt seien, eine 
ganz andere Bedeutung haben als die einer im 
hierarchischen Interesse erfundenen und wieder- 
holten Fabel. Aber auch selbst dann, wenn man 
diesen historischen Zeugnissen keinen entscheidenden 
Wert beimessen und von ihnen als unsichern und
	        
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