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immerhin mehrdeutigen Angaben ganz absehen
wollte, würde sich nichtsdestoweniger die Gewiß-
heit jener Tatsache auf anderem Weg unabweis-
bar feststellen lassen. Wir brauchen nur einen
unbefangenen Blick auf die Gestalt und die Organi-
sation zu richten, in der uns das christliche Ge-
meinschaftsleben oder die Kirche in der unmittelbar
nachapostolischen Zeit entgegentritt, und dabei uns
die Frage vorzulegen, welches in dem vor uns
stehenden Bild die Organe sind, durch welche die
wesentlichen Lebensbewegungen und Funktionen
vermittelt werden, um die Antwort zu erhalten,
daß es ganz dieselben Grundorgane sind wie früher,
nur mit dem rein äußern und akzidentellen Unter-
schied, daß sie nicht Apostel, sondern Bischöfe
genannt werden. Die Bischöfe sind eben an die
Stelle der Apostel getreten, und dieser Personen-
wechsel oder dieses Eintreten der Bischöfe in die
Stelle der Apostel oder des Episkopats in jene des
Apostolats konnte nur durch einen vermittelnden
Akt der Apostel selbst geschehen.
Schon aus dem oben angeführten Brief des
römischen Klemens ist dies ersichtlich. Er unter-
scheidet drei Amter: den Apostolat, wie ihn die
Apostel und nach ihrem Tode die von ihnen er-
nannten bewährten Männer ausübten; das Amt
der Priester oder Bischöfe; und das Amt der
Diakonen. Wenn er die Träger des ersten Amts
noch nicht Bischöfe nennt, sondern dieses Wort
noch als gleichbedeutend mit Presbyter auffaßt,
so kann dies um so weniger ins Gewicht fallen,
als ja die Sache klar bezeichnet erscheint und die
betreffende Terminologie sich erst einige Jahre
später und allmählich fixiert hat. Ganz denselben
kirchlichen Verfassungszustand finden wir geschil-
dert in dem „Hirten des Hermas“ (I. 1, c. 2), wo
dieselben drei Amter, wenngleich unter anderer
Benennung, unterschieden werden, wobei es na-
mentlich von Bedeutung ist, daß die Träger des
ersten Amts, des Episkopats, Apostel und Bischöfe
genannt sind und damit beide in voller Identität
erscheinen. Dem Wert dieser Darstellung tut es
gar keinen Eintrag, ob die Schrift im letzten
Jahrzehnt des 1. oder im vierten Jahrzehnt des
2. Jahrh. abgefaßt ist, und ob der Verfasser
Bischof, Priester oder Laie war, da es sich nicht
um ein einzelnes geschichtliches Faktum, sondern
um organische Einrichtungen, um kirchliche Ver-
fassungszustände handelt, welche der Verfasser die
ganze Zeit seines Lebens vor Augen hatte.
Das bedeutsamste und wahrhaft überwältigende
Zeugnis gewähren uns jedoch die sieben Briefe,
welche der hl. Ignatius, Bischof von Antio-
chien, auf seiner Reise nach Rom im Jahr 114
vom 24. Aug. bis zum 30. Dez. an Kirchen-
gemeinden gerichtet hat. Mit der alleinigen Aus-
nahme des Briefes an die Römer ziehen sich durch
alle andern Briefe als gemeinsames Grundthema
drei leitende Gedanken: die Warnung vor der
drohenden Gefahr aus dem Kreis der Häretiker,
die Ermahnung zur Bewahrung der kirchlichen
Staatslexikon. II. 8. Aufl.
Episkopat.
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Einheit und zum festen Beharren in derselben, und
deshalb die Aufforderung zum unverbrüchlichen
Sichanschließen an die Bischöfe und die mit diesen
unzertrennlich verbundenen Priester und Diakonen.
Dieselben sind auf das engste miteinander ver-
flochten. Der Schwerpunkt der paränetischen Ar-
gumentationen fällt ganz überwiegend in das letzte
Moment, wie dies namentlich in seiner ganzen
Tragweite und fundamentalen Bedeutung in aller-
dings knapper und einfacher, aber sehr anschau-
licher und energischer Ausdrucksweise in den Briefen
an die Magnesier (c. 6), an die Philadelphier
(c. 4, 7, 10), an die Smyrnäer (c. 8) und an die
Trallenser (c. 3) hervortritt. Hier sagt der hl. Igna-
tius, daß der Bischof an Gottes Stelle in der
Kirche steht und die Gläubigen sich an ihn, den
sichtbaren Mittelpunkt des Glaubens und der
Liebe, so anzuschließen und so unverbrüchlich mit
ihm die Einheit zu bewahren haben, wie mit dem
unsichtbaren, weil mit diesem keine Verbindun
möglich ist ohne jenen; wo der Bischof ist, da soll
auch das Volk sein, gleichwie, wo Jesus Christus
ist, auch die Kirche ist; denn wo kein Bischof ist
und mithin auch die Presbyter und Diakonen
fehlen, da besteht auch gar keine Kirche, d. h. keine
kirchliche, der Kirche angehörige Gemeinde. Wie
sehr dem hl. Ignatius der Episkopat das eigent-
liche Zentralorgan der kirchlichen Wirksamkeit, der
eigentliche Träger aller kirchlichen Lebensfunktionen
ist, das möchte wohl am schärfsten in dem Brief
an die Smyrnäer ausgesprochen sein, demgemäß
kein liturgischer Akt, keine Spendung, kein Emp-
fang der Sakramente als rechtmäßig vollzogen
angesehen werden kann, wenn dies nicht in Ge-
meinschaft mit dem Bischof, unter seiner Mit-
wirkung oder Autorisation geschieht. Hieraus
ergibt sich deutlich, daß die Tradition der Lehre
Christi in ausschließlicher Weise an die Bischöfe
geknüpft ist, so daß die reine christliche Lehre nur
bei den Bischöfen zu finden ist und von ihnen be-
wahrt wird. Nach den Aussprüchen des hl. Igna-
tius sind die Bischöfe die Repräsentanten und
Organe der kirchlichen Einheit, Bewahrer und
Verkünder der Lehre Christi, Spender und Ver-
walter der göttlichen Gnaden= und Heilsmittel
und als solche die unmittelbaren Repräsentanten,
Bevollmächtigten und Organe Gottes. In ihnen
hat sich Christus sozusagen vervielfältigt; in ihnen
hat er sich innerhalb des Bereichs der Christenheit
eine sinnlich wahrnehmbare, fortdauernde Präsenz
gegeben; in allen Gemeinden ist er es wesentlich,
der in dem Bischof handelt; er steht an der Spitze
jeder einzelnen Gemeinde, wenngleich mittels indi-
viduell verschiedener Repräsentanten und Organe.
Alles, was Ignatius in seinen Briefen sagt, wurzelt
in dem Grundgedanken, in dem Fundamentalsatz,
daß der Episkopat wesentlich der Apostolat ist, daß
mit andern Worten die Bischöfe die 2))6 1#0#6
võpec des hl. Klemens, d. h. die für das Regi-
ment der Kirche rechtmäßig verordneten Männer
sind, von den Aposteln durch eine spätere, gleichsam
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