Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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Schwindsucht unrichtig ist; daß vielmehr 
in allen Altersklassen die Sterblichkeit an dieser 
Krankheit mit zunehmendem Alter steigt, und zwar 
progressiv bis zu den höchsten Altersstufen, wenig- 
stens bei den Männern. Das weibliche Geschlecht 
besitzt vom 6. bis 20. Lebensjahre eine etwas höhere, 
vom 21. bis 70. eine erheblich niedrigere Mortali= 
tät (Zwickh). Auf dem Wege der vergleichenden 
Statistik haben Buchanan und Bowditch die Ver- 
minderung der Todesrate an Phthisis in England 
parallellaufend mit der Trockenlegung des Unter- 
grundes der menschlichen Wohnstätten und der 
Stallungen (durch Herrichtung von Entwässerungs- 
anlagen) nachgewiesen. Damit stimmt eine Statistik 
Finkelnburgs überein. Dieser wies für Deutsch- 
land nach, daß die Schwindsuchtssterbeziffer keines- 
wegs in den industriellen Distrikten mit dichter 
Bevölkerung am größten sei, sondern in gewissen 
Gegenden der nordwestdeutschen Niederung mit 
ländlicher, spärlicher Bevölkerung, während das 
mehr östlich gelegene Küstengebiet die niedrigste 
Ziffer habe. Für diese Tatsache gibt es keinen 
andern Erklärungsgrund als die Bodenverhält- 
nisse, welche in den von der Schwindsucht beson- 
ders heimgesuchten Kreisen sehr ungünstig sind 
(undurchlässiger bzw. an Wasser und organischen 
Substanzen reicher Moor= und Lehmboden mit 
stagnierendem Grundwasser). Aus einer von 
Dr Sandberg „über die Abnahme der Lungen- 
schwindsucht in England während der drei letzten 
Dezennien nach Beruf und Geschlecht“ veröffent- 
lichten statistischen Untersuchung geht die Konstanz 
der Abnahme der Tuberkulose in der Zeit von 
1850 bis 1886, ferner die stetige Abnahme bei 
beiden Geschlechtern sowohl in den überwiegend 
agrikolen als industriellen Bezirken, endlich die 
stärkere Ausprägung dieser Abnahme bei den Frauen 
(welche früher in verhältnismäßig größerer Zahl 
als die Männer der Phthisis erlagen) mit Sicher= Fisch 
heit hervor. 
In Deutschland starben von 10 000 Lebenden 
1889: 28,14, 1894: 25,44, 1898: 21,88, 1904: 
20,48 an Tuberkulose, ein zwar stetig, jedoch in 
Hinsicht auf die mit großen Mitteln ins Werk ge- 
setzte Tuberkulosenbekämpfung nicht befriedigender 
Fortschritt. In Preußen war ein Rückgang der 
Todesfälle an Tuberkulose von 28,14 in 1889 auf 
23,89 in 1894 (jedesmal auf 10 000 Lebende be- 
rechnet) nachweisbar. — Die Zusammenstellung der 
in den Münchener Krankenhäusern während 20 
Jahren wegen Typhus Aufgenommenen und der 
an dieser Krankheit Gestorbenen beweist unwider- 
leglich, daß die konstatierte erhebliche Abnahme der 
Typhuskranken und Typhustoten gleichen Schritt 
mit den hygienischen Verbesserungen (der Beschaf- 
fung eines guten, reichlichen Trink= und Gebrauchs- 
wassers und der Entwässerung der Stadt durch 
Kanalisation) hielt (v. Ziemssen). — Bei einem 
Vergleich der Sterblichkeit von 623 Registrations- 
bezirken Englands und Wales“, welcher sich über 
mehrere Jahresdekaden erstreckte, ergab sich, daß, 
während die durchschnittliche Sterbeziffer dieser Be- 
zirke 22,4 betrug, 54 Distrikte eine solche von nur 
Gesundheitspflege usfw. 
  
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15—17 hatten, und zwar in allen Altersklassen. 
Von diesen haben 20 Distrikte schon dreimal hinter- 
einander in jedem Jahrzehnt seit 1841 diese relativ 
geringe Sterblichkeit gehabt. Dieselben zeichnen sich 
kaum durch etwas anderes als vorzüglichen Boden 
und gutes Trinkwasser aus. 
Den segensreichen Einfluß allgemeiner sanitärer 
Verbesserungen, welche die Großstädte zuerst in 
den letzten Jahrzehnten zur Durchführung gebracht 
haben, lehrt folgende Statistik. Die allgemeine 
Sterblichkeit betrug: 
1864/73 30% 
1874/88 25 „ 
1884/88 24 „ 
1889/938 22, 
189400905 20 , 
1896 .18, 
1904 17 . 
Die Prozentzahl der an ansteckenden Krankheiten 
Gestorbenen ging von 1869 bis 1904 langsam von 
5,32 auf 0,71 zurück. 
Die Statistik ist wichtig nicht nur zur Erhebung 
der Krankheitsursachen, sondern nicht weniger auch 
als wissenschaftliche Kontrolle über Wert und 
Unwert sanitärer Maßregeln. Auch erkennt man 
durch geeignete Zusammenstellungen den Einfluß 
des Berufes und der Arbeit auf die Lebensdauer. 
So teilte der Oberaufsichtsbeamte des statistischen 
Amtes in England, Dr Ogle, auf dem hygienischen 
Kongresse zu London 1891 folgende lehrreiche Ta- 
bellen mit: 
Vergleichende Mortalitätsliste von Männern ver- 
schiedener Berufstätigkeit im Alter von 25 bis 
65 Jahren, wobei die niedrigste Mortalitätsklasse, 
die der englischen Geistlichen, = 100 * wurde. 
Geistliche (anglikanisc). 100 
Gärtner . 108 
Landwirte 114 
Feldarbeiter . 126 
Papierfabrikarbeiter . 129 
Spezereihändler 139 
er 143 
Schreiner und Zimmerleute 148 
Juristen . 152 
Seidenweber . 152 
Maschinenbauer, Keselchmiede 155 
Budiker 158 
Tuchmacher. 159 
Köhler 160 
Schuster 166 
Däcker- 172 
Mülle 172 
i- Kunniischer 173 
Maurer 174 
Grobschmiede 175 
Handlungsgehilfen 179 
Straßenarbeiter 185 
Strumpfwirker. 186 
Waffenschmiede 186 
Schneider 189 
Hutmacher 192 
Drucker 196 
Baumwollspinner 196 
Arzte 202 
Steinhauer 202 
Buchbinder 210 
Schlächter 211
	        
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