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gazine zu regulieren, welche in Zeiten der Teue-
rung geöffnet wurden. Daneben aber findet man
das Mittel zeitweiliger Ausfuhrverbote. Seit dem
ersten Drittel des 18. Jahrh. werden auch Schutz-
maßregeln getroffen zugunsten der inländischen
Getreideproduktion und Regulierung des Ge-
treidehandels durch Einfuhrzölle bzw. verbote
gegen Mecklenburg und Polen. Das Streben ging
dahin, das ausländische Getreide wohl zur Durch-
fuhr, also zur Förderung des Handels zuzulassen,
nicht aber als Konkurrenz auf dem innern Markt
erscheinen zu lassen. Dabei war das Verhältnis
der einzelnen Provinzen ein sehr verschiedenes: die
Provinzen an der Ostsee hatten das Interesse des
freien Handels; auch für die übrigen Provinzen
ward derselbe als günstig erachtet, während für
Schlesien wegen seiner zwischen Polen und Oster-
reich hineingeschobenen Lage eher ein Schutz ge-
boten erschien (ugl. Struensee, Abhandlungen).
Weniger die Vergangenheit als die Geschichte
des gegenwärtigen Zollsystems im Deutschen Reich
erregt an dieser Stelle unser Interesse. Die Tarife
(zusammengestellt bei Krökel II, Tabelle 11) zeigen
folgende Sätze. Preußische Erhebungsrolle vom
25. Okt. 1821: 40 Scheffel Weizen 7,50 M, des-
gleichen Gerste 2,50, Hafer 1,50, Roggen 3, Hülsen-
früchte 6 M. Preußische Erhebungsrolle vom
19. Nov. 1824: Weizen, Spelz, Dinkel in den öst-
lichen Provinzen für jeden Scheffel 0,50, in den
westlichen 0,20 M; Gerste, Roggen, Hafer in den
östlichen 0,50, in den westlichen 0,10; Hülsenfrüchte
0,50 und 0,20 Al. Die preußischen Erhebungsrollen
seit 30. Okt. 1827, sodann der Vereinstarif seit 31.Okt.
1833 usw. bis zum Vereinstarif vom 27. Okt. 1854
halten 0,50 M als Getreidezoll fest. Der Zoll war
aber während der Mitte der 1850er Jahre suspen-
diert. Der Tarif vom 6. Nov. 1856 erniedrigte
Weizen auf 0,20, Roggen auf 0,05 M. Der Zoll-
tarif vom 17. Juni 1865 gab völlig freie Einfuhr.
Dieses Verhältnis blieb bis zum deutschen Zoll-
tarif vom 15. Juli 1879, welcher für Weizen,
Roggen, Hafer, Hülsenfrüchte 1 M per Doppelzent=
ner, für Gerste, Mais und Buchweizen 0,50 M be-
stimmte. Das Gesetz vom 22. Mai 1885 erhöhte
die Sätze für 100 kg der Nummer 9 des Zolltarifes
(Getreide) für Weizen und Roggen auf 3 àl, Ha-
fer, Gerste auf 1,50, für Hülsenfrüchte usw. auf
1 M; entsprechend auch für andere Erzeugnisse.
Das Gesetz vom 21. Dez. 1887 brachte eine weitere
Erhöhung für Weizen und Roggen auf 5 M, Hafer
auf 4 M, Gerste auf 2,25, für andere Erzeugnisse
auf 2 M. Eine Herabminderung trat ein durch die
Handelsverträge vom Dez. 1891 mit Österreich-
Ungarn, Italien, der Schweiz und Belgien (im
Verkehr mit diesen und dann auch mit den andern
meistbegünstigten Staaten) für Weizen und Roggen
auf 3,50, Hafer auf 2,80, Gerste auf 2 M usw.
Das Gesetz vom 25. Dez. 1902 erhöhte diese
Sätze wieder und legte gleichzeitig Minimalsätze
fest, die in den Jahren 1904/05 beim Abschluß der
neuen Handelsverträge innegehalten wurden und
seit dem 1. März 1906 in Geltung sind. Es sind
dies folgende Sätze:
Weizen
Roggen
Gewerbe ufw.
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Hafer 5,00
ee
Mais 3,00
Mehl. 10,20
Literatur. Materialien. Materialien für
die deutsche Handelspolitik, hrsg. vom Deutschen
Landwirtschaftsrat (1901); Materialien zum Zoll-
tarif, hrsg. vom Bund der Landwirte (1901). Vom
Handelsvertragsverein: Zolltarifhandbuch (1901),
Das Interesse der deutschen Industrie an den Han-
delsverträgen (1901), Jahrbuch für 1901 (1902);
die amtl. Drucksachen des Reichstags 1879 u.
1902; Die Neugestaltung der deutschen Handels-
politik (1901). — Statistik. Für Deutschland:
Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich (seit
1880); Monatshefte zur Statistik des Deutschen
Reiches (seit 1884). Seit 1892 erscheinen: Monatl.
Nachweise über den auswärtigen Handel (daneben
Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen Rei-
ches); Die deutsche Volkswirtschaft am Schlusse des
19. Jahrh., bearbeitet im Kaiserl. Statist. Amt
(1900). — Monographien: C. Krökel, Das
preußisch-deutsche Zolltarifsystem seit 1818 (1881);
Kühn, Die G. in ihrer Bedeutung für den kleinen
u. mittleren Grundbesitz (1885); Köttgen, Studien
über Getreideverkehr u. Getreidepreise in Deutsch-
land (1890); Buchenberger, Agrarwesen u. Agrar-
politik (2 Bde, 1892 f); Pichler, Der Antrag Kanitz,
Gesch., parlamentarische Behandlung u. Würdigung
desselben (1896); Ruhland, über den Einfluß des
Eroßkapitals auf die Gestaltung der Getreidepreise
(1897); List, Die Interessen der deutschen Land-
wirtschaft im deutsch-russ. Handelsvertrag (1900);
Lotz, Der Schutz der deutschen Landwirtschaft u. die
Aufgaben der künftigen deutschen Handelspolitik
(1900); Hober, Deutschland als Industriestaat
(1901); Grunzel, System der Handelspolitik (1901);
Helferich, Handelspolitik (1901); L. Brentano,
Das Freihandelsargument (1901); derf., Die
Schrecken des Industriestaates (1901); J. Wolf,
Das Deutsche Reich u. der Weltmarkt (1901); M.
Grabein, Die deutschen G. der Zukunft (1900); K.
Diehl, Kornzoll u. Sozialreform (1901); H. Dietzel,
Kornzoll u. Sozialreform (1901); Njemetzki, Die
Industrialisierung der Landwirtschaft (1901); P.
Mombert, Die Belastung des Arbeitereinkommens
durch die Kornzölle (1901); R. v. Heinz, Staffel-
zölle (1901); R. Calwer, Arbeitsmarkt u. Handels-
verträge (1901); G. Ruhland, Die internat. landw.
Konkurrenz ein kapitalist. Problem (1901); M.
Naumann, Kornzölle u. Volkswirtschaft (1901);
Schippel, Grundzüge der Handelspolitik (1902);
Kautsky. Handelspolitik u. Sozialdemokratie (1901);
Wagner, Agrar= u. Industriestaat (21902); Berg,
Getreidepreise u. Kriminalität seit 1882 (1902);
Hailer, Studien über den deutschen Brotgetreide-
handel in den Jahren 1890/99 (1902). Schriften
des Vereins für Sozialpolitik, insbes.. Bd 90 u. 91
(Beiträge zur neuesten Handelspolitik Deutschlands
(1900 ffl); Schriften der Zentralstelle für Vorbe-
reitung von Handelsverträgen (1900 ff).
lv. Huene, rev. Aengenheister.])
Gewerbe, Gewerbeordnung. [Be-
griff; geschichtliche Entwicklung des Gewerbe-
wesens; Gewerbegesetzgebung, insbesondere in
Deutschland.]