Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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über die Verantwortlichkeit des Dienstherrn für 
den von den Dienstboten verursachten Schaden 
und über die eheherrliche Einwilligung zu einem 
Rechtsgeschäft, durch welches sich die Frau einem 
Dritten gegenüber zu einer von ihr in Person zu be- 
wirkenden Leistung verpflichtet hat. Nach zwingen- 
dem Reichsrecht steht dem Dienstberechtigten ein 
Züchtigungsrecht dem Gesinde gegenüber nicht zu. 
Die Dienstherrschaft ist vorbehaltlich der dem 
Dienstboten günstigeren Bestimmungen der Landes- 
gesetze auch verpflichtet, im Falle der Erkrankung 
des Dienstverpflichteten die erforderliche Verpfle- 
gung und Behandlung in dem durch das Gesetz 
normierten Umfang zu gewähren. 
Die Reichsgewerbeordnung sucht der Aus- 
beutung der Dienstboten durch gewissenlose Stellen- 
vermittlung entgegenzutreten. Da die seitherige 
Untersagungsbefugnis der Behörden sich gegenüber 
den Auswüchsen dieses Gewerbes als unzureichend 
erwies, wurde durch die Novelle vom 30. Juni 
1900 die Erlaubnispflicht auf diese Gewerbsart 
ausgedehnt; leider wurde hierbei die Erteilung 
der Erlaubnis nicht vom Nachweis des Bedürf- 
nisses abhängig gemacht. Die Zentralbehörden 
sind befugt, über den Umfang der Befugnisse und 
Verpflichtungen sowie über den Geschäftsbetrieb 
der Gesindevermieter und Stellenvermittler, soweit 
darüber die Landesgesetze nicht Bestimmungen 
treffen, Vorschriften zu erlassen, und hierbei ins- 
besondere befugt, die Ausübung des Gewerbes 
im Umherziehen sowie die gleichzeitige Ausübung 
des Gast= und Schankwirtschaftgewerbes zu be- 
schränken oder zu untersagen; damit ermöglicht 
sich eine wirksame Kontrolle der Geschäftsgebarung, 
welche bei energischem Vorgehen wohl imstande 
sein dürfte, mit den Hauptmißständen der gewerbs- 
mäßigen Stellenvermittlung aufzuräumen; es kann 
hiernach die Beherbergung und Beköstigung von 
Stellesuchenden durch die Stellenvermittler ver- 
boten werden, ebenso die Forderung doppelter, 
von den Dienstherrschaften und von den Dienst- 
suchenden zu zahlender Gebühren, ferner die Ver- 
dingung von Personen, welche bereits im Ge- 
sindedienst gestanden, ohne Vorlegung eines rechts- 
gültigen Kündigungs= oder Entlassungsscheines 
und endlich die Anleitung zum Kontraktbruch. 
Den Stellenvermittlern kann auch zur Pflicht ge- 
macht werden die Einziehung von Erkundigungen 
darüber, ob die von ihnen zu vermittelnden Per- 
sonen keine anderweitigen kontraktlichen oder son- 
stigen, das Eingehen eines neuen Dienstverhält- 
nisses hindernden Verpflichtungen haben. Endlich 
sind die Gesindevermieter und Stellenvermittler 
verpflichtet, das Verzeichnis der von ihnen für ihre 
gewerblichen Leistungen aufgestellten Taxen der 
Ortspolizeibehörde einzureichen und in ihren Ge- 
schäftsräumen an einer in die Augen fallenden 
Stelle anzuschlagen. Diese Taxen dürfen zwar 
jederzeit abgeändert werden, bleiben aber so lange 
in Kraft, bis die Abänderung der Ortspolizei- 
behörde angezeigt und das abgeänderte Verzeich- 
Staatslexikon. II. 3. Aufl. 
Gesinde. 
  
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nis in den Geschäftsräumen ongeschlagen ist. Die 
Gesindevermieter und Stellenvermittler sind ferner 
verpflichtet, dem Stellesuchenden vor Abschluß des 
Vermittlungsgeschäftes die für ihn zur Anwendung 
kommenden Taxen mitzuteilen; entgegenstehende 
Verträge und Verabredungen sind nichtig. Die 
Nichterfüllung dieser Verpflichtungen ist einerseits 
unter Strafe gestellt, anderseits kann daraus ein 
Grund für die Zurücknahme der erteilten Erlaub- 
nis bzw. für die Untersagung des Gewerbebetriebs 
entnommen werden. Der Dienstlohn ist reichs- 
gesetzlich nur in beschränkter Weise der Beschlag- 
nahme und der Pfändung unterworfen (Gesetz 
vom 21. Juni 1869 mit Art. 3 des Einf.Ges. 
zum Gesetz betreffend Anderungen der Z. P. O. vom 
17. Mai 1898 und Z.P.O. in der Fassung der 
Bekanntmachung vom 20. Mai 1898, § 850). 
Nach dem Reichskrankenversicherungsgesetze vom 
10. April 1892 sind die Dienstboten berechtigt, 
der Gemeindekrankenversicherung der Gemeinde, 
in deren Bezirk sie beschäftigt sind, beizutreten; 
landesrechtlich kann durch Statut ihre Versiche- 
rungspflicht ausgesprochen werden; zumeist ist die 
Dienstgemeinde aus armenpolizeilichen Rücksichten 
zur Hilfegewährung bei Erkrankung verpflichtet; 
dabei kann der Gemeinde das Recht der Erhebung 
von Krankenkassenbeiträgen zugesprochen sein, wo- 
mit dann der armenrechtliche Charakter ihrer Lei- 
stung bei Krankheit in Wegfall kommt. Das Ge- 
werbeunfallversicherungsgesetz umfaßt die Dienst- 
boten nur, sofern sie im Gewerbebetriebe des Dienst- 
herrn arbeiten; die Versicherung erstreckt sich auf 
häusliche Dienste, zu denen sie neben der Beschäf- 
tigung im Gewerbebetriebe von dem Dienstherrn 
herangezogen werden. Die Dienstboten zählen zu 
den versicherten Personen des Unfallversicherungs- 
gesetzes für die Land= und Forstwirtschaft; im Be- 
reiche dieses Gesetzes erhalten sie im Falle einer 
durch Unfall herbeigeführten Erkrankung die Ver- 
pflegung, wie sie das Reichskrankenversicherungs- 
gesetz vorschreibt (Krankengeld ausgenommen). Die 
Dienstboten unterliegen auch der Versicherung nach 
dem Invalidenversicherungsgesetze. Das Reichs- 
strafrecht streift in einigen Punkten die Gesinde- 
verhältnisse: geringfügige Entwendungen werden 
nur auf Antrag verfolgt; Fälschung von Dienst- 
botenbüchern und -zeugnissen ist mit Geldstrafe 
oder mit Haft bedroht, ebenso das Nichtabhalten 
der zur Hausgenossenschaft gehörenden Personen 
von der Begehung von Diebstählen und ähnlichen 
Delikten. 
Im großen und ganzen beruht das Dienstver- 
hältnis auch jetzt noch auf Landesrecht; dies 
gilt insbesondere von den privatrechtlichen Be- 
stimmungen über den Dienstvertrag; es gilt auch 
von den polizeilichen Vorschriften, welche zum 
Teil in die Reglung der Verhältnisse tief ein- 
greifen, auch wohl zumeist die Dienstherrschaft 
mehr begünstigen, als das Wohl des Ganzen es 
erfordern würde. Mit Rücksicht auf die vielfach 
veralteten und außer Geltung getretenen Bestim- 
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