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betont wird, daß, Empörung“ kein freimaurerisches
Vergehen sei, und daß der Empörer daher nach
wie vor Anspruch auf den brüderlichen Beistand
aller Freimaurer habe. „Die Weisheit dieser Be-
stimmung“, bemerkt Mackey (A textbock of ma-
sonic jurisprudence (71889] 510, Anm. 1),
„leuchtet ein, wenn wir erwägen, daß, wenn Ver-
rat und Empörung maurerische Verbrechen wären,
1776 beinahe alle Maurer der Vereinigten Ko-
lonien Nordamerikas hätten müssen aus der Loge
ausgestoßen werden und alle Logen ihre Patente
verwirkt hätten.“ Die Logen besonders des
christlichen“ altenglischen Systems waren das
Hauptaquartier der ganzen nordamerikanischen Un-
abhängigkeitsbewegung. Von den 56 Unterzeich-
nern der Unabhängigkeitserklärung vom 4. Juli
1776 waren nicht weniger als 52 Freimaurer
(Chr. 1893 1 147; 1900 II 5). Auch für die
englische Freimaurerei bestätigt Chr. (1875 1 81):
„Empörung ist unter Umständen heilige Pflicht,
und nur ein Scheinheiliger oder Narr wird be-
haupten, daß unsere Landsleute im Unrecht waren,
als sie gegen König Jakob II. zu den Waffen
griffen. Loyalität gegen die Freiheit geht in einem
derartigen Fall allen andern Rücksichten vor.“
Die oft wiederholten Versicherungen angloameri-
kanischer Freimaurer, daß sie Stützen der staat-
lichen Ordnung seien und alle rechtmäßigen Ge-
walten achten, dürfen daher nicht vorbehaltlos
hingenommen werden. Sie unternehmen allerdings
nichts zum Sturze der „jetzigen“ Staatsord-
nungen in „ihren“ Ländern. Aber auch der erz-
revolutionäre Großorient von Frankreich achtet
und stützt das jetzige Regierungssystem in Frank-
reich, das er selbst aufrichten half und sich nicht
besser wünschen könnte. Dies hinderte aber eng-
lische und amerikanische Freimaurer keineswegs,
gemeinsam mit romanischen revolutionäre Um-
triebe in andern Ländern, z. B. Rußland, Türkei,
Osterreich, Italien, Spanien usw., zu fördern, wie
dies u. a. die Sympathien bezeugen, die sie Kos-
suth, Mazzini, Garibaldi in reichlichem Maße zu-
wendeten. Die Beteiligung der russischen, italie-
nischen, polnischen, spanischen, portugiesischen,
mittel= und südamerikanischen Freimaurerei an
revolutionären Umtrieben wird von Freimaurern
selbst offen zugestanden und nachgewiesen. „Wo
immer“, so wird den Kadosch-Rittern (30. Grad)
in den freimaurerischen Ritualen Pikes, des an-
gesehensten Logen= und besonders Ritualschrift-
stellers englischer Zunge, eingeschärft, „wo immer
eine Nation um die Gewinnung oder Wieder-
gewinnung ihrer Freiheit kämpft, wo immer der
menschliche Geist seine Unabhängigkeit ausruft und
das Volk seine unveräußerlichen Rechte zurück-
sordert, dorthin müssen sich unsere wärmsten
Sympathien wenden“ (The Inner Sanctuary V.
1879) 547).
5. Stellungnahme von Staat und
Kirche zum Freimaurerbund. Die ersten
staatlichen Behörden, welche gegen den Frei-
Gesellschaften, geheime.
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maurerbund einschritten, waren protestantische:
Holtnd 1735, Hamburg, Schweden, Genf 1738,
ürich 1740, Bern 1745. In Spanien, Por-
tugal, Italien schritt man infolge der Bulle Kle-
mens' XII. nach 1738 ein. In Bayern wurde die
Freimaurerei 1784 und 1785, in Osterreich 1795,
in Baden 1813, in Rußland seit 1822 untersagt.
Seit 1847 ist sie in Baden, seit 1850 in Bayern,
seit 1868 in Spanien und Ungarn wieder geduldet.
In Osterreich hält man am Verbot der Frei-
maurerei fest, weil, wie das Reichsgericht am
23. Jan. 1905 richtig erklärte, ein auch gemäß
dem Allgemeinen Vereinsgesetz oder wie immer kon-
stituierter Freimaurerverein „nur ein Glied einer
großen internationalen] Vereinigung sein würde,
dessen wahre Satzungen [Ziele und Bestrebungen)
den Behörden geheim bleiben, so daß die eigentliche
Tätigkeit der Mitglieder unkontrollierbarsei“ (Bau-
hütte 1905, 60). Es ist in der Tat mit Sicher-
heit anzunehmen, daß die ungarisch-österreichischen
Freimaurer, in welcher Form immer sie sich kon-
stituieren oder welche Satzungen immer sie „ein-
reichen“ mögen, dabei beharren werden, dem fran-
zösischen Großorient, wie bisher, als ihrem Vorbild
nachzueifern. In Frankreich unterlag die Frei-
maurerei früher dem Art. 13 des Gesetzes vom
28. Juli 1848; jetzt untersteht sie dem Vereins-
gesetz vom 1. Juli 1901; tatsächlich genoß sie
immer eine privilegierte Ausnahmestellung (Prache,
La pétition contre la Franc-Maconnerie,
Par. 1902). In Italien wurde sie nur unter
der Napoleonschen Herrschaft und nach 1860 unter
dem piemontesischen Regiment geduldet. Auch
England und Preußen, welche gewöhnlich als die
Eldorados der Freimaurerei in Europa gepriesen
werden, ergriffen ihre Vorsichtsmaßregeln. In
England wurde durch Parlamentsbeschluß vom
12. Juli 1798 ein Gesetz „zur wirksameren Unter-
drückung von Verbindungen zu aufrührerischen
und hochverräterischen Zwecken und Umtrieben“
erlassen, in das auch die Freimaurerverbände und
logen einbegriffen wurden. Ausgenommen waren
nur die bereits im Königreich gemäß den alten
Regeln der britischen Freimaurer bestehenden
Logen unter der Bedingung, daß zwei Vertreter
derselben vor der Behörde eidlich die Einhaltung
dieser und noch anderer gesetzlicher Vorsichtsmaß=
regeln verbürgten (Preston, IIIustrations of Ma-
sonry [Lodgeton Ky. 21856 251 f). In Preußen
wurde am 20. Okt. 1798 ein bis zur Verord-
nung vom 6. April 1848 rechtlich gültiges und bis
zum Entscheid des Oberverwaltungsgerichtes vom
22. April 1893 von der Verwaltung rechtsirrtüm-
licherweise befolgtes Edikt erlassen, durch welches im
allgemeinen alle Freimaurerlogen verboten und von
diesem Verbote nur die drei unter der Kontrolle des
hohenzollernschen Protektorates stehenden altpreu-
FLischen Großlogen mit weiteren Beschränkungen
ausgenommen wurden.
Gegenwärtig untersteht
die deutsche Freimaurerei dem Vereinsgesetz vom
19. April 1908. Nach der preußischen Usualinter=