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dium einzelner derselben mit Grund nicht mehr
bezweifeln. Für die Cholera hat Koch nachgewiesen,
daß sie durch verunreinigtes Gebrauchs= und
Trinkwasser verbreitet werden kann. Auch Ruhr,
Magen= und Darmkatarrhe sind oft auf den Ge-
nuß schlechten Wassers zurückzuführen. Dazu
kommen die mancherlei tropischen Krankheiten
(Filaria bancrofti, Distomum haematobium),
ferner Eingeweideparasiten wie Ankylostomum
duodenale, deren Eier durch verunreinigtes Trink-
wasser aufgenommen werden können. Bekannt ist,
daß der Erreger des Wechselfiebers besonders in
Sumpfgegenden gedeiht. Wie jetzt sichergestellt
ist, handelt es sich bei den meisten Formen des
Wechselfiebers sowohl als des Gelbfiebers und der
Schlafkrankheit um Infektion durch Stiche be-
stimmter Arten von Stechmücken bzw. Tsetsefliegen,
deren Brut in stehenden Gewässern, Tümpeln,
Sumpfniederungen usw. auskriecht.
Die öffentliche Gesundheitspflege hat demnach
ein großes Interesse daran, Stagnationen von
Wassern irgendwelcher Herkunft zu verhindern oder
zu beseitigen, Bäche und Flußläufe vor Verun-
reinigungen zu schützen, dem Regen-, Wirtschafts-
und Gebrauchswasser guten Abfluß zu geben und
dafür zu sorgen, daß die Quellen, Brunnen und
Wasserleitungen nicht mit zersetzungsfähigem, or-
ganischem Material in Berührung kommen. Die
Sorge für gutes Trinkwasser schließt die Ein-
schränkung von oberflächlichen Schöpfbrunnen ein,
welche meist nur das stagnierende oder nur wenig
bewegte Grundwasser der obersten Bodenschichten
enthalten, Wasser, welches sehr häufig durch un-
dichte Jauchebehälter oder Durchsickern von durch-
lässigen Abzugsrinnen und -rohren mit organi-
schen Bestandteilen schlimmster Art infiziert ist.
Wenn keine Gebirgsquellen von genügendem
Wassergehalte zu Verfügung stehen, so empfehlen
sich für die Wasserleitungsanlagen am meisten
Tiefbrunnen, deren Mäntel luft= und wasserdicht
vermauert und durch die oberflächlichen und mitt-
leren Grundwasserschichten durchgeführt werden
bis in die eigentlichen Quellwasserschichten. Die
atmosphärischen Niederschläge stellen zwar das
reinste Wasser dar, sind aber zu arm an Salzen,
als daß sie ein gesundes Trinkwasser abgeben
könnten; dann ist auch die Aufbewahrung des
Regenwassers in Zisternen oder Tonnen und aus-
gemauerten Behältern derart, daß es durch Staub
und Keime sehr bald wie anderes stagnierendes
Wasser zersetzt wird. Fluß-(Bach-, Teich-) Wasser
ist nur dann zum Trinken zu benutzen, wenn es
vorher gekocht ist; dasselbe gilt für Schöpf= oder
Pumpbrunnenwasser zweifelhafter Art. Das Fil-
trieren von Fluß= oder anderem unreinem Wasser
durch Kiesschichten oder künstliche Filter liefert
anfangs bei sorgfältiger Durchführung der An-
lage brauchbares Trinkwasser; doch im Laufe der
Gesundheitspflege usw.
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zeitige Erneuerung der Filter usw. große Umsicht
erfordert und kostspielig ist. Reichliche Zuleitung
von Wasser bester Beschaffenheit nicht nur zum
unmittelbaren Genuß für Mensch und Tier, son-
dern auch zur Erhaltung der körperlichen Rein-
lichkeit (Wasch= und Badeanstalten) sowie der der
Wohnungen, Ställe, Straßen und öffentlichen
Plätze ist eine wesentliche Aufgabe der öffentlichen
Gesundheitspflege, die schon von den Völkern des
Altertums erkannt, und wie die großartigen Aquä-
dukte der Agypter und Römer beweisen, in glän-
zender und umfassender Weise gelöst wurde.
Die zum Aufbau des Körpers und zur Er-
haltung seiner Funktionen notwendigen Grund-
stoffe der organischen Welt sind Eiweifkörper,
Fette und Kohlenhydrate (Mehl, Zuckerstoffe), die
der anorganischen Welt Wasser und verschiedene
Mineralstoffe, von denen Alkalien, Chlorverbin=
dungen, Phosphor und Eisen die wichtigsten sind.
Die Eiweißstoffe allein (welche vorzugsweise in
animalischer Nahrung vorkommen) enthalten
außer Sauerstoff, Kohlen= und Wasserstoff noch
Stickstoff, der den Hauptanteil an den Geweben
des tierischen Körpers hat, die alle stickstoffhaltige
Substanzen darstellen. Bei den Herbivoren zeigt
sich, daß auch bei ganz überwiegender Kohlen-
hvdratnahrung Fett= und Eiweißbildung möglich
ist; bei den Karnivoren und Omnivoren wird
jedoch der Ersatz der eiweißhaltigen Gewebe haupt-
sächlich durch stickstoffhaltige Nahrung geliefert
und die Energie der Zelltätigkeitedurch Zerfall des
zirkulierenden Eiweißes unterhalten. Die Wärme-
bildung geht durch die chemischen Prozesse der Um-
setzung sowohl stickstoffhaltiger als stickstofffreier
Nahrung vor sich. Der Typus aller Nahrungs-
mittel, welcher alle zum Aufbau des Körpers not-
wendigen Stoffe, Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate,
Wasser und Salze, enthält, ist die Milch. Dieser
sollte im großen und ganzen die Nahrung des
Menschen überhaupt entsprechen, und es ist durch-
aus verkehrt, durch eine willkürliche Zusammen-
setzung der Nahrung entweder den Fetten oder
den Vegetabilien oder den Eiweißstoffen ein ent-
schiedenes Ubergewicht zu verschaffen. Demnach
ist das Prinzip des Vegetarianismus nicht der
Natur entsprechend, da die vegetarianische Kost
viel zu wenig Fett und auch unverhältnismäßig
mehr Kohlenhydrate als Eiweiß enthält, abgesehen
davon, daß eine vorwaltend vegetabilische Kost zu
ihrer Verdauung und Ausnutzung eine sehr gleich-
mäßige ruhige Lebensweise bei reichlichem Genusse
der frischen Luft (womöglich Arbeiten im Freien)
verlangt, was den wenigsten Menschen beschie-
den ist.
Die Menge der zum Unterhalte des Stoff-
wechsels nötigen Substanzen ist nicht nur nach
Alter, Geschlecht, Klima und Arbeitsleistung sehr
verschieden, sondern auch nach einer gewissen in-
Zeit verschlechtert sich dasselbe immer mehr; das dividuellen Veranlagung und Angewöhnung. Für
beste Filter versagt mit der Zeit, verschlammt und
läßt organische Keime durch, während die recht-
den erwachsenen Arbeiter hat Voit den täglichen
Bedarf auf etwa 118 g Eiweiß, 56 8 Fette,