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dürfen der Genehmigung der höheren Verwal-
tungsbehörde, sind in der für Bekanntmachungen
der Gemeinde oder des weiteren Kommunalver=
bandes vorgeschriebenen oder üblichen Form zu
veröffentlichen und können, wenn sie mit den Ge-
setzen oder statutarischen Bestimmungen des wei-
teren Kommunalverbandes in Widerspruch stehen,
von der Zentralbehörde außer Kraft gesetzt werden.
Die Auswahl der beteiligten Gewerbetreibenden
und Arbeiter hat, sofern nicht geeignetere Per-
sonen zur Verfügung stehen, aus den Beisitzern
der Gewerbegerichte, Schiedsgerichte, Arbeiter-
ausschüsse oder den Vorstandsmitgliedern der
Krankenkassen zu erfolgen.
Tit. X (§§ 143/153) enthält die Straf-
bestimmungen der Gewerbeordnung.
Für die Reglung der gewerblichen Verhältnisse
im weiteren Sinne kommen außer der Reichs-
gewerbeordnung auch noch manche andere Gesetze
in Betracht, so namentlich das Gesetz betreffend die
Abzahlungsgeschäfte, das Gesetz zur Bekämpfung
des unlauteren Wettbewerbs, das Kinderschutz-
gesetz, ferner zahlreiche Bestimmungen des B. G.B.
und des Handelsgesetzbuches.
2. In Österreich fehlte es bis 1859 an einem
einheitlichen Gewerberecht. Infolge des Nieder-
ganges der zünftigen Ordnung des Gewerbewesens
waren zwar auch hier im 17. und 18. Jahrh.
manche dem Zunftwesen mehr oder minder günstige
Reformversuche unternommen worden (Handwerks-
generalien von 1731/32, böhmische Generalzunft-
artikel), indes mit verschiedenem und teilweise recht
geringem Erfolge. Namentlich in den zünftigen
Gewerben (man unterschied zünftige und unzünf-
tige Gewerbe, vgl. d. Art. Innungen) blieben die
Zustände auch in der ersten Hälfte des 19. Jahrh.
höchst mißlich. Dazu kam, daß die verwickelte
Gestaltung des Gewerberechts der gewerblichen
Entwicklung überhaupt sehr hinderlich war. So
wurde denn — nach einem vergeblichen Versuche
in den 1840er Jahren — 1856 eine einheitliche
Reglung der Gewerbegesetzgebung in Angriff ge-
nommen, die in der Gewerbeordnung vom 20.Dez.
1859 zur Durchführung gelangte. Hiermit kam
für Osterreich allgemein, unter Beseitigung des
noch bestehenden Zunftzwanges, eine sehr weit-
gehende Gewerbefreiheit zur Geltung, welche bis-
her nur in seinen italienischen Provinzen (seit Be-
ginn des 19. Jahrh.) bestanden hatte. Später
sind indes wieder sehr wesentliche Einschränkungen
der Gewerbefreiheit erfolgt, insbesondere zum
Schutz und zur Verbesserung der Lage des Klein-
gewerbes und der gewerblichen Arbeiter. Zu nennen
sind hier vor allem die Novelle vom 15. Mär
1883 (nebst Ergänzungsgesetz vom 4. Juli 1896),
durch welche unter anderem Zwangskorporationen
und Befähigungsnachweis für das Handwerk ein-
geführt wurden, ferner das „Arbeiterschutzgesetz“
vom 8. März 1885. — An Besonderheiten des
geltenden österreichischen Gewerberechts — im Ge-
gensatz zum deutschen — ist zunächst zu bemerken,
Gewerbe ufw.
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daß die Hausindustrie (sofern sie ohne gewerb-
liche Hilfsarbeiter betrieben wird), der Hausier-
handel, die Ausübung der Heilkunde in vollem
Umfang nicht der Gewerbeordnung unterstehen,
desgleichen nicht Sparkassen, Kredit-, Bank-, Ver-
satz-, Versicherungs= und andere derartige Unter-
nehmungen, daß ferner außer geschäftsunfähigen
Personen und in der Regel auch Ausländern vom
Gewerbebetrieb ausgeschlossen sind Geistliche und
Ordenspersonen, Militärpersonen, landesfürstliche
und öffentlich angestellte Personen, sowie solche,
denen die Gewerbeberechtigung durch gerichtliche
oder verwaltungsbehördliche Entscheidung entzogen
ist. Die Zahl der „freien“ Gewerbe, zu deren
Betrieb nur ein Gewerbeschein als Legitimation
erfordert wird, ist in Osterreich nicht sehr groß;
47 Gewerbe gelten nach der Verordnung vom
30. März 1884 als „handwerksmäßige“ und
dürfen nur nach Vollendung einer bestimmten
Lehr= und Gesellenzeit sowie Ablegung eines Be-
fähigungsnachweises betrieben werden. Daneben
gibt es noch eine Anzahl Gewerbe, deren Aus-
übung gemäß Gewerbeordnung oder besonderer
Gesetze von einer Konzession abhängig ist; außer
manchen, die auch nach deutschem Gewerberecht
konzessionspflichtig sind, gehören z. B. Druckerei-
und Baugewerbe hierher. Beschränkungen in der
Ausübung des Gewerbebetriebes bestehen in großer
Zahl, und behördliche Taxen sind in weiterem
Maße zulässig als in Deutschland. Das sog.
Detailreisen durch Angestellte einheimischer Ge-
werbetreibenden ist jedoch in vollem Umfang, das
Aufsuchen von Bestellungen durch selbständige
Handelsagenten und ausländische Handlungs-
reisende in beschränkter Weise gestattet. Der Markt-
verkehr ist ähnlich geordnet wie in Deutschland,
desgleichen ist das Hausiergewerbe ähnlichen Be-
stimmungen unterworfen, letzteres indes nicht durch
die Gewerbeordnung, sondern durch kaiserliches
Patent vom 4. Nov. 1852; Hausierhandel und
gewerbsmäßiges Beziehen von Märkten dürfen
nicht gleichzeitig ausgeübt werden.
Literatur. Zu I: Bücher, Die Entstehung der
Volkswirtschaft (61908); ders., Art. „G.“ im Hand-
wörterbuch der Staatswissenschaften u. in El-
sters Wörterbuch der Volkswirtschaft; Inama-
Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte I/III (1879
bis 1901); Roscher, System der Volkswirtschaft
III: Handels= u. G. fleiß (71899); Schönberg, G.,
erster Teil, im Handbuch der polit. Okonomie
(1896); Schmoller, Zur Gesch. der deutschen Klein-
gewerbe im 19. Jahrh. (1870); ders., Grundriß der
allgemeinen Volkswirtschaftslehre (2 Bde, 1904/08);
Sombart, Der moderne Kapitalismus (2 de,
(21909); Untersuchungen des Vereins für Sozial-
politik (Bd 62/71, 76 sowie 39/42, 48 u. 84/87)
über die Lage des Handwerks sowie Hausindustrie
u. Heimarbeit in Deutschland u. Osterreich. Eine
kurze Zusammenfassung der Ergebnisse wissenschaftl.
Forschung in populärer Form bietet Sombart, G.=
wesen (2 Bde, Samml. Göschen); Otto, Das deut-
sche Handwerk in seiner kulturgeschichtl. Entwick-
lung (1904, Aus Natur u. Geisteswelt); Neuhaus,