Full text: Staatslexikon. Zweiter Band: Eltern bis Kant. (2)

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500 g Kohlenhydrate, 32 g Salze und 2800 8 
Wasser ermittelt, wobei allerdings zu berücksichtigen 
ist, daß diese Zahlen nur den tatsächlichen Gehalt 
der Nahrung, nicht aber, was von derselben aus- 
genutzt wird, angeben. Bei sehr angestrengter 
Arbeit muß die Eiweißzufuhr um etwa ¼, die 
der Fette um fast das Doppelte gesteigert werden, 
während die Menge der Kohlenhydrate um fast 
10 %% verringert werden kann. Bei ruhiger, un- 
tätiger Lebensweise bedarf der Erwachsene 85 g 
Eiweiß, 30 g Fette und 300 g Kohlenhydrate. 
Die Fettzersetzung wird durch Muskelarbeit auf 
das 3—4fache des Fettverbrauchs während der 
Ruhe gesteigert. Wird dem Körper reichlich Ei- 
weiß zugeführt (ohne Fett), so wird der Eiweiß- 
zerfall gesteigert, ohne daß erhebliche Mengen zum 
Ansatze im Körper gelangen; wird aber daneben 
Fett gegeben, so gelangt ein sehr erheblicher Teil 
des Eiweißes zur Ablagerung. Das Körper- 
eiweiß gelangt zum Zerfall, wenn bei reichlicher 
Fetteinnahme die aufgenommene Eiweißmenge 
sehr klein ist. Die Kohlenhydrate werden über- 
haupt nicht aufgespeichert im Körper, sondern zer- 
sallen sehr rasch unter Wärmebildung; sie sparen 
dabei den Fett= und Eiweißzerfall. 
Die öffentliche Gesundheitspflege hat ein großes 
Interesse an der Feststellung der unteren Grenze 
dessen, was der Mensch in verschiedenen Lebens- 
altern und Stellungen zum Unterhalte bedarf, 
weil das öffentliche Gesundheitswesen in Anstalten 
wie Kasernen, Gefängnissen, Waisenhäusern, Er- 
ziehungsanstalten usw. einerseits aus ökonomischen 
Gründen keine Verschwendung gestatten kann und 
anderseits die Verpflichtung hat, die der Obhut 
Anvertrauten genügend zu ernähren. Die Koft 
muß den Ausfall des verbrauchten Materials 
decken, leicht verdaulich sein, sättigen und mög- 
lichst billig beschafft werden können. Letzteres läßt 
sich nur dann bestimmen, wenn man den Gehalt 
der verschiedenen Nahrungsmittel an ausziehbarem 
(verdaulichem) Eiweiß in Rechnung stellt, da dieses 
den wertvollsten Teil der Nahrung und den Aus- 
gangspunkt der Berechnung bildet (Nährgeld- 
wert). Für dasselbe Geld erhält man am meisten 
verdauliches Eiweiß im Käse, dann in Hülsen- 
früchten, Magermilch; es folgen Kartoffeln, Mehl, 
Ochsenfleisch, Weißbrot. Die billigeren anima- 
lischen Speisen (Fische, Wurst) übertreffen alle 
Vegetabilien, ausgenommen Hülsenfrüchte, an 
Wohlfeilheit. Damit die Kost leicht verdaulich 
sei, muß sie die nötige Menge von Reizmitteln 
(Gewürzen) und Abwechslung auch in der Form 
der Darreichung bieten; sie darf deshalb nicht 
immer z. B. bloß als Suppe verabreicht werden. 
Die leichte Verdaulichkeit ist vor allem im Auge 
zu behalten. Gerade Speisen von hohem Nähr- 
werte, wie Hülsenfrüchte, Stockfische u. dgl., zeich- 
ner sich nicht immer durch diesen Vorzug aus, und 
die Art der Zubereitung ist von großem Einfluß da- 
bei. Im ganzen überwiegt in öffentlichen Anstalten 
die vegetabilische Kost zu sehr über die animalische. 
Gesundheitspflege uf#w. 
  
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Die aus Not gquantitativ unzureichende und 
die aus Unverstand oder Unkenntnis gqualitativ 
schlecht zusammengesetzte Nahrung führt auf die 
Länge der Zeit Aushungerung, jedenfalls aber 
körperliche Schwächung herbei, welche die Wider- 
standsfähigkeit gegen krankmachende Einflüsse, be- 
sonders gegen Ansteckungsstoffe vermindert (Fleck- 
typhus, Hungertyphus). Mangel an frischer Nah- 
rung, besonders an frischen Gemüsen, gibt Anlaß 
zu Skorbut. Die in der gewöhnlichen Weise ge- 
wonnene Milch enthält nach Sorxhlet stets Ver- 
unreinigungen von den Exkrementen der Tiere, 
so daß sie namentlich im Sommer in und außer- 
halb des Magens leicht säuer wird und bei Kin- 
dern die gefürchteten Sommerdiarrhöen und 
Brechdurchfälle erzeugt, an denen zahllose Kinder 
Jahr für Jahr sterben. Auch hat man wiederholt 
Epidemien von Typhus, Scharlach und Diph- 
theritis auf den Vertrieb infizierter Milch zurück- 
führen können. Ferner kann der Tuberkelbazillus, 
wie wiederholt nachgewiesen wurde, durch Milch 
perlsüchtiger Kühe und durch die Produkte dieser 
Milch (Butter, Käse) verbreitet werden. Es ist 
deshalb geboten, Milch nur nach längerem Kochen 
oder nach Sterilisation durch besondere Apparate 
zu genießen und die Meiereien und Molkerei- 
produkte der Aussicht der Gesundheitsbehörden zu 
unterstellen. Ebenso erscheint es geboten, das 
Pflege-, Kost= oder Haltekinderwesen einer öffent- 
lichen Beaufsichtigung zu unterwerfen, da die un- 
gewöhnlich große Sterblichkeit dieser Kinder mit 
der Ernährungsfrage innig zusammenhängt und 
die Milch dabei die wesentlichste Rolle spielt. — 
Brot kann durch Kornrade, Taumelloch und 
namentlich durch Mutterkorn stark verunreinigt 
und deshalb gesundheitsschädlich werden. Schutz 
dagegen geben Mühlen, deren Einrichtungen eine 
vollkommene Reinigung der Körnerfrucht und des 
Mehles gestatten. 
Verdorbenes Fleisch (Wurst, Fische, Mu- 
scheln, Krebse usw.), besonders auch Fleisch milz- 
brandiger Rinder, hat häufig ganze Vergiftungs- 
epidemien hervorgerufen. Ferner werden Einge- 
weidewürmer gewöhnlich durch den Genuß infi- 
zierten (rohen oder schlecht gekochten, geräucherten) 
Fleisches dem Menschen mitgeteilt, so der Band- 
wurm durch finniges Schweinefleisch, die Trichi- 
nose durch trichinenhaltigen Schinken, Speck usw. 
Andere Bandwurmarten werden durch das Rind, 
andere durch Fische, Hecht und Quappe, dem 
Menschen mitgeteilt. Auch die Finne und der 
Hülsenwurm werden indirekt (bei letzterem durch 
Vermittlung des Hundes) durch die Fleischnah= 
rung übertragen. Unbedingt verwerflich ist der 
Genuß des Fleisches der an akuten Wund= und 
Infektionskrankheiten leidend gewesenen Tiere. 
Auch die im Absterben begriffenen, die an Über- 
anstrengung oder an irgend einer Krankheit ver- 
endeten Tiere, dann alle mit Entozoen (Finnen, 
Trichinen, Echinokokken) und mit Perlsucht be- 
hafteten und die an Lungenseuche, Milzbrand, 
 
	        
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