Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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fassung durch das Allgemeine Landrecht in weitem 
Maße Rechnung getragen. Noch weiter wurde 
sie ausgebildet durch die Evangelische Kirchen- 
gemeinde= und Synodalordnung für die sechs öst- 
lichen Provinzen vom 10. Sept. 1873 und die 
Lan diese sich anschließende Gesetzgebung. Dieselbe 
Grundanschauung herrscht in den Gesetzgebungen 
über die protestantischen Gemeinden in Bayern 
und Osterreich-Ungarn, im einzelnen jedoch mit 
vielen Verschiedenheiten. Für Osterreich vgl. na- 
mentlich das kaiserliche Patent vom 8. April 1861 
und die Verfassung der evangelischen Kirche vom 
23. Jan. 1866. 
Literatur. Strutz, Kommunalverbände 
(1888); Jolly, Art. „G.“ (Allgemeines) in v. Sten- 
gels Wörterbuch des deutschen Verwaltungsrechts I 
(1889), 1. u. 3. Erg.-Bd (1892 u. 1897); ders., Art 
„G. bezirk, G. verwaltung“ in v. Stengels Wörterbuch 
1 (1889); v. Stengel, Art. „Gutsbezirk“ in dessen 
Wörterbuch 1 (1889), 1. u. 3. Erg.-Bd (1892 u. 
1897); v. Reitzenstein, Art. „G.anlehen, G. gebühren, 
Glhaushalt, G.steuern, G. vermögen“ in v. Stengels 
Wörterb. 1 (1889); Boldt, Ländl. G.wesen (1890); 
Genzmer, Gutsbezirke (1891); Seuffert, Art. „G.= 
gerichte“ in v. Stengels Wörterbuch, 2. Erg.-Bd 
(1893); Blodig, Die Selbstverwaltung als Rechts- 
begriff (1894); v. Benz, Autonomie u. Zentralismus 
in der G. (1895); Damaschke, Soziale Streitfragen 
auf kommunalem Gebiet (1895); Die Aufgaben von 
Staat u. G. in der Wohnungsfrage, hrsg. vom Ver- 
ein „Arbeiterwohl" (1897); Schoen, Das Recht der 
Kommunalverbände in Preußen (1897); Jastrow, 
Die Einrichtung von Arbeitsnachweisen (21900); 
Adickes, Die Wohnungsfrage u. die städtischen Ver- 
waltungen (1901); Jäger, Die Wohnungsfrage 
(2 Bde, 1902/03); Hue de Grais, Kommunalver- 
bände in Preußen (1905); Eberstadt, Die Speku= 
lation im neuzeitl. Städtebau (1906); Lindemann, 
Städteverwaltung u. Munizipalsozialismus in 
England (21906); ders., Die deutsche Städtever- 
waltung. Ihre Aufgabe für die Volkshygiene, den, 
Städtebau u. das Wohnungswesen (21906); Trim- 
born u. Thissen, Soziale Tätigkeit der G.n (31906); 
Mangoldt, Die städt. Bodenfrage (1907); Eber- 
stadt, Die städt. Bodenparzellierung in England im 
Vergleich mit Deutschland (1908); Kinne, Die 
Autonomie der Kommunalverbände in Preußen 
(1908); Preuß, Selbstverwaltung, G., Staat, 
Souveränität (1908); v. Heckel, Art. „Anleihen“, in 
Conrads Handwörterb. der Staatswissenschaften 1 
(31909). — Pölnitz, Selbstverwaltung der G.n 
Bayerns (1891); Hartmann, Die gemeindl. Ar- 
beitsvermittlung in Bayern (1900).— Weinheimer, 
Württemb. G.verwaltung (1880). — Handbücher 
für österr. G.en: Hämmerle (1884), Wintersberger 
(1885); Ulbrich, Lehrb. des österr. Verwaltungs- 
rechts (1904); Gluth, Art. „G.n (G.verwaltung)“, 
Gemeindebürger. 
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Gemeindebürger. 1. In politischer 
Beziehung. Nach dem das heutige Staatsrecht be- 
herrschenden Grundsatz: Quod est in territorio, 
est de territorio, ist jeder Mensch den Gesetzen 
desjenigen Staates und auch derjenigen Gemeinde 
unterworfen, auf deren Gebiet er sich augenblick- 
lich aufhält. Dagegen genießt er den Schutz und 
die Vorteile der am Orte bestehenden Rechtsord- 
nung. Diese aus dem einfachen Aufenthalt 
hergeleitete, vorübergehende Unterworfenheit wird 
gesteigert, wenn der Aufenthalt sich zu dauernder 
Niederlassung ausdehnt, wenn also ein Orts- 
fremder seinen Wohnsitz an einem bestimmten 
Orte aufschlägt. Dadurch tritt er zu seiner Wohn- 
sitzgemeinde in eine gewisse rechtliche Beziehung, 
welche ihren Ausdruck findet in dem häufig wieder- 
kehrenden Satz der Gemeindeordnungen: „Zur 
Gemeinde gehören alle Einwohner des Gemeinde- 
bezirks.“ Ein Ausfluß dieser Zugehörigkeit ist es, 
daß jeder Einwohner, ob Inländer oder Aus- 
länder, ob männlich oder weiblich, ob volljährig 
oder minderjährig, an der Benutzung der Ge- 
meindeanstalten teilnehmen kann und an den 
Lasten der Gemeinde, namentlich der Steuerzah- 
lung, teilzunehmen hat. Sie begründet nur Pflich- 
ten, keine subjektiven Rechte, namentlich keinerlei 
Anteil am Gemeindevermögen und an der Ver- 
waltung der Gemeinde. Diese Einwohner sind 
rein passive Zugehörige der Gemeinde. Nicht ein- 
mal das Recht des Aufenthalls ist für sie ein un- 
bedingtes. Ausländer können ausgewiesen werden, 
und Inländer wenigstens dann, wenn sie hilfs- 
bedürftig werden (8 5 des Freizügigkeitsgesetzes 
3 J 
JXIECDETLIG 
  
  
  
  
  
  
vom 1. Nov. 1867). 
Von der Eigenschaft als Gemeindebürger kann 
man erst bei denjenigen Einwohnern der Gemeinde 
sprechen, deren Zugehörigkeit zur Gemeinde ihnen 
eine irgendwelche feste Rechtsstellung in derselben 
gewährt, zunächst das Recht, sich dauernd in der 
Gemeinde auszuhalten. Es ist bedingt durch den 
Erwerb des Unterstützungswohnsitzes, 
in Bayern der Heimat (s. d. Art.). Mit dem- 
selben ist verknüpft das Recht auf Gewährung 
des notwendigsten Unterhaltes im Falle der Be- 
dürftigkeit durch die Gemeinde. Dasselbe ist 
grundsätzlich auf Reichsangehörige beschränkt. Die- 
sen aber steht der Erwerb desselben nach Art. 3 
der Reichsverfassung unter den gesetzlichen Be- 
dingungen als ein Recht zu. Das Recht des 
Unterstützungswohnsitzes oder der Heimat ist als 
die untere Stufe des Gemeindebürgerrechts zu 
betrachten. Die obere Stufe, das formelle Ge- 
Dokupil, Art.,„G.n (G.gut) in Mischler u. Ubrichs meindebürgerrecht, wird auf Grund der 
Osterr. Staatswörterb. 11 (51906); Mischler, Art. Gemeindeverfassungen regelmäßig besonders er- 
Selbstverwaltung , Groß, Art.„Pfarr-Gin“ in worben: durch Abstammungvon Gemeindebürgern, 
Mischler u. Ulbrichs Osterr. Staatswörterb. III durch Angesessenheit mit einem Wohnhaus, durch 
(/1907). — Zeitschriften: Deutsche G.zeitung (seit längeren Aufenthalt oder durch förmliche Auf- 
1861); Württemb. G:zeitung (seit 1871); Die 9 en use 8— · 
Selbstverwaltung (seit 1874); Preuß. Verwal- nahme, Ausstellung eines Bürgerbriefes usw. Der 
tungsblatt (seit 1879); G. verwaltungsblatt (seit Erwerb dieses Rechts gewährt das Recht auf Mit- 
1887); Bayr. G. zeitung (seit 1890); Verwaltungs= benutzung der Gemeindeanstalten und Anteil an 
archiv (seit 1892). [Karl Bachem.] der wirtschaftlichen Nutzungen der Gemeinde. Er 
 
	        
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