Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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testamentarische Verordnung bestellt, um an ihre 
Stelle zu treten und als ihre Nachfolger ihr apo- 
stolisches Amt fortzusetzen. 
Die Verfassungsgestalt der Kirche erscheint da- 
nach zur Zeit des hl. Ignatius als ganz dieselbe 
wie zur Zeit der Apostel. Bei Lebzeiten derselben 
stufte sich die kirchliche Hierarchie ab in Apostel, 
Priester und Diakonen, und nach ihrem Tod in 
Bischöfe, Priester und Diakonen. Und die Iden- 
tität der Bischöfe mit den Aposteln nach der Auf- 
fassung des hl. Ignatius braucht keineswegs erst 
auf dem Weg interpretativer Kombinationen er- 
mittelt zu werden, sondern dieselbe ist klar und 
entschieden ausgesprochen in dem Brief an die 
Trallenser (Rothe a. a. O. 499). Nur die Per- 
sonen und Namen sind andere; die Sache, die sie 
vertreten, ist dieselbe, d. h. der Episkopat ist eben 
innerlich und wesentlich der Apostolat. In allem 
diesem spiegelt sich aber nur die ganz allgemeine 
Auffassung und die herrschende Anschauung der 
alten Kirche, der zufolge die Bischöfe das Amt 
der Apostel überkommen haben, alle Bischöfe Nach- 
folger der Apostel sind und darum jedes Bistum 
eine sedes apostolica ist, ohne alle Rücksicht 
darauf, ob die betreffende Gemeinde von einem 
Apostel gestiftet ist oder nicht. 
Man hat freilich das Gewicht dieser allgemeinen 
Anschauung durch die Einrede zu beseitigen oder 
abzuschwächen versucht, daß dieselbe erst dem fol- 
genden Jahrhundert und dem Ideenkreis, der zur 
Zeit Cyprians zur Geltung kam, angehöre. Indes, 
wenn wir auch diesem Versuch gegenüber auf die 
Beantwortung der Frage, wie denn auf einmal 
und urplötzlich in einer relativ so späten Zeit in 
betreff einer so fundamentalen, das ganze kirch- 
liche Gemeinschaftsleben betreffenden und bestim- 
menden Einrichtung eine derartige Auffassung 
habe auftauchen und eine so widerspruchslose und 
allgemeine Annahme finden können, verzichten 
Episkopat. 
  
wollen, so sprechen ja für jene allgemeine An- 
schauung eben schon aus dem Zeitraum bis zum 
Ende des 2. Jahrh. noch viele andere beredte 
Zeugen. Ja für den Fall, daß wir den Brief 
des hl. Klemens nicht besäßen, der „Hirt des 
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Ambrosiaster (Comm. in Ep. ad Eph. 4, 11; 
Comm. in Ep. I ad Cor.) wiederholt versichern, 
wurden die Bischöfe cnrbrro##o#r und in demselben 
Sinn auch &lJe### genannt, eine Bezeichnung, die 
sich nur aus der allgemein herrschenden Vorstellung 
erklärt, daß die Bischöfe sachlich und amtlich mit 
den Aposteln eins waren. Mit Rücksicht auf diese 
Namen dercchristlichen Urzeit enthält das Werk des 
gelehrten Diakons Amalarius eine höchst inter- 
essante Stelle, angeblich dem Kommentar des Am- 
brosiaster zu dem Brief an Timotheus entlehnt, 
in welcher die Namensverwandlung bzw. die Fi- 
rierung des Namens „Bischöfe“ für die Nach- 
folger der Apostel in der Weise motiviert ist, daß 
zunächst die wesentliche Identität des Episkopats 
mit dem Apostolat bei aller persönlichen und in- 
dividuellen Verschiedenheit der Träger ausge- 
prochen, dann aber auf dieses Moment der in- 
dividuellen Verschiedenheit als Grund jener 
Veränderung oder Fixierung hingewiesen wird 
(Rothe a. a. O. 502). 
Ist aber der Episkopat wesentlich nichts anderes 
als der Apostolat, eine Fortsetzung desselben, so ist 
damit auch schon die Antwort auf die Frage nach 
dem Ursprung des Episkopats gegeben, und zwar 
dahin, daß der Episkopat auf göttlicher Ein- 
setzung beruht. Jesus Christus, der ursprünglich 
die Apostel zu Trägern und Organen seiner Ge- 
walt gemacht hat, ist es, der diesen Schöpfungsakt 
fort und fort wirken läßt, dergestalt, daß sich in 
der Vornahme des Übertragungsaktes seitens der 
Apostel und ihrer Nachfolger nur die notwendige, 
weil göttlich gewollte und angeordnete, äußere 
Mitwirkung derselben darstellt. In der Stiftung 
des Apostolats ist auch der Episkopat unmittelbar 
von Jefus Christus begründet, und die Bischöfe 
werden auch innerlich in derselben Weise Träger 
der in dem Apostolat oder Episkopat beschlossenen 
Befähigungen und Gewalten, wie die Apostel 
es geworden sind, mit der Verschiedenheit, daß 
— 
Christus in Form der Vertretung durch die 
Apostel und ihre Nachfolger den Vermittlungsakt 
vollzieht. 
Nur bei einer mangelhaften Auffassung der 
Hermas“ ein rein phantastisches Bild enthielte, göttlichen Schöpfungsworte konnte jene Ansicht 
das Werk des hl. Irenäus nicht auf uns gekommen über den Ursprung des Episkopats sich bilden, 
wäre, würden wir selbst Zeugen aus häretischen welche zwar unter richtiger Würdigung des histo- 
Kreisen hierfür anrufen können. Dieselbe Vor= rischen Beweismaterials in ihm eine Fortsetzung 
stellung oder Lehre vom Episkopat tritt uns auch des Apostolats sieht, die innere und folgenreiche 
in der pseudoklementinischen Literatur entgegen. Bedeutung dieses Resultats aber wieder aufhebt, 
In ganz auffallender Weise ist hier die Charak= indem sie zugunsten schon vorher festgestellter Ziele 
terisierung der Bischöfe, ihrer Würde, ihrer Ge= denselben von seiner biblischen Grundlage ablöst 
walt, ihrer Bestimmung mit der Ignatianischen # und die göttlichen Begründungsworte derartig an 
verwandt; auch hier werden sie Nachfolger der die Apostel knüpft, daß dieselben nach ihrer Gel- 
Apostel, Stellvertreter Christi, Bilder und Organe tung und Wirkung in diesen aufgehen, gleichsam 
Gottes genannt. mit ihnen ersterben, und dann, wie die ganze Or- 
Ein nicht zu unterschätzender Beweis dürfte ganisation des kirchlichen Lebens und Wirkens, so 
auch in den besondern Benennungen liegen, auch das Fundament desselben zu einer rein apo- 
mit denen die Bischöfe gerade in der frühesten stolischen Einrichtung herabdrückt, für die 
Zeit ausgezeichnet werden. Wie uns Theodoret nurin jener Zeit gelegene Motive maßgebend waren 
CInterpr. Ep. 1 ad Timoth. 3, 1) und der und die sich deshalb wohl als eine temporäre Maß-
	        
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