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Freimaurerei in nahen Beziehungen, daß Frei-
maurer einflußreiche Stellungen i in denselben inne-
haben. In Deutschland und in der Schweiz ver-
breiteten sich von denselben namentlich drei: a) Der
„Oddfelloworden“, entstanden um 1745 in Eng-
land, 1819 von Thom. Wildey in Baltimore neu
organisiert, fand 1870 in Deutschland und 1871
in der Schweiz Eingang und zählte 1899 in
Deutschland 90 Logen mit 4849 Mitgliedern.
Für 1906 wurde für (das kontinentale) Europa
die Mitgliederzahl auf 13649 angegeben (Bau-
hütte 1907, 343). Für Nordamerika schätzte
Stevens (Cyclop. 250) die Zahl der Oddfellows
der verschiedenen Zweige des Ordens 1907 auf
mehr als 3000 000. In England dürfte ihre
Zahl nahezu 1.000.000 betragen. Der Orden
rekrutiert sich hauptsächlich aus dem bürgerlichen
Mittelstande. In Deutschland unterscheidet er sich
bezüglich seiner Stellung zur kirchlichen Ortho-
doxie kaum vom Freimaurerbunde. Politische Ten-
denzen treten im ganzen Orden, wie es scheint,
nicht oder nur sehr schwach hervor. Vgl. Gruber,
Der Oddfelloworden (1896); G. Schuster, Ge-
heime Gesellsch. usw. (2 Bde, 1902/06). — b) Der
„Druidenorden", 1781 in London gegründet,
1833 in Amerika eingeführt und 1872 von hier
nach Deutschland verpflanzt, knüpft an die „Dru-
iden“, alte keltische Priester, an, auf die früher,
als auf Mitglieder des pythagoreischen Geheim-
bunds, auch die angloamerikanische Freimaurerei
ihren Ursprung zurückführte. Seine Logen heißen
„Haine“, die Großlogen „Großhaine“, seine
höchsten Beamten: „Hochedler Großerz“, „Sehr
ehrwürdiger Hocherz“ usw. Sein Ritual ähnelt
dem freimaurerischen. Gleich dem Oddfellow= und
dem Freimaurerbund will auch der Druidenorden
die durch Konfession und Nationalität gezogenen
Schranken überbrücken. Der Orden zählte 1896
in Deutschland fünf Distriktsgroßhaine mit etwa
1100 Mitgliedern. 1906 wurde die Gesamt-
Gesellschaft Jesu — Gesetzesauslegung.
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Durch Dekret der Kongregation der Inquisition
vom 17. Aug. 1893 (Acta S. Sedis XXVI 752)
wurde den Katholiken der Beitritt und die Zuge-
hörigkeit zum Guttemplerorden und durch Dekret
vom 20. Aug. 1894 (ebd. XXVIII 569 ff) der
Beitritt und die Zugehörigkeit zum Orden der
Oddfellows, der Sons of Temperance (Mit-
gliederzahl nach Stevens [a. a. O. 409] 64 000)
und der Knights of Pythias (nach Stevens
[a. a. O. 263] 450 000) untersagt, wobei die
Frage offengelassen wurde, ob sich nicht überdies
noch die gegen die Mitglieder des Freimaurer-
bundes verhängte Exkommunikation auf diese Ver-
bindungen erstrecke. Grund dieses Verbots ist der
erfahrungsgemäß höchst nachteilige Einfluß, wel-
chen der Verkehr in diesen und ähnlichen religiös-
indifferenten Gesellschaften auf das Glaubensleben
und die kirchliche Haltung der beitretenden Katho-
liken auszuüben pflegt. H. Gruber 8S. J.)
Gesellschaft Jesu s. Jesuiten.
Gesetzesauslegung (Interpretation).
[Vorbemerkungen; Begriffsbestimmung; Eintei-
lung in Arten und Unterarten.)
Kein Gesetzgeber ist imstande, alle ihn um-
gebenden Lebensverhältnisse so genau zu kennen,
daß er alle Rechtsfragen, welche der in andauern-
der Entwicklung befindliche menschliche Verkehr
zeitigt, voraussehen könnte. Je größer ferner der
Stoff ist, den ein und dasselbe Organ der Gesetz-
gebung gleichzeitig zu bewältigen hat, desto leichter
sind Ungenauigkeiten des Ausdrucks, Übersehen
eines in Betracht kommenden Umstandes, direkte
Widersprüche mit schon bestehenden und noch nicht
abgeschafften Gesetzesregeln oder Rechtsbräuchen
und andere Unvollkommenheiten möglich. Tat-
sächlich hat denn auch die große Kodifikation des
römischen Rechts trotz anfänglicher Interpretations-
verbote (z. B. Kaiser Justinians Const. Deo
Auoctore § 12, Const. Tanta § 21) zur Ent-
wicklung einer selbständigen Hilfswissenschaft, der
mitgliederzahl auf 131 544 angegeben (Bauhütte 1 juristischen Hermeneutik, geführt, welche
1906, 319). Vgl. Allgem. Handbuch der Frei- ähnlich wie die theologische Hermeneutik (Exegese)
maurerei 1" 211; vgl. auch Wiese u. Fricke, Ver= eine gelehrte Anleitung zu einer vor Irrwegen be-
einigter Orden der Druiden (1904).— c) Der wahrenden, folgerichtige Schlüsse sichernden Ge-
„Guttemplerorden“, 1852 in Neuyork gegrün= setzesauslegung gibt (ogl. Mommsens Verdienste
det, fand 1868 in England, 1883 in Deutsch= um den Pandektentex).
land und 1892 in der Schweiz Eingang. Stevens Die Gesetzesauslegung hat zwar einen rein de-
(Cyclop. 45 schätzte die gesamte Mitgliederzahl klaratorischen bzw. rekonstruierenden Charakter,
1907 auf 600 000. Seine Mitglieder verpflich- aber es liegt in der Art ihrer Handhabung doch
ten sich, alkoholische Getränke weder zu bereiten auch manchmal etwas Schöpferisches oder wenig-
noch zu kaufen noch zu verkaufen noch als Ge- stens der Anstoß zu einem Fortschritt der Rechts-
tränk zu gebrauchen noch andern zu liefern oder bildung; man denke nur daran, wie bahnbrechend
liefern zu lassen und auf jede erlaubte Weise dem z. B. die römischen Prätoren mit ihrer praktischen
Konsum derselben entgegenzuwirken. Die in vier Pflege des ius aequum gewirkt haben.
Grade abgeteilten Mitglieder sind ferner ver Eine „verständige Gesetzesauslegung“ ist also zu
pflichtet, das Gebrauchtum, die Erkennungszeichen allen Zeiten unumgänglich notwendig. Um eine
und die Debatten der Logensitzungen geheimzu= solche zu sichern, haben manche Rechtsbücher schon
halten. Vgl. Konstitution für untergeordnete Logen allerhand Vorsichtsmaßregeln vorgesehen; so muß-
des Independent Order of Good Templars ten z. B. im Anfang der Geltung des preußischen
(Flensburg 1897); Aug. Forel, Guttemplerorden Allgemeinen Landrechts die Richter bei entstandenen
(1895); Filskow, Der Guttempler (1897). 1 Zweifeln sich nach dem Urteil der Gesetzgebungs-