Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

423 Gefängniswesen. 424 
3. Festungshaft, lebenslänglich oder zeitig zur Vollstreckung von Zwangshaft und Ordnungs- 
(1 Tag bis 15 Jahre), besteht in Freiheitsent- strafen. Neben den Kriminalgefängnissen gibt es 
ziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und noch polizeiliche Korrektionsanstalten 
Lebensweise des Gefangenen. Die Vollstreckung (Arbeitshäuser) für die der Landespolizeibehörde 
erfolgt entweder in Festungen oder in andern da= überwiesenen Bettler, Landstreicher und Dirnen, 
zu bestimmten Räumen. Zioilgefängnisse zur Vollziehung der Straf- 
4. Haft, von 1 Tag bis zu 6 Wochen bzw. und Zwangshaft gegen Zeugen und Parteien, 
3 Monaten (bei Realkonkurrenz), besteht in ein= welche in Zivil-, Straf= und Verwaltungsprozessen 
facher Freiheitsentziehung. gewisse ihnen obliegende Pflichten nicht erfüllen, 
Zuchthaus und Gefängnishaft können sowohl sowie zum Vollzuge des Sicherheitsarrestes und 
für die ganze Dauer wie für einen Teil der er= der Konkurshaft, und Polizeigefängnisse 
kannten Strafhaft in der Weise in Einzelhaft voll= zur Unterbringung von Personen, deren Verhaf- 
zogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt von tung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sitt- 
andern Gefangenen gesondert gehalten wird. Die lichkeit, Sicherheit und Ruhe sowie zum eigenen 
Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen Schutze derselben (z. B. zur Verhütung der Wieder- 
die Dauer von 3 Jahren, bei Jugendlichen ohne holung eines Selbstmordversuches) geboten er- 
Genehmigung der Aufsichtsbehörde 3 Monate nicht scheint, ferner von Schüblingen, Ausgewiesenen, 
übersteigen. welche dem Ausweisungsbefehl nicht in der gesetz- 
Die zu einer längeren Zuchthaus= oder Gefäng= lichen Frist Folge leisteten, und Auszuliefernden. 
nisstrafe Verurteilten können, wenn sie drei Vier= Auch dienen die Polizeigefängnisse zum Vollzuge 
teile, mindestens. aber ein Jahr der ihnen auf= polizeilicher Ordnungs= und Zwangsmaßregeln 
erlegten Strafe verbüßt, sich auch während dieser sowie zur Verbüßung der durch polizeiliche Straf- 
  
  
  
Zeit gut geführt haben, mit ihrer Zustimmung 
vorläufig entlassen werden. Die vorläufige 
Entlassung kann bei schlechter Führung des Ent- 
lassenen, oder wenn derselbe den ihm bei der Ent- 
lassung auferlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt, 
jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf hat 
die Wirkung, daß die seit der vorläufigen Ent- 
lassung bis zur Wiedereinlieferung verflossene Zeit 
auf die festgesetzte Strafdauer nicht angerechnet 
wird. Der Beschluß über die vorläufige Entlassung 
sowie über einen Widerruf ergeht von der obersten 
Justizaufsichtsbehörde. Vor dem Beschluß über 
die Entlassung ist die Gefängnisverwaltung zu 
hören. Die einstweilige Festnahme vorläufig Ent- 
lassener kann aus dringenden Gründen des öffent- 
lichen Wohles von der Polizeibehörde des Ortes, 
in welchem der Entlassene sich aufhält, verfügt 
verfügungen festgesetzten Haftstrafen. 
Mit Rücksicht auf den Einlieferungsbezirk 
werden Landes-, Provinzial-, Bezirks-, Kreis- 
und Ortsgefängnisse unterschieden, mit Rücksicht 
auf die bürgerliche Stellung der Ver- 
urteilten Anstalten für militärische Personen (Ar- 
rest usw.) gesondert von denjenigen für nicht mili- 
tärische Rechtsbrecher. Hinsichtlich des Geschlechts 
der Verurteilten sind Weiber stets getrennt von 
Männern entweder in eigenen Gefängnissen oder 
doch wenigstens in räumlich getrennten Abteilungen 
zu halten, ebenso sollen für jugendliche Straf- 
gefangene (unter 18 Jahren) besondere Anstalten 
oder Häuser vorhanden sein, mindestens aber müssen 
für diese in Gefängnissen besondere Abteilungen 
-ingerichtet sein. Zuchthaussträflinge sollen stets 
getrennt von andern Gefangenen gehalten werden. 
werden. Der Beschluß über den endgültigen Was die Art der Detention anlangt, unter- 
Widerruf ist sofort nachzusuchen. Führt die einst= scheidet man Zellengefängnisse und Gemeinschafts- 
weilige Festnahme zu einem Widerrufe, so gilt anstalten. Die meisten größeren Anstalten im 
dieser als am Tage der Festnahme erfolgt. Ist. Deutschen Reiche enthalten Einrichtungen für Ge- 
die festgesetzte Strafzeit abgelaufen, ohne daß ein meinschafts= und Einzelhaft. 
Widerruf der vorläufigen Entlassung erfolgt ist, V. Der eigentliche Strafvollzug, insbe- 
so gilt die Freiheitsstrafe als verbüßt. sondere der Vollzug der Freiheitsstrafen wie das 
Bei Strafen von 4 Monaten bis zu 1 Jahr Gefängniswesen überhaupt ist reichsgesetzlich noch 
können in einzelnen Bundesstaaten (z. B. in nicht geregelt. Ansätze hierzu finden sich hinsicht- 
Baden) Gefangene nach Verbüßung von ¼ der lich der Todesstrafe sowie der Geldstrafen und 
auferlegten Strafe in Analogie der vorläufigen Bußen in den 8§ 485 ff. 495 St. P.O., hinsichtlich 
Entlassung unter bestimmten Voraussetzungen auf der Freiheitsstrafen in §§ 15 ff, 362 R.St.G. B. 
Wohlverhalten beurlaubt werden. Schlechte Über die Untersuchungshaft trifft die St. P.O. 
Führung während der 5jährigen Bewährungsfrist eine Reihe von Bestimmungen. In der Hauptsache 
hat Widerruf des Urlaubs zur Folge (vgl. d. Art. aber hat der Strafvollzug bis heute eine gesetz- 
Begnadigung, bedingte). liche Reglung nicht gefunden. Seine Gestaltung 
Der Vollzug genannter Strafen erfolgt in sog. erfuhr er bisher durch die Landesregierungen im 
Kriminalgefängnissen, die teils Straf-Verordnungswege. Die Bemühungen der 
teils Untersuchungsgefängnisse sind. Meist dient Reichsregierung um die gesetzliche Reglung des 
dieselbe Anstalt zur Aufnahme vorläufig Fest= Strafvollzugs (vgl. Gesetzentwurf von 1879 mit 
genommener und Untersuchungsgefangener, zur Motiven) sind bis jetzt an der Kostenfrage (die 
Verbüßung von Gefängnis= und Haftstrafen und auf 80/100 Mill. M veranschlagt war) gescheitert.
	        
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