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übung der kirchlichen Jurisdiktion in foro externo
oder interno direkt oder indirekt hindern, sowie
diejenigen, welche vom kirchlichen Gericht an das
weltliche rekurrieren, endlich jene Gesetzgeber und
Obrigkeiten, welche die Richter direkt oder indirekt
zwingen, geistliche Personen vor das weltliche
Forum zu ziehen. Doch haben die Päpste mehr-
fach in den neueren Konkordaten auf das privi-
legium kori sowie die Zivil= und Strafgerichts-
barkeit bis auf den angegebenen Umfang mehr oder
weniger verzichtet.
3. Gerichtsorganisation und Instan-
zenzug. Kirchliche Gerichtsbarkeit steht nur dem-
jenigen zu, welcher die Vollmacht hierfür, die
iurisdictio besitzt, iudex ist. Findet sich die Juris-
diktion an ein bestimmtes Amt geknüpft, mit dessen
Erwerb oder Verlust auch sie erworben oder ver-
loren wird, so heißt sie jurisdictio ordinaria.
Demzufolge ist iundex ordinarius der Papst für
die ganze Kirche, der Bischof für seine Diözese,
und zwar iure divino, die römischen Kongre-
gationen für den ihnen zugewiesenen Bereich und
die Erzbischöfe, Primaten, Patriarchen für ihren
Sprengel iure humano. Wird die Jurisdiktion
aber nicht kraft eigenen, mit dem Amte verbun-
denen Rechts, sondern allein kraft Auftrages ge-
übt, so liegt iurisdictio delegata vor, bie als
iurisdictio subdelegata weiter übertragen wer-
den kann. Die Behörde nun, welche von der Juris-
diktion zum Zwecke der Rechtspflege Gebrauch
macht, heißt Gericht (iudicium). Es besteht
mindestens aus zwei mit den vorgeschriebenen
physischen und moralischen Eigenschaften versehenen
Personen, dem Richter und dem Aktuar, gewöhn-
lich aber aus einem Kollegium von Nichtern mit
votum decisivum oder meist mit votum con-
sultiwum, zu denen noch Advokaten, Auditoren,
Prokuratoren, Defensoren, Promotoren, Syndici
usw. hinzutreten.
Zur Vermeidung von Fehlurteilen und Miß-
bräuchen ist der Instanzenzug eingerichtet,
d. h. das Verhältnis der übergeordneten Gerichte
zueinander. Die erste Instanz bildet innerhalb der
Diözese der Bischof für alle ihm nicht ausdrücklich
vom Recht entzogenen Personen und Sachen. Die
bischöfliche Gerichtsbarkeit wurde nach Überwin-
dung der Gerichtsgewalt der Archidiakone durch
den officialis oder vicarius generalis ausgeübt,
bis die Scheidung der Justiz von der Verwaltung
auch zur Bestellung eines vom Generalvikar ge-
sonderten Offizials führte, wie es auch heute noch
die Regel ist. Nur in kleinen Diözesen, wie Lim-
burg, Rottenburg, Paderborn, verwaltet eine Be-
hörde allein, das Ordinariat bzw. Generalvikariat,
alle Verwaltungs= und Justizangelegenheiten; sonst
besteht gewöhnlich für letztere ein besonderes Of-
fizialat, auch Konsistorium genannt (in Breslau
umfaßt das Konsistorium zwei Abteilungen: das
Offizialat für die Deliktsachen der Kleriker und
das Ehegericht, während das Generalvikariat mit
der Verwaltung auch die jurisdictio voluntaria
Gerichtsbarkeit, kirchliche.
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ausübt). Die zweite Instanz bildet der Metropolit.
Für die Erzdiözesen selbst und die exemten Bis-
tümer besteht als zweite Instanz entweder ein ein-
heimisches besonderes Gericht (so das Metropoliti-
kum in Köln, das Konsistorium zweiter Instanz
in Breslau, dessen Mitglieder auf Vorschlag des
Fürstbischofs vom Wiener Nuntius auf zwei Jahre
ernannt werden), oder es ist vom Papste ein an-
deres bischöfliches Gericht als solches bestellt (so
Augsburg für München, Würzburg für Bam-
berg, Rottenburg für Freiburg, Prag für Wien
und Salzburg, Olmütz für Prag). Die dritte
Instanz ist der Papst, welcher diese seine richter-
lichen Funktionen entweder durch die römischen
Behörden ausübt oder an iudices in partibus,
an Personen an Ort und Stelle, auf zehn Jahre
delegiert. Nach dem Tridentinum sollen die Bi-
giet auf den Provinzial- und Diözesansynoden
hierfür mindestensvier geeignete iudicessynodales
bezeichnen. Seitdem diese Synoden nicht mehr
stattfinden, darf der Bischof mit Beirat des Ka-
pitels diese Wahl vornehmen: iudices prosyn-
odales (so werden sie in Breslau auf Vorschlag des
Fürstbischofs gleichfalls vom Wiener Nuntius pro
casu ernannt). Statt dessen wird aber vielfach ein
anderes bischöfliches Gericht als dritte Instanz
delegiert, so für Freiburg Köln, für München
Bamberg, für Bamberg München, für Rottenburg
Augsburg.
4. Kompetenz und Gerichtsstand. Um
ein gültiges Urteil zu fällen, genügt es nicht, daß
der betreffende Richter eine Jurisdiktion überhaupt
hat, er muß sie vielmehr auch gerade für die spe-
zielle Person oder Sache besitzen, d. h. er muß der
zuständige Richter, jude competens, sein.
Soweit seine Kompetenz reicht, ist er derjenige
Richter, bei welchem allein der Prozeß anhängig
gemacht werden kann, der ausschließlich das Recht,
aber auch die Gewalt hat, vor sein Gericht (korum)
die Rechtssachen zu ziehen und zu entscheiden. Da
diese Kompetenz gewöhnlich an einen gewissen Be-
zirk gebunden ist, so gehören alle causae der Be-
wohner dieses Bezirkes (persönliche und dingliche
Klagen, Delikte usw.) vor sein Forum, das sog. fo-
rum commune oder domicillü, welchessich nach der
Persönlichkeit des Beklagten bestimmt, so daß der
Grundsatz: actor sequitur forumrei, Anwendung
findet. Neben diesemallgemeinen Gerichts-
stan de kommen noch die besondern Gerichts-
stände in Betracht, welche sich nicht nach der Per-
sönlichkeit des Beklagten, sondern nach der räum-
lichen Beziehung des Anspruches richten, so das
forum rei sitae für alle dinglichen Klagen, das
forum delicti commissi, das Gericht, in dessen
Bezirk das Delikt begangen wurde, ferner das
forum contractus S. obligationis, des Ortes,
wo ein Vertrag geschlossen ist, das forum con-
nexitatis causarum, wenn eine Sache nur zu-
gleich mit einer andern entschieden werden kann,
das forum reconventionis, der Gerichtsstand der
Widerklage. Nur in mäßigem Umfange findet für