727 Gewerbeinspektion — Gewerbesteuer. 728
Der Vorsitzende wird von den Mitgliedern des nach Maßgabe des Umfanges des Gewerbes, nach
Gerichts aus ihrer Mitte gewählt, mit je ein= Verhältnis seines Ertrages. Nach der eben ge-
jähriger Amtsperiode. Er muß abwechselnd aus gebenen Erklärung des Begriffs von Gewerbe
den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern ge= wird man geneigt sein, auch den landwirtschaft-
nommen werden. lichen Betrieb einzurechnen und die Erhebung
Belgien hatte aus seiner französischen Zeit einer Gewerbesteuer von demselben als berechtigt
Conseils de prud’hommes. Es hat sie neu ge= hinzustellen. Grundsätzlich läßt sich dagegen auch
regelt durch Gesetz vom 31. Juli 1889. keine Einwendung erheben, nur hat die Entwick-
Italien hat Gewerbegerichte (collegi de' lung der Grundsteuer dazu geführt, den Grund-
probi viri) errichtet durch Gesetz vom 25. Juni besitz durch diese Ertragssteuer als hinreichend
1893, wesentlich nach französischem Muster, doch besteuert zu erachten und von einer weiteren Ge-
mit Berücksichtigung der deutschen Erfahrungen. werbesteuer in fast allen Gesetzgebungen Abstand
England hat councils of conciliation nach zu nehmen. Auf der andern Seite wird man
einem Gesetz vom 15. Aug. 1867, in eigentüm- unter Zugrundelegung obiger Erklärung es als
licher Weise.
Literatur. Stieda, Das G. (1890); Som-
bart, Ital. Gesetz betr. Einsetzung von probi viri,
im Archiv für soziale Gesetzgebung u. Statistik VI
(1891); Jastrow, Erfahrungen in den deutschen
G.en, im Jahrbuch für Nationalökonomie XIV
(1897); Art. Prud'’hommes im Dictionnaire de
Tadministration française; Stieda, Art. „G." in
Conrads Handwörterbuch der Staatswissenschaften
IV (71900); Pollak, Art. „G.e" in Mischler u. Ul-
brichs Osterr. Staatswörterb. II (21906); Baum,
Handbuch für G.e (1904); Neukamp, Art. „G.e" in
Elsters Wörterbuch der Volkswirtschaft 1 (21906);
Jarres, Das G. (1907). Kommentare zum Gesetz
betr. die G. von Bachem (1893), Bernewitz (21901),
Haas (21902), Hirsekorn (1902), Menzinger u.
Prenner (21902), v. Schulz (1902), Wolff (1902),1
nicht zutreffend erachten, wenn einzelne Gesetz-
gebungen die Notare, Advokaten usw. auch zu einer
Gewerbesteuer heranziehen.
üÜüberaus schwierig ist es, den Ertrag des Ge-
werbes richtig als Steuerobjekt herauszuschälen.
Die Steuer bildet tatsächlich einen Teil der Her-
vorbringungskosten. Daraus folgt, daß der steuer-
zahlende Gewerbetreibende dieselbe auf den Kon-
sumenten abzuwälzen bestrebt sein wird. Jeden-
falls führt eine ungleiche Belastung durch die
Steuer bei Gewerbetreibenden eine Schädigung
der verhältnismäßig zu hoch besteuerten gegen-
über den minder besteuerten im gewerblichen Wett-
streit herbei.
Die zu erstrebende Verhältnismäßigkeit
Wilhelmi u. Bewer (21903), Mugdan u. Cuno wird bei der Gewerbesteuer indessen durch eine
(61906), Neukamp (1907). — Zeitschriften: Das ganze Reihe von Ursachen bedingt. Art des Ge-
Gewerbe= u. Kaufmannsgericht (seit 1896); Ge= werbes, der Ort, an welchem dasselbe betrieben
werbearchiv für das Deutsche Reich (seit 1902); wird, kommen in Betracht. Sehr von Einfluß
Reichsarbeitsblatt (seit 1903). „ auf die Ergebnisse für den Steuerzahler ist die
(Karl Bachem.] Frage, ob derselbe mit eigenem oder mit erborgtem
Gewerbeinspektion s. Gewerbeaufsicht. Kapital arbeitet; für die Steuer aber kann dies
Gewerbekammern s. Handelskammern. 1 nicht maßgebend sein, das liegt in der Natur der
Gewerbeschulen s. Technisches Unterrichts= Ertragssteuer. Es handelt sich eben nicht um das
wesen. reine Einkommen des Gewerbetreibenden, sondern
Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer (auch um den Ertrag des Betriebes. Man stelle sich
„Erwerbssteuer“ genannt, so z. B. in der öster= einen solchen vor in Händen eines Mannes, der
reichischen Gesetzgebung) gehört zu den direkten sein ganzes Betriebskapital von andern entliehen
Steuern und innerhalb derselben zu den Ertrags= und mit 5 % zu verzinsen hat, während der Be-
steuern (vgl. d. Art. Einkommensteuer Bd I. trieb ihm nicht so viel Ertrag gibt, um diese
Sp.1498). Das Gewerbe besteht darin, daß die Zinsen zu bezahlen. Der Gläubiger erhält keine
menschliche Tätigkeit unter Benutzung der von der Zinsen und übernimmt daher den Betrieb selbst.
Natur gebotenen Sachgüter, durch deren Bearbei= In beiden Fällen würde die Gewerbesteuer aus
tung, Veredlung, Umsatz, Verabreichung zur Be= dem gleichen Betriebe gleich hoch sein, trotzdem
nutzung oder zum Genuß Erträge erzielt. Nach der eine Besitzer gar nichts erübrigt, der andere,
dem Umfange dieses Ertrages soll sich die Steuer der keine Zinsen zu zahlen braucht, ein Einkommen
richten. Will man die allgemeine Berechtigung hat. Man kann eben die Gewerbesteuer nicht ab-
einer solchen Steuer finden, so wird man aner-
kennen müssen, daß diese gewerbliche Tätigkeit
das Vorhandensein einer gewissen Ordnung und
Sicherheit in den Verhältnissen von Staat und
Gesellschaft voraussetzt und desto reicher sich ent-
falten kann, je vollkommener die Einrichtungen
des Staates, je größer die Rechtssicherheit, je ent-
wickelter die Verkehrsbedingungen sind. Daher
die volle Berechtigung zur Besteuerung, zu einem
Beitrage zu den Kosten aller dieser Einrichtungen
getrennt von dem Steuersystem betrachten, sondern
nur innerhalb desselben. Von diesem Standpunkt
aus erklären sich auch die großen Verschiedenheiten
unter den Gesetzgebungen der verschiedenen Staaten,
jie nachdem die Gewerbesteuer als Ertragssteuer
klar abgeschieden wurde von der Einkommensteuer
oder mit dieser in unmittelbare Verbindung ge-
bracht ward.
Wir finden bei der Gewerbesteuer das Be-
sttreben, verschiedenartige Anhaltspunkte für