723
stande in 195 (1905: 128) und ein Schiedsspruch
in 38 (1905: 25) Fällen. 20 (1905: 164) Streit-
sachen hatten kein Ergebnis. Bei den Schieds-
sprüchen unterwarfen sich beide Teile in 29 (1905:
14) Fällen, nur die Arbeitgeber in 3 Fällen, nur
die Arbeiter in 4 (1905: 6) Fällen, kein Teil in
2 Fällen. An Gutachten wurden 33 (1905: 30)
agarben und Anträge im ganzen 8 (1905: 1) ge-
ellt.
Auch in sachlicher Beziehung kann die Recht-
sprechung der Gewerbegerichte vollen Anspruch auf
allgemeine Anerkennung erheben. In vielen Ge-
werbegerichten pflegen alle Urteile einstimmig ge-
fällt zu werden. Das Zusammenarbeiten von Ver-
tretern der Arbeitnehmer und Arbeitgeber hat
nirgends zu Schwierigkeiten geführt, ebensowenig
hat ein Gegensatz zwischen den Vertretern der beiden
Stände sich herausgebildet. Die Ausbildung des
Rechts des gewerblichen Arbeitsvertrages ist durch
die Rechtsprechung der Gewerbegerichte wesentlich
gefördert worden. Die Wertschätzung der Ge-
werbegerichte bei den Arbeitern hat sich stets ge-
steigert, die Abneigung einzelner Kreise der Ar-
beitgeber gegen sie sich rasch gemildert. Eine
Tätigkeit der Gewerbegerichte als Einigungsamt
bei Lohnstreitigkeiten ist in manchen Fällen mit
Erfolg ins Leben getreten. Doch hat sich diese
Tätigkeit, wenn sie auch augenscheinlich langsam
zunimmt, bisher nicht ganz in der gehofften und
erwünschten Weise entwickelt. Am wenigsten ent-
Gewerbegerichte.
724
dung von Streitigkeiten zwischen Kaufleuten und
ihren Gehilfen und Lehrlingen sind inzwischen be-
reits Kaufmannsgerichte (ogl. diesen Art.)
errichtet worden durch das Reichsgesetz vom
6. Juli 1904.
Die Innungsschiedsgerichte haben durch
die Novelle zur Gewerbeordnung vom 26. Juli
1897 („Innungsnovelle") 88 91, 91 a eine festere
Gestalt erhalten, in manchen Beziehungen nach
dem Muster der Gewerbegerichte. Sie können
von allen Innungen errichtet werden, sowohl den
freien als den Zwangsinnungen. Ihre Kompetenz
wurde auf die Gesellen und Arbeiter des Hand-
werks ausgedehnt. Sie bestehen aus einem Vor-
sitzenden, den die Aufsichtsbehörde ernennt und
der nicht der Innung anzugehören braucht, und
mindestens je einem Meister und Gesellen. Doch
wagte man nicht, ihre Sprüche für berufungsfrei
zu erklären; binnen einem Monat kann gegen sie
1 die Klage beim ordentlichen Gericht erhoben wer-
den. Die bessere Ausgestaltung der Innungs-
schiedsgerichte ist vielfach angefochten worden als
den Gewerbegerichten Eintrag tuend. Doch war
sie völlig gerechtfertigt. Die Innungsschiedsgerichte
steigern den Nutzen der Gewerbegerichte als Stan-
desgerichte dahin, daß nur Angehörige desselben
Faches das Urteil finden. Sollen die Innungen
volles Leben gewinnen, so sind eigene Gerichte für
sie nicht zu entbehren. Neben den Innungsschieds-
faltete sich bisher die Tätigkeit der Gewerbegerichte gerichten ist die Kompetenz der Innungen, durch
in Gutachten und Anträgen; die Hoffnung, daß besonders zu bestellende Organe Streitigkeiten
sich durch diese Tätigkeit die Gewerbegerichte zu zwischen Meistern und Lehrlingen zu schlichten,
einer Art Gewerbekammern werden entwickeln kön= geblieben.
nen, in denen zu Zwecken der Interessenvertre- 3. Andere Länder. — Österreich hatte
tung Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichberechtigt ebenfalls im Anschluß an das Vorbild der fran-
sind, hat sich nicht erfüllt. Der Wunsch nach Ge= zäösischen Gesetzgebung Gewerbegerichte eingeführt,
werbekammern blieb daher rege. Für das Hand= und zwar schon durch ein Gesetz vom 14. Mai
werk hat er inzwischen Erfüllung gefunden durch 1869, das aber nur für fabrikmäßige Betriebe
die Gewerbeordnungsnovelle vom 30. Juni 1900. galt. Eine Fortbildung haben diese Gewerbe-
Die Schaffung von Arbeitskammern enthält der gerichte gefunden durch das dem deutschen Reichs-
soeben veröffentlichte Entwurf eines Gesetzes über gewerbegerichtsgesetz von 1890 nachgebildete Ge-
Arbeitskammern. setz vom 27. Nov. 1896, betreffend die Einführung
Die großen Vorteile des gewerbegerichtlichen von Gewerbegerichten und die Gerichtsbarkeit in
Verfahrens und die gemachten guten Erfahrungen Streitigkeiten aus dem gewerblichen Arbeits-,
haben inzwischen bei zahlreichen andern Kreisen Lehr= und Lohnverhältnisse (in Kraft seit 1. Juli
der Bevölkerung den Wunsch erregt, ebenfalls dieser 189 8). Ihre Befugnisse sind dieselben wie die der
Vorteile teilhaftig zu werden. Die zahlreichen deutschen Gewerbegerichte. Wer als Arbeiter zu
Klagen von Dienstboten, welche fruchtlos bei den #gelten hat, ist gesetzlich festgelegt. Die sachliche
Gewerbegerichten angebracht werden, zeigen das Zuständigkeit bestimmt sich nach Maßgabe der
Bedürfnis einer Ausdehnung auf das Gesinde. Gewerbeordnung, erstreckt sich jedoch nicht auf
Auch die Eisenbahnarbeiter wünschen dem Ge= Streitigkeiten zwischen dem Fiskus und den in
werbegericht unterstellt zu werden. Petitionen, Betrieben der Militärverwaltung beschäftigten
welche an den Reichstag gerichtet wurden, for= Arbeitern. Die Errichtung von Gewerbegerichten
derten die Ausdehnung auf die kaufmännischen erfolgt im Einvernehmen mit den beteiligten Mini-
Angestellten. Der Deutsche Landwirtschaftsrat ver= sterien durch justizministerielle Anordnung. Die
langte im März 1895 in Berlin landwirtschaft-
liche Schöffengerichte nach dem Muster der Ge-
werbegerichte. Der Deutsche Seemannskongreß in
Hamburg beantragte im Jan. 1899 Seeschöffen--
gerichte. Die Entwicklung für die Zukunft ist da-
mit genügend vorgezeichnet. Für die Entschei-
sochlichen Kosten tragen die Gemeinden, alle übrigen
trägt der Staat. Das Gewerbegericht besteht aus
einem Vorsitzenden und erforderlichenfalls einem
Stellvertreter sowie aus mindestens zehn Beisitzern
und den nötigen Ersatzmännern. Der Vorsitzende
und sein Stellvertreter müssen für das Richteramt