Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Dänemark, Polen und die Pforte hielten an der 
bisher üblichen Einteilung der Gesandten in zwei 
Klassen fest. 
Im 18. Jahrh. begann man sodann sowohl den 
Botschaftern als auch den ständigen envoyés 
ehrenhalber die Prädikate extraordinaire und 
plénipotentiaire beizulegen sowie die diplomati- 
schen Vertreter behufs Vermeidung von Rang= und 
Kompetenzstreitigkeiten schlechthin Minister (mi- 
nistres) zu titulieren. Da dieser Titel jedoch sehr 
bald an Ansehen verloren hatte, so fügte man ihm 
das Prädikat plénipotentiaire bei und verband 
ihn mit dem des envoyé extraordinaire. Die 
jetzt allgemein in die dritte Rangklasse gehörigen 
Residenten suchten nun ihr Ansehen dadurch zu 
erhöhen, daß sie sich Ministerresidenten 
nannten. Hiernach unterschied man um die Mitte 
des 18. Jahrh. allgemein drei Klassen von Ge- 
sandten, nämlich: 1) die Botschafter sowie die 
päpstlichen Legaten und Nuntien; 2) die außer- 
ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Mi- 
nister (envoyés extraordinaires et ministres 
plénipotentiaires) sowie die päpstlichen Inter- 
nuntien; 3) die Ministerresidenten und die Ge- 
schäftsträger. Die Gesandten der ersten und zweiten 
Klasse wurden von ihrem Souverän durch ein 
förmliches Beglaubigungsschreiben bei dem frem- 
den Souverän, die der dritten Klasse dagegen 
nur von und bei dem Minister des Auswärtigen 
akkreditiert. 
Diese Rangordnung blieb bis zum Wiener 
Kongreß bestehen und wurde auf demselben 
durch das von Österreich, Spanien, Frankreich, 
Gesandte usw. 
  
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Hierarchie des diplomatischen Dienstes durchweg 
auf denselben beruht. 
Die Gesandten der ersten Klasse, d. h. die päpst- 
lichen Gesandten und Nuntien sowie die Bot- 
schafter der weltlichen Mächte, werden von Sou- 
verän zu Souverän beglaubigt, besitzen nach 
Art. 2 des Wiener Rangreglements ausschließlich 
den Repräsentativcharakter und erfreuen sich in- 
folge dieses Charakters eines besonders reich ent- 
wickelten Ehrenzeremoniells. Den päpstlichen Le- 
gaten und Nuntien wird nach altem Herkommen 
der Vorrang vor allen weltlichen Gesandten ein- 
geräumt, und der Art. 4 des Wiener Rangregle- 
ments bestimmt ausdrücklich, daß hinsichtlich der 
päpstlichen Gesandten keine Neuerung eingeführt 
werden solle. An diesem Vorrange ist auch durch 
die italienische Annexion des Kirchenstaates nichts 
geändert worden. Zu Legaten (legati a sive de 
latere (scil. Papael) werden nur Kardinäle, zu 
Nuntien dagegen in der Regel nur Erzbischöfe oder 
Bischöfe ernannt; erstere bilden die außerordent- 
lichen, letztere dagegen die ordentlichen Botschafter 
des Papstes (über die Ablegaten s. d. Art. Nun- 
tien). Die Gesandten der zweiten Klasse, d. h. die 
Gesandten im engsten Sinne, welche gewöhnlich 
den Titel „außerordentlicher Gesandter und be- 
vollmächtigter Minister“ führen, werden ebenfalls 
von Souverän zu Souverän beglaubigt, können 
jedoch, da sie des Repräsentativcharakters entbehren, 
im Zeremoniell nicht die gleichen Ehren bean- 
spruchen wie die Gesandten der ersten Klasse. Sie 
vertreten nur ihre Staatsregierung, nicht die Per- 
son ihres Souveräns. Die päpstlichen Gesandten 
Großbritannien, Portugal, Preußen, Rußland zweiter Klasse heißen Internuntien; diesen Titel 
und Schweden unterzeichnete Reglement sur führte ehedem (1678/1856) auch der österreichische 
Ie rang entre les agents diplomatiques 
vom 19. März 1815, nach dessen Art. 1 die 
diplomatischen Vertreter ebenfalls in drei Klassen 
geteilt werden, im wesentlichen bestätigt. Diese 
drei Klassen sind: 1) die der Botschafter, 
Legaten und Nuntien (ambassadeurs, 
légates et nonces); 2) die der Gesandten 
imengsten Sinne, der Minister und anderer 
bei dem Souverän Akkreditierten (envoyés, mi- 
nistres et autres accrédités auprès des 
souverains); 3) die der Geschäftsträger, 
welche bei dem Minister des Auswärtigen be- 
glaubigt sind (chargés d’affaires accrédités 
auprès des ministres chargés des affaires 
étrangeres). Dieses Rangreglement fand später 
auf dem Aachener Kongreß seine Ergänzung 
durch das von Österreich, Frankreich, Groß- 
britannien, Preußen und Rußland unterzeich- 
nete Protokoll vom 21. Nov. 1818, wodurch 
festgesetzt wurde, daß die Ministerresiden- 
ten (ministres résidents) eine Mittelklasse zwi- 
schen der zweiten und dritten Klasse des Wiener 
Rangreglements bilden sollen, so daß nun vier 
Klassen von Gesandten bestehen. Diese Verein- 
barungen wurden allgemein angenommen, der- 
gestalt, daß gegenwärtig die Organisation und 
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" 
Gesandte bei der Pforte. Auch die Gesandten der 
dritten Klasse, d. h. die Ministerresidenten, werden 
von Souverän zu Souverän beglaubigt. Das 
Wiener Rangreglement reihte sie mit den Worten 
ministres et autres accrédités aupres des 
souverains, sofern sie also bei dem Souverän 
beglaubigt waren, in die zweite Klasse der Ge- 
sandten ein. Bei den Geschäftsträgern, d. h. bei 
den Gesandten der vierten und letzten Rangklasse, 
erfolgt die Beglaubigung nur von und bei dem 
Minister des Auswärtigen. Für den Rang der 
Geschäftsträger ist es unerheblich, wenn ihnen der 
Titel „Minister“ (ministres charges d’affaires) 
beigelegt wird. Geschäftsträger (ad interim) wer- 
den von dem Chef der Gesandtschaft aus der Reihe 
seiner Hilfsbeamten mit der Führung der Ge- 
sandtschaftsgeschäfte betraut, wenn seine Abberu- 
sung im Hinblick auf einen bevorstehenden kriege- 
rischen Konflikt erfolgt ist oder beim Antritt eines 
Urlaubes. Die diplomatischen Beamten in außer- 
ordentlicher Sendung (employes diplomatiques 
enn mission extraordinaire) genießen wegen 
dieses Titels keinerlei Vorrechte vor den andern 
Gesandten; ebenso begründen verwandtschaftliche 
Bande sowie dynastische oder politische Bündnisse 
zwischen den Höfen für deren Vertreter keinen
	        
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