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nicht im mindesten zu nahe treten. Wir wollen in
der Görres-Gesellschaft leben und schaffen für die
Mehrung der Geistes= und Wissensschätze der
Menschheit. Die besten und sichersten Methoden,
welche vom denkenden Menschengeist im Bereich
des natürlichen Erkennens zur Förderung der
Wissenschaft irgendwie ausfindig gemacht werden
können, sollen dabei auch von uns sicher und frei-
mütig gehandhabt werden.“
Literatur. J. v. Görres' Gesammelte Schrif-
ten: 1. Politische Schriften (6 Bde, 1854/60);
2. Gesammelte Briefe (1858 u. 1874); Johann
Joseph v. G. Ein Denkmal aus seinen Schriften
auferbaut (1854); Leben und Wirken des Joseph
v. G. (1859); J. Galland, Joseph v. G. (21876;
hier sind auch die vollständigen Verzeichnisse seiner
eigenen wie der über ihn handelnden Schrift-
werke, der selbständigen wie der in zahlreichen
Zeitschriften erschienenen, zu finden); Joseph
Gedächtnisrede an seinem hundertsten Geburts-
tag, gehalten zu aeblen am 25. Jan. 1876
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m — Griechenland. 824
brachte; 1815 zählte sie bereits 600 Kauffahrer
und 2000 Seeleute. Diese Flotte war die Hoff-
nung der Zukunft; zugleich arbeiteten patriotische
Männer unablässig an der geistigen Wiedergeburt
des tief in Unwissenheit versunkenen Volkes, um
den Befreiungskampf vorzubereiten; denn die Er-
innerung an die einstige Größe, die treue An-
hänglichkeit an die Sache des Kreuzes und die
rohen Gewalttaten der Unterdrücker ließen den
Gedanken an Freiheit nie schwinden.
Der ausgebreitete Handel und die starke Aus-
wanderung brachten die Griechen mit dem übrigen
Europa in nähere Berührung. Nach dem Wiener
Kongreß, der ihre Hoffnungen wieder täuschte,
verbreitete sich die Hetärie, ein politischer Ge-
heimbund, den schon der begeisterte Freiheitssänger
Konstantin Rhigas (1753/98) ins Leben gerufen
G. hatte, über die ganze griechische Welt. Die im
März 1821 von Alexander Ypsilanti veranlaßte
von Dr IJ. B. Heinrich (1876); Sepp, G. und
seine Zeitgenossen 1776—1848 (1877). Den ersten!
Teil der Briefe von G. an Achim v. Arnim
(1808/13) veröffentlichte N. Steig in den Neuen!
Jahrbüchern X (1901); Justus Hashagen, Pro-
legomena zu einer Geschichte der Rheinlande unter
Ranze Herrchaft (1908); Rhenanus, DTer junge
G. (1909). (Thoemes, rev. Jul. Bachem.)
Gotenberger System s. Trunksuchts-
bekämpfung.
Gottesacker s. Kirchhöfe.
Gottes Gnaden, von, s. Monarchie.
Greater Britain s. Großbritannien"Sp.848).
Grenze s. Staatsgebiet.
Griechenland. 1. Geschichte. Griechen-
land, seit 1832 selbständiges Königreich „Hellas“
in Südosteuropa, umfaßt Thessalien, den südöst-
lichen kleineren Teil von Epirus, das alte Mittel-
griechenland (Hellas oder Romanien, früher Liva-
dia), den Peloponnes (Morea) und das Insel-
gebiet: Euböa, die Kykladen,
Sporaden und (seit 1864) die Jonischen Inseln.
Alle diese Gebiete kamen nach der Eroberung von
Konstantinopel allmählich in die Gewalt der Mo-
hammedaner. Seit 1503 war Griechenland tür-
kische Provinz; nur die Jonischen Inseln verblieben
den Venezianern. Der Verlust alles Grundeigen-
tums, das der Sultan nach türkischem Recht für
sich in Anspruch nahm, die willkürlich besteuerte
Nutznießung des ehemaligen Besitzes, die unge-
wohnte Kopfsteuer und der Mangel an jeglichem
Rechtszustande trieben die freiheitsliebende Be-
völkerung wiederholt zu blutigen Aufständen, die
nur noch härteren Druck zur Folge hatten. Auch
die 1770 und 1787 im Vertrauen auf die Hilfe
von Katharina II. gewagten Erhebungsversuche
mußten die Griechen furchtbar büßen; jedoch
brachte ihnen der Friede von Jassy (1792) freie
Schiffahrt unter russischer Flagge. Infolgedessen,
nahm die griechische Handelsmarine einen der-
artigen Aufschwung, daß sie nach kurzer Zeit die
ganze Reederei für den Levantehandel an sich
die nördlichen
Erhebung in der Moldau fand jedoch wenig Unter-
stützung und wurde schnell unterdrückt; dagegen
kämpfte auf Morea und den Inseln die aufgestan-
dene Bevölkerung nicht ohne Glück, obgleich die
erwartele russische Hilfe ausblieb. Philhellenen=
vereine traten in ganz Europa zusammen und
wirkten in Wort (Wilhelm Müller) und Tat (Lord
Byron) für das ringende Volk. Die Großmächte
allerdings hielten den Aufstand für einen Eingriff
in das Legitimitätsprinzip, und der Kongreß von
Verona wies 1822 ein Gesandtschaft der Griechen
zurück, welche am 22. Jan. 1822 Griechenland
als unabhängigen Föderativstaat unter der Prä-
sidentschaft des Fürsten Alexander Maurokordatos
ausgerufen hatten.
Der Krieg wurde mit abwechselndem Glücke
geführt, bis Ibrahim Pascha am 5. Febr. 1825
auf Morea landete und den Aufstand unter furcht-
baren Verheerungen niederwarf. Nach dem Falle
von Missolunghi (22. April 1826) und der Akro-
polis (5. Juni 1827) schien die eben erkämpfte
Freiheit wieder verloren: da kam Rettung von
England, Rußland und Frankreich, die sich im
Londoner Vertrage vom 6. Juli 1827 über
die „Pazifikation“ von Griechenland verständigt
hatten. Von der Pforte mit ihren Vorschlägen ab-
gewiesen, erkannten die Schutzmächte“ Griechen-
land als unabhängigen Staat an, und ihre Flot-
ten vernichteten am 20. Okt. 1827 die türkische
Seemacht bei Navarino. Im Frieden zu Adria-
nopel (14. Sept. 1829) mußte die Pforte gegen
Englands Absichten die Unabhängigkeit der Grie-
chen anerkennen, und das Londoner Protokoll vom
3. Febr. 1830 erklärte Griechenland für ein selb-
ständiges Königreich, zog ihm aber so enge Grenzen,
daß mehrere Landschaften und Inseln mit vor-
herrschend griechischer Bevölkerung ausgeschlossen
blieben und der neue Staat kaum lebensfähig ge-
nannt werden konnte.
Das eben befreite Land war inzwischen der
Schauplatz der widerlichsten Parkeikämpfe, denen
auch das neue Staatsoberhaupt, der Graf Kapo-
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