Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

635 
dium einzelner derselben mit Grund nicht mehr 
bezweifeln. Für die Cholera hat Koch nachgewiesen, 
daß sie durch verunreinigtes Gebrauchs= und 
Trinkwasser verbreitet werden kann. Auch Ruhr, 
Magen= und Darmkatarrhe sind oft auf den Ge- 
nuß schlechten Wassers zurückzuführen. Dazu 
kommen die mancherlei tropischen Krankheiten 
(Filaria bancrofti, Distomum haematobium), 
ferner Eingeweideparasiten wie Ankylostomum 
duodenale, deren Eier durch verunreinigtes Trink- 
wasser aufgenommen werden können. Bekannt ist, 
daß der Erreger des Wechselfiebers besonders in 
Sumpfgegenden gedeiht. Wie jetzt sichergestellt 
ist, handelt es sich bei den meisten Formen des 
Wechselfiebers sowohl als des Gelbfiebers und der 
Schlafkrankheit um Infektion durch Stiche be- 
stimmter Arten von Stechmücken bzw. Tsetsefliegen, 
deren Brut in stehenden Gewässern, Tümpeln, 
Sumpfniederungen usw. auskriecht. 
Die öffentliche Gesundheitspflege hat demnach 
ein großes Interesse daran, Stagnationen von 
Wassern irgendwelcher Herkunft zu verhindern oder 
zu beseitigen, Bäche und Flußläufe vor Verun- 
reinigungen zu schützen, dem Regen-, Wirtschafts- 
und Gebrauchswasser guten Abfluß zu geben und 
dafür zu sorgen, daß die Quellen, Brunnen und 
Wasserleitungen nicht mit zersetzungsfähigem, or- 
ganischem Material in Berührung kommen. Die 
Sorge für gutes Trinkwasser schließt die Ein- 
schränkung von oberflächlichen Schöpfbrunnen ein, 
welche meist nur das stagnierende oder nur wenig 
bewegte Grundwasser der obersten Bodenschichten 
enthalten, Wasser, welches sehr häufig durch un- 
dichte Jauchebehälter oder Durchsickern von durch- 
lässigen Abzugsrinnen und -rohren mit organi- 
schen Bestandteilen schlimmster Art infiziert ist. 
Wenn keine Gebirgsquellen von genügendem 
Wassergehalte zu Verfügung stehen, so empfehlen 
sich für die Wasserleitungsanlagen am meisten 
Tiefbrunnen, deren Mäntel luft= und wasserdicht 
vermauert und durch die oberflächlichen und mitt- 
leren Grundwasserschichten durchgeführt werden 
bis in die eigentlichen Quellwasserschichten. Die 
atmosphärischen Niederschläge stellen zwar das 
reinste Wasser dar, sind aber zu arm an Salzen, 
als daß sie ein gesundes Trinkwasser abgeben 
könnten; dann ist auch die Aufbewahrung des 
Regenwassers in Zisternen oder Tonnen und aus- 
gemauerten Behältern derart, daß es durch Staub 
und Keime sehr bald wie anderes stagnierendes 
Wasser zersetzt wird. Fluß-(Bach-, Teich-) Wasser 
ist nur dann zum Trinken zu benutzen, wenn es 
vorher gekocht ist; dasselbe gilt für Schöpf= oder 
Pumpbrunnenwasser zweifelhafter Art. Das Fil- 
trieren von Fluß= oder anderem unreinem Wasser 
durch Kiesschichten oder künstliche Filter liefert 
anfangs bei sorgfältiger Durchführung der An- 
lage brauchbares Trinkwasser; doch im Laufe der 
Gesundheitspflege usw. 
  
  
636 
zeitige Erneuerung der Filter usw. große Umsicht 
erfordert und kostspielig ist. Reichliche Zuleitung 
von Wasser bester Beschaffenheit nicht nur zum 
unmittelbaren Genuß für Mensch und Tier, son- 
dern auch zur Erhaltung der körperlichen Rein- 
lichkeit (Wasch= und Badeanstalten) sowie der der 
Wohnungen, Ställe, Straßen und öffentlichen 
Plätze ist eine wesentliche Aufgabe der öffentlichen 
Gesundheitspflege, die schon von den Völkern des 
Altertums erkannt, und wie die großartigen Aquä- 
dukte der Agypter und Römer beweisen, in glän- 
zender und umfassender Weise gelöst wurde. 
Die zum Aufbau des Körpers und zur Er- 
haltung seiner Funktionen notwendigen Grund- 
stoffe der organischen Welt sind Eiweifkörper, 
Fette und Kohlenhydrate (Mehl, Zuckerstoffe), die 
der anorganischen Welt Wasser und verschiedene 
Mineralstoffe, von denen Alkalien, Chlorverbin= 
dungen, Phosphor und Eisen die wichtigsten sind. 
Die Eiweißstoffe allein (welche vorzugsweise in 
animalischer Nahrung vorkommen) enthalten 
außer Sauerstoff, Kohlen= und Wasserstoff noch 
Stickstoff, der den Hauptanteil an den Geweben 
des tierischen Körpers hat, die alle stickstoffhaltige 
Substanzen darstellen. Bei den Herbivoren zeigt 
sich, daß auch bei ganz überwiegender Kohlen- 
hvdratnahrung Fett= und Eiweißbildung möglich 
ist; bei den Karnivoren und Omnivoren wird 
jedoch der Ersatz der eiweißhaltigen Gewebe haupt- 
sächlich durch stickstoffhaltige Nahrung geliefert 
und die Energie der Zelltätigkeitedurch Zerfall des 
zirkulierenden Eiweißes unterhalten. Die Wärme- 
bildung geht durch die chemischen Prozesse der Um- 
setzung sowohl stickstoffhaltiger als stickstofffreier 
Nahrung vor sich. Der Typus aller Nahrungs- 
mittel, welcher alle zum Aufbau des Körpers not- 
wendigen Stoffe, Eiweiß, Fett, Kohlenhydrate, 
Wasser und Salze, enthält, ist die Milch. Dieser 
sollte im großen und ganzen die Nahrung des 
Menschen überhaupt entsprechen, und es ist durch- 
aus verkehrt, durch eine willkürliche Zusammen- 
setzung der Nahrung entweder den Fetten oder 
den Vegetabilien oder den Eiweißstoffen ein ent- 
schiedenes Ubergewicht zu verschaffen. Demnach 
ist das Prinzip des Vegetarianismus nicht der 
Natur entsprechend, da die vegetarianische Kost 
viel zu wenig Fett und auch unverhältnismäßig 
mehr Kohlenhydrate als Eiweiß enthält, abgesehen 
davon, daß eine vorwaltend vegetabilische Kost zu 
ihrer Verdauung und Ausnutzung eine sehr gleich- 
mäßige ruhige Lebensweise bei reichlichem Genusse 
der frischen Luft (womöglich Arbeiten im Freien) 
verlangt, was den wenigsten Menschen beschie- 
den ist. 
Die Menge der zum Unterhalte des Stoff- 
wechsels nötigen Substanzen ist nicht nur nach 
Alter, Geschlecht, Klima und Arbeitsleistung sehr 
verschieden, sondern auch nach einer gewissen in- 
Zeit verschlechtert sich dasselbe immer mehr; das dividuellen Veranlagung und Angewöhnung. Für 
beste Filter versagt mit der Zeit, verschlammt und 
läßt organische Keime durch, während die recht- 
den erwachsenen Arbeiter hat Voit den täglichen 
Bedarf auf etwa 118 g Eiweiß, 56 8 Fette,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.